Am Donnerstagmorgen noch hielt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki während der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda eine Predigt über die Begegnung von Herodes Antipas mit Jesus. Zuvor habe der Herrscher über die Dinge sinniert, die er über Jesus gehört habe. „Viele Gerüchte und Spekulationen gehen um“, sagte Woelki. „Geredet wurde und wird zu allen Zeiten immer schon viel. Gestimmt hat zumeist nichts, bestenfalls wenig.“ An anderer Stelle sagte Woelki, es gehe nicht darum, die Sensationslust von Menschen zu befriedigen. Eine Predigt in eigener Sache? Sehr wahrscheinlich.
Papst entscheidet, dass Kardinal Rainer Maria Woelki im Amt bleibt
Seit Monaten stand die Entscheidung des Papstes über Woelkis Zukunft aus. Würde sie noch beim Bischofstreffen verkündet? Es gab Gerüchte, doch erst am Freitagmittag Gewissheit: Woelki bleibt im Amt. Auf seinen Wunsch hin werde ihm aber eine „geistliche Auszeit“ gewährt, von Mitte Oktober bis zum Beginn der österlichen Bußzeit Anfang März. Erzbischof und Erzbistum bedürften „einer Zeit des Innehaltens, der Erneuerung und Versöhnung“. Bis zu Woelkis Rückkehr werde der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser die ordnungsgemäße Verwaltung sicherstellen, hieß es.
Im Juni hatte der Papst zwei ausländische Bischöfe nach Köln geschickt. Sie sollten sich ein Bild „von der komplexen pastoralen Situation“ dort verschaffen und untersuchen, ob Erzbischof Woelki und die Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp im Umgang mit Missbrauchsfällen „eventuelle Fehler“ gemacht hatten. Die Vorgänge in Köln waren zu dem Zeitpunkt längst zu einer Belastung für die gesamte katholische Kirche in Deutschland geworden.
Woelki hatte ein von ihm in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten wegen angeblicher Mängel unter Verschluss gehalten, seinen eigenen Betroffenenbeirat instrumentalisiert und ein neues, rein juristisches Gutachten veröffentlicht – in dem ihm keine Pflichtverletzungen bescheinigt wurden. Dies blieb umstritten.
Begründung der Woelki-Entscheidung löst Empörung aus
Die Begründung, mit der Papst Franziskus Woelki nun im Amt belässt, löste Empörung aus. In ihr heißt es, es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass Woelki rechtswidrig gehandelt habe. Behauptungen, er habe – insbesondere durch Zurückhalten einer ersten Studie– vertuschen wollen, seien widerlegt.
Nach Ansicht das Papstes arbeitet Woelki die Verbrechen des Missbrauchs entschlossen auf und wende sich Betroffenen zu. Dennoch habe er „vor allem auf der Ebene der Kommunikation“ große Fehler gemacht. „Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass es im Erzbistum zu einer Vertrauenskrise gekommen ist, die viele Gläubige verstört.“ Schließlich der Satz: „Der Heilige Vater zählt auf Kardinal Woelki, er anerkennt seine Treue zum Heiligen Stuhl und seine Sorge um die Einheit der Kirche.“
Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, kritisierte: „Das Instrument einer Auszeit ist nicht genug.“ In demokratischen Strukturen zum Beispiel könne ein Amtsverzicht dazu beitragen, Verantwortung zu übernehmen und Veränderungen einzuleiten. Mit der Entscheidung werde ein solcher Erneuerungsprozess, der bitter nötig sei, verhindert. Sogar der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing übte Kritik. Was zur Entschiedenheit des Aufarbeitungswillens Woelkis gesagt werde, lasse viele Betroffene ratlos und verletzt zurück. „Es trifft zudem andere Bistümer, die bereits eine Aufarbeitung so begonnen haben, dass sie zu einem guten Teil zur Erneuerung und Versöhnung beitragen konnten“, erklärte der Bischof.
Woelki selbst äußerte sich nur kurz im Garten seines Bischofshauses. Seine Fehler täten ihm leid – besonders mit Blick auf die Betroffenen, von denen ihm einige rückgemeldet hätten, dass sie dadurch retraumatisiert worden seien, sagte er.
Was die Weihbischöfe Puff und Schwaderlapp angeht, so hätten diese nicht vertuschen wollen, ließ der Papst erklären. Puff werde seinen Dienst unmittelbar wieder aufnehmen; Schwaderlapp sei vor seiner Rückkehr ein Jahr als Seelsorger in Kenia gewährt worden.