Für viele Menschen war dieses Jahr eine Zeit der Einsamkeit – als Lichtblick in dunkler Zeit gelten da die Weihnachtsgottesdienste. Aber bergen nicht gerade die ein besonderes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren? Für die Kirchen ist es eine Zwickmühle. Einerseits wollen sie nicht als Pandemietreiber gelten. Andererseits ist der Wunsch nach einer christlichen Feier in diesen Tagen besonders groß. Bund und Länder hatten in ihrem Lockdown-Beschluss am 13. Dezember vereinbart, dass Gottesdienste unter strengen Hygienevorgaben zulässig sind. Doch die Debatte hält an.
„Die Menschen brauchen Weihnachten, dieses Fest der Begegnung“, sagt der Augsburger Bischof Bertram Meier. „Wenn auch dieses Weihnachtsfest ein Stoppschild ist für vieles, woran wir uns gewöhnt haben, ermutige ich dazu, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um einander nahe zu sein.“
Kirchen stecken in der Zwickmühle
Egal ob evangelisch oder katholisch, seit Wochen bereiten sich die Kirchengemeinden auf die Christmette und die Einhaltung der Vorschriften vor, um coronakonform zusammenzukommen. Bayernweit sollen Freiluftgottesdienste stattfinden, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Viele Pfarreien arbeiten mit Anmeldeverfahren. Nach dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr war ihnen vorgeworfen worden, ihren Dienst viel zu bereitwillig eingestellt zu haben. Nun wollen sie für die Gläubigen da sein.
Und nur eine Feier im Internet ist vielen zu wenig. „Gottesdienste kann man nicht einfach auf eine Online-Variante umstellen“, sagt Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. „Denn Gottesdienste sind Gemeinschaftsfeiern.“ Die katholische Kirche gehe sehr verantwortungsvoll mit dem Thema Hygiene und Infektionsschutz um, sie halte sich auch jetzt an sehr strenge Auflagen. Mit dem Verzicht auf Gesang werde etwa ein wichtiger Übertragungsweg des Coronavirus ausgeschlossen. Risikogruppen werde empfohlen, so Sternberg, die Gottesdienste nicht zu besuchen. „Aber der Wunsch, an Weihnachten einen Gottesdienst zu besuchen, ist sehr, sehr groß“, sagt der ZdK-Präsident. „Manches, was für völlig selbstverständlich gehalten wurde, ist durch dieses merkwürdige Jahr plötzlich in seiner Wertigkeit erkannt worden.“ Der Kirchenbesuch habe eine Bedeutung bekommen, die vielen Menschen erst durch den Verzicht bewusst geworden sei.
Auch an Weihnachten: Verstoß gegen Ausgangssperre kostet bis zu 500 Euro
„Man erkennt den Gewinn, den diese eine Stunde in der Woche haben kann, in der man über sich hinausdenkt“, sagt Sternberg. Zu welcher Uhrzeit diese Gottesdienste stattfinden, sei da eher zweitrangig. Ab 21 Uhr gilt im Freistaat eine coronabedingte Ausgangssperre. Raus darf nur noch, wer einen wirklich triftigen Grund hat wie einen medizinischen Notfall. Mindestens 500 Euro Bußgeld sind bei Verstoß gegen die Vorgaben möglich. Thomas Sternberg betont: „Die katholischen Gläubigen haben sich nie gegen vernünftige Lösungen gewandt, aber das heißt auch, dass man Gottesdienste nicht pauschal verbieten sollte.“
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich gegen eine generelle Absage aus. „Nein, keine generelle Absageempfehlung“, sagte Bedford-Strohm dem BR.
Ärztechefin fordert Absage der Gottesdienste an Weihnachten
NRW-Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) hatte die Kirchen aufgefordert, deutschlandweit alle Präsenzgottesdienste abzusagen. Die „völlig unabsehbare Entwicklung der Pandemie und die Nöte auf den Intensivstationen in vielen Teilen Deutschlands“ machten dies unausweichlich.
Die Verbandschefin der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Ute Teichert, sagt: „Weil wir wissen, wie leicht sich das Virus gerade bei Gottesdiensten übertragen kann, dürfen wir zu Weihnachten angesichts der hohen Infektionszahlen kein zusätzliches Risiko eingehen.“
Nach dem neuen Infektionsschutzgesetz wäre ein Verbot von Gottesdiensten tatsächlich möglich, „soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) erheblich gefährdet wäre“.
Bayern sind größtenteils für Aufrechterhaltung der Ausgangssperre
So weit will die Bayerische Staatsregierung nicht gehen. Doch an der nächtlichen Ausgangssperre und damit einem faktischen Aus für mitternächtliche Christmetten hält sie fest – und bekommt dafür Rückendeckung. Zwei von drei Bayern finden es richtig, dass für späte Weihnachtsgottesdienste keine Ausnahme von der geltenden nächtlichen Ausgangssperre gemacht wird. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion.
Darin erklären 67,7 Prozent der Befragten, die Linie von Ministerpräsident Markus Söder sei richtig. Nur rund jeder Vierte (27,6 Prozent) sieht dies anders und hält es für falsch, dass Christmetten heuer nur vor 21 Uhr besucht werden können. Richtig finden das Verbot des Besuchs später Gottesdienste insbesondere Ältere. Fast vier von fünf der Über-65-Jährigen begrüßen es, dass von Ausnahmen abgesehen wird.
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