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Kirchenasyl: Stellt sich die Kirche über das Gesetz?

Kirchenasyl

Stellt sich die Kirche über das Gesetz?

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    Ist das Rechtsbruch? Asylbewerber in der Berliner Thomaskirche.
    Ist das Rechtsbruch? Asylbewerber in der Berliner Thomaskirche. Foto: Paul Zinken, dpa

    Zwischen der Bundesregierung und der katholischen Kirche hängt der Haussegen schief. Mehr noch, in einer fundamentalen gesellschaftspolitischen Frage geht der Innenminister, der zur Partei mit dem „C“ im Namen gehört, auf Konfrontationskurs zur Kirche. Er wirft ihr Rechtsbruch vor. Und die Kirche? Sie hält an ihrem Tun fest. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, nimmt den Fehdehandschuh auf und erklärt, sich nicht dem Staat beugen zu wollen, weil er sich höheren Werten verpflichtet fühlt.

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    Es geht ums Kirchenasyl. Schon lange ist den Behörden die Bereitschaft von katholischen wie evangelischen Kirchengemeinden, von Abschiebung bedrohten Asylbewerbern in ihren Räumlichkeiten Schutz zu gewähren, ein Dorn im Auge. Damit wird eine Vollstreckung der Ausweisung verhindert, um auf eine Neuaufnahme des Verfahrens zu drängen. Zuletzt war das

    Wohl auch unter dem Eindruck der „Pegida“-Bewegung und den Wahlerfolgen der AfD sieht sich Innenminister de Maizière herausgefordert, das konservative Profil der Union zu schärfen. Er lehne Kirchenasyl „prinzipiell und fundamental“ ab, keine Institution dürfe sich über das staatliche Recht stellen, auch nicht die Kirche, sagt er. Aus rein juristischer Sicht hat der promovierte Jurist recht – es gibt kein Kirchenasyl. Für Kirchen gilt das gleiche Recht wie für alle anderen Gebäude. Rein formell ist es völlig egal, ob ein Asylbewerber in einer Kirche oder woanders Unterschlupf findet.

    Und doch gibt es eine christlich-jüdisch-abendländische Tradition, die stärker ist als das geltende Recht, die auch tiefer wurzelt als das moderne Rechtsverständnis. Seit Anbeginn der Zeiten gelten Tempel und Kirchen als heilige Orte, geweihte Stätten, sakrale Räume, die außerhalb des Zugriffs der weltlichen Obrigkeit stehen, weil Verfolgte hier direkt unter dem Schutz Gottes stehen.

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    Die Mächtigen haben diese Schutzfunktion immer akzeptiert, der Bruch des Kirchenasyls galt als schwerer Frevel. Dass ausgerechnet ein Christdemokrat nun die Axt an diese jahrtausendealte Tradition legt, verwundert sehr.

    Natürlich stehen die Kirchen nicht über, erst recht nicht außerhalb des Rechts. Wohl aber haben sie einen Auftrag, sich besonders für die Schwachen, Verfolgten, Ausgegrenzten einzusetzen, denen zu helfen, denen sonst niemand hilft. Papst Franziskus hat dies sogar zu einem Schwerpunkt seines Pontifikats gemacht, nachdem die Kirche viel zu lange auf der Seite der Mächtigen und Herrschenden gestanden hatte. Nach christlichem Verständnis wird jede Hilfe, die einem Bedürftigen gewährt wird, Jesus selber gewährt. Dass die Kirchengemeinden mit dem Instrument des Kirchenasyls maßvoll umgehen, belegen die geringen Fallzahlen – und die Tatsache, dass 90 Prozent der Betroffenen in einem Wiederaufnahmeverfahren tatsächlich anerkannt werden. Von einem Missbrauch kann keine Rede sein.

    Der kluge und sonst so besonnen agierende Thomas de Maizière läuft Gefahr, sich an der falschen Stelle als harter Law-and-Order-Mann profilieren zu wollen und dabei für sich und die CDU mehr zu verlieren als zu gewinnen.

    Das Kirchenasyl ist ein Randphänomen, das das Asylrecht nicht aushöhlt. Seine Abschaffung hingegen wäre ein radikaler Bruch mit einer zivilisatorischen Errungenschaft des christlichen Abendlandes. Unvorstellbar, dass die CDU das wirklich will. „Christlich“ dürfte sie sich danach jedenfalls nicht mehr nennen.

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