Marie Collins hat das Grauen am eigenen Leib erlebt. Mit 13 Jahren wurde sie bei einem Krankenhausaufenthalt in Dublin von einem Priester vergewaltigt. Sie wurde depressiv, erst im Alter von 47 Jahren konnte die Irin über das Geschehene sprechen. Nicht nur unter den Misshandlungen habe sie gelitten. Auch darunter, dass die Kirche ihren Peiniger lange schützte. Bevor der Priester, der ihr das antat, 1997 verurteilt wurde, hatte ihn sein Bischof in eine neue Pfarrei versetzt, wo er erneute Verbrechen beging.
Betroffene kritisiert die Vatikanbehörde scharf
Diese Erfahrung brachte die Aktivistin Collins mit, als Papst Franziskus sie vor drei Jahren in eine Vatikan-Kommission zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche berief. Diese Woche trat die 70-Jährige als einzige verbliebene Betroffene in dem 17-köpfigen Gremium zurück.
„Der Mangel an Kooperation, vor allem durch die Vatikanbehörde, die am engsten mit Missbrauchsfällen befasst ist, war eine Schande“, erklärte Collins. Sie meinte damit die vom früheren Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller geleitete Glaubenskongregation. Collins bemängelte „stetige Rückschläge“ in der Arbeit der Kommission und den „Widerstand einiger Mitglieder der Kurie“. Die Weigerung vonseiten der Kongregation, sämtliche Briefe von Missbrauchsbetroffenen trotz einer Anordnung des Papstes persönlich zu beantworten, brachte das Fass zum Überlaufen. Angesichts dieser Tatsachen sei es ihr „unmöglich, die öffentlichen Bekenntnisse über die tiefe Sorge in der Kirche für Missbrauchsopfer zu hören“.
Hält Papst Franziskus sein Versprechen der Null-Toleranz gegen Missbrauch?
Selbst die von der Kommission erarbeiteten Richtlinien für Diözesen zum Kinderschutz seien nicht weitergeleitet worden. Enttäuscht zeigte sich Collins von der nie wahr gemachten Ankündigung eines Vatikangerichts im Juni 2015, vor dem sich vertuschende Bischöfe verantworten sollten. Die Kommission hatte die Einrichtung empfohlen, der Papst zugestimmt. „Es ist verheerend, im Jahr 2017 zu sehen, dass diese Männer immer noch andere Sorgen vor die Sicherheit von Kindern und verletzlicher Erwachsener stellen können“, so Collins über die Widerstände und Doppelmoral.
Das Verhalten der Glaubenskongregation sei „ein Spiegel dafür, wie die gesamte Missbrauchskrise in der Kirche behandelt wurde: mit schönen Worten in der Öffentlichkeit und entgegengesetzten Aktionen hinter verschlossenen Türen“.
Collins kritisierte indirekt auch Papst Franziskus, der mehrfach eine Politik der Null-Toleranz gegen Missbrauch angekündigt hatte. So seien Urteile der Glaubenskongregation gegen Missbrauchstäter im Nachhinein abgeschwächt worden. Laut Medienberichten machte Franziskus die Entlassung mehrerer Missbrauchstäter aus dem Klerikerstand im Namen der Barmherzigkeit rückgängig. Immer wieder gab es auch Kritik, der Papst habe in seinen neunköpfigen Kardinalsrat mehrere Prälaten berufen, die Missbrauchsfälle vertuschten.
Kurienkardinal Müller wies die Vorwürfe zurück: „Man muss verstehen, dass wir als Kirche kein weltliches Urteil fällen“, sagte der Präfekt der Glaubenskongregation der Frankfurter Allgemeinen.