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Klima-Gipfel: Klimakonferenz: Ausnahmezustand in Paris

Klima-Gipfel

Klimakonferenz: Ausnahmezustand in Paris

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    Vertreter aus 195 Staaten wollen bis zum 11. Dezember einen Weltklimavertrag in Paris aushandeln.
    Vertreter aus 195 Staaten wollen bis zum 11. Dezember einen Weltklimavertrag in Paris aushandeln. Foto: Christophe Ena / Pool (dpa)

    François Hollande ließ erst gar keinen Zweifel an der historischen Bedeutung des Ereignisses aufkommen, zu dem er am Montag empfing. „Auf Ihren Schultern liegt die Hoffnung der gesamten Menschheit“, erklärte der französische Präsident zur Eröffnung der UN-Klimakonferenz COP21 vor den Toren von Paris, zu der mehr als 150 Staats- und Regierungschefs angereist waren. „Wir haben nicht das Recht, diese Hoffnung zu enttäuschen.“ Kein Land sei vor den Folgen des Klimawandels gefeit, der zu Hungersnöten und Kriegen führe und nicht zuletzt mitverantwortlich sei für Konflikte, die hohe Flüchtlingszahlen zur Folge haben. Das mache eine Einigung, die für alle gelte und juristisch bindend sei, so wesentlich, mahnte

    Als Gastgeberland bereitet Frankreich seit Monaten die Konferenz vor, die mit rund 40000 Teilnehmern die größte diplomatische Veranstaltung ist, die es je organisiert hat. Ein Vertrag mit ehrgeizigen Zielsetzungen zur Begrenzung der Erderwärmung durch Treibhausgase am Ende des zweiwöchigen Verhandlungsmarathons wäre auch ein wichtiger Erfolg für Paris. Dieser sei „in Reichweite“, aber längst nicht gesichert, sagte der französische Außenminister Laurent Fabius. Er drückte damit die Stimmung zwischen vorsichtigem Optimismus und warnender Skepsis aus, die der Klimakonferenz vorangeht.

    Sicherheitskräfte seit dem Anschlag massiv aufgestockt

    Um ein krachendes Scheitern wie beim Klimagipfel in Kopenhagen 2009 zu vermeiden, entschieden sich die französischen Gastgeber für eine andere Organisation. Dieses Mal reisten die Staats- und Regierungschefs nicht erst am Ende der Verhandlungen an, bei denen man sich damals nicht auf eine Einigung verständigen konnte. Vielmehr sollten sie mit ihrer Anwesenheit gleich zum Auftakt einen Impuls geben, um dann ihre Delegationen die Details aushandeln zu lassen, auf Basis von freiwilligen Beiträgen, die die Länder schon im Vorfeld zugesagt haben. Stundenlang fuhren gestern schwere Karossen vor dem Messegelände in Le Bourget nördlich von Paris vor, das von 2800 Sicherheitskräften geschützt wird. Um ein Verkehrschaos zu verhindern, war die Bevölkerung im Umkreis dazu aufgerufen, auf das Auto verzichten, nach Möglichkeit aber auch die öffentlichen Transportmittel zu meiden und am besten zu Hause zu bleiben. Das befürchtete Durcheinander blieb dann zwar aus – doch die Hinweise illustrieren die Nervosität der Regierung.

    Seit den Terroranschlägen in Paris vor zweieinhalb Wochen herrscht Ausnahmezustand in Frankreich. Die Sicherheitskräfte wurden massiv aufgestockt, schwer bewaffnete Polizisten und Gendarmen, die die Straßen entlang patrouillieren, erscheinen allgegenwärtig. Immer wieder gerät der Verkehr der sonst verhältnismäßig reibungslos funktionierenden Metro ins Stocken, weil ein „verdächtiges Gepäckstück“ gefunden wird.

    „Ich steige nur noch in die vorderen und die hinteren Wägen, um im Fall eines Anschlags vielleicht verschont zu werden“, sagt die 29-jährige Lorraine. „Aber wie soll man sich wirklich schützen? Der Premierminister warnt ja sogar vor der Gefahr chemischer Waffen…“ Weil aber absolute Sicherheit ohnehin nicht möglich ist, geht das Leben eben weiter – das Pariser Leben, das sich vorzugsweise in Cafés und auf den Straßen abspielt. „Tous au Bistrot!“ („Alle ins Bistro!“) hieß eine der Aktionen, die die Menschen dazu aufrief, jetzt erst recht auszugehen.

    So sagte es auch Präsident Hollande bei der bewegenden Gedenkfeier für die Anschlagsopfer am Freitag vor dem Invalidendom: „Wir werden die Lieder, die Konzerte vervielfachen, wir gehen weiterhin ins Fußballstadion.“ Die Terroristen sollen nicht gewonnen haben, die doch gerade die Lebens- und Ausgehfreude der Menschen treffen wollten, indem sie das Feuer im Szeneviertel um den Kanal Saint-Martin im Pariser Osten eröffnet hatten.

    Doch trotz aller Appelle ist vielen noch immer nicht nach Feiern zumute. Gastronomen klagen über deutliche Gewinneinbrüche und Hotels über reihenweise Stornierungen. „Wir werden das noch wochenlang spüren“, prophezeit Benjamin, Kellner in einem schicken Café in der Näher des Platzes der Concorde, wo sich überwiegend Touristen tummeln. „Aber wir müssen auch lernen weiterzuleben – ohne zu vergessen, was passiert ist.“ Deshalb wehen an vielen Fenstern Frankreich-Fahnen. Zeitungen wie Libération und Le Monde stellen die getöteten Opfer in kleinen Porträts vor und veranschaulichen damit die Grausamkeit, mit der diese meist jungen Menschen aus dem Leben gerissen wurden.

    Schweigeminute für Terroropfer beim Auftakt der Klimakonferenz

    Auch als Signal dafür, dass man sich den Alltag trotzdem nicht von islamistischen Fanatikern diktieren lässt, entschied sich Paris für die Beibehaltung des internationalen Gipfels. Zahlreiche Veranstaltungen der Zivilgesellschaft, vor allem solche unter freiem Himmel, wurden hingegen aus Sicherheitsgründen abgesagt. Bei einer Kundgebung am Sonntag, an der trotz des Versammlungsverbotes tausende Menschen teilnahmen, kam es zu Ausschreitungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei. Einige Randalierer warfen dabei nicht nur mit Schuhen und Flaschen auf die Sicherheitskräfte, sondern auch mit den Teelichtern oder gar Blumensträußen, die Menschen am Platz der Republik zum Gedenken der Terroropfer abgelegt hatten.

    Für sie wurde beim gestrigen Gipfelauftakt eine Schweigeminute abgehalten. US-Präsident Barack Obama hatte nach seiner Ankunft in Paris am Sonntagabend die Konzerthalle „Bataclan“, einen der Anschlagsorte, besucht.

    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zog eine Parallele zu den brutalen Attacken und der bevorstehenden Herausforderung der Verhandlungen. „Wir zeigen durch unsere Anwesenheit, wir sind stärker als die Terroristen“, sagte Merkel. Sie sprach sich dafür aus, Vereinbarungen zu treffen, die verbindlich alle fünf Jahre überprüft werden. Keine der freiwillig gemachten Zusagen der UN-Staaten zur Senkung der CO2-Emissionen dürfe abgeschwächt werden – denn Berechnungen von Experten zufolge reichen diese bisher nicht aus, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu halten. Außerdem, so Merkel, müssten die Regierungen der Industrienationen ihre Zusagen einhalten, Entwicklungsländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar als Hilfe für Klimaschutz-Maßnahmen zu überweisen.

    Auch Obama erklärte seine Entschlossenheit im Kampf gegen den Klimawandel: Als zweitgrößter Emittent von Treibhausgasen trage sein Land eine besondere Verantwortung, so der US-Präsident. Eine starke Wirtschaft und eine sichere Umwelt schlössen einander dabei nicht aus. Microsoft-Gründer Bill Gates und 27 weitere Vertreter von IT-Konzernen stellten die Initiative „Mission Innovation“ vor, mit der neue technologische Projekte im Kampf gegen den Klimawandel gefördert werden sollen. Rund 20 Staaten, unter ihnen Deutschland, Frankreich, China, Brasilien und Großbritannien, versprechen dabei, ihre Ausgaben für die Entwicklung sauberer Energien bis 2020 zu verdoppeln.

    Werden die Chancen, in zwei Wochen ein Ergebnis in Form eines bindenden Vertrages präsentieren zu können, diesmal höher eingeschätzt als 2009 in Kopenhagen, dann aufgrund einer neuen Bereitschaft wichtiger Länder wie den USA und China, den Ausbau erneuerbarer Energien als wirtschaftliche Chance zu sehen. So erklärte der aus Peking angereiste Präsident Xi Jinping gestern, in seinem Land hätten diese künftig Vorrang vor fossilen Brennstoffen. Allerdings forderte er zugleich, dass ein Klimaabkommen die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Staaten berücksichtigen müsse.

    Deren auseinanderdriftende Interessen und Perspektiven zu vereinen, stellt die Hauptherausforderungen dieser zwei Wochen dar. „Ein politischer Moment wie dieser kommt vielleicht nicht wieder“, mahnte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. War dieser erste Tag der Klimakonferenz den großen politischen Verlautbarungen gewidmet, so gilt als entscheidend, was bis zum offiziellen Abschluss am 11. Dezember an Konkretem folgt. Und noch mehr, was die Länder in den nächsten Jahren daraus machen.

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