Georg Bätzing, der Limburger Bischof, tritt ins Blitzlichtgewitter. Der St. Hildegard-Saal des Mainzer Tagungshauses, in dem am Dienstag um kurz nach 13 Uhr die Pressekonferenz abgehalten wird, ist überfüllt. Das Interesse an der Wahl des neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz: überwältigend. In den Fernsehnachrichten wird seit dem frühen Morgen darüber berichtet. Bätzing also ist es geworden, nach „nicht wesentlich mehr“ als zwei Wahlgängen, wie er sagt.
Seine Wahl ist ein Zeichen der Kontinuität. Mit ihm ist nun ein ähnlich progressiver Bischof Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland, wie es sein Vorgänger Reinhard Kardinal Marx war. Die beiden kennen sich noch aus Trierer Zeiten, wo Bätzing zuletzt Generalvikar war, und fühlen sich eng verbunden.
Neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz will Reformprozess fortsetzen
Bätzing lässt keinen Zweifel daran, wofür er steht. In ruhigem, gefasstem Ton erklärt er, es gelte jetzt wichtige Themen zu klären: die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Die Fortführung des Reformprozesses „Synodaler Weg“, von dem er sehr überzeugt sei. Die Ökumene, über die er sagt: „Wir werden nur konfessionsübergreifend eine Wirkung haben.“
Über den Wechsel ins Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz erzählt er, dieser sei „unprätentiös“ vonstatten gegangen. Er habe seine Tasche genommen, und Kardinal Marx sei einen Stuhl weitergerückt. Marx steht neben ihm und lächelt. Dass die Wahl auf Bätzing fiel, ist ganz nach seinem Geschmack. Sie ist zudem ein deutliches Signal. Denn Bätzing folgte in Limburg „Prunk-Bischof“ Franz-Peter Tebartz-van Elst nach. Jener Kirchenmann, der das Image der Kirche nachhaltig beschädigte.
Bätzing wurde erst am 1. Juli 2016 zum 13. Bischof von Limburg ernannt. Am 18. September 2016 wurde er dann im Hohen Dom zu Limburg zum Bischof geweiht. Die Weiheliturgie hatte damals der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, übernommen.
Bätzing verkörpert das Gegenteil von Franz-Peter Tebartz-van Elst: Er ist nahbar, bereit und fähig zum (Reform-)Dialog. So sagte der 58-Jährige, die Sexuallehre der Kirche werde eher als Verbotsmoral empfunden und sprach sich für eine „Weitung, Öffnung und Veränderung dieser Lehre“ aus – ohne mit der Kirchenlehre zu brechen. Über den Zölibat, die priesterliche Ehelosigkeit, sagte er einmal unmissverständlich: Es schade der Kirche nicht, „wenn Priester frei sind, zu wählen, ob sie die Ehe leben wollen oder ehelos leben wollen“.
Nach Tebartz-van Elst: Bätzing befriedete das Bistum Limburg
Bätzings Aufgabe als Nachfolger Tebartz-van Elsts: sein Bistum einen, das nach dem Rücktritt seines Vorgängers zutiefst gespalten war. Tebartz-van Elst war Ende März 2014 zurückgetreten, nachdem er – so heißt es in einem Prüfbericht – aufgrund seiner Sonderwünsche den Bau des neuen Bischofssitzes in Limburg massiv verteuert und die Baukosten von mindestens 31 Millionen Euro verschleiert habe. Er ist inzwischen an der Römischen Kurie beschäftigt. Eine der ersten Entscheidungen Bätzings war es, nicht ins Skandal-umwobene neue Bischofshaus einzuziehen. Es ist das mit der berühmt-berüchtigten Luxus-Badewanne.
Am Dienstag nun, bei der Pressekonferenz in Main, strahlt Georg Bätzing Zuversicht aus. Und lässt Raum für (Selbst-)Zweifel. „Das große Interesse heißt auch eine große Bürde“, sagt er vor den Journalisten. Auf die Frage, wie er denn zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan vermitteln wolle, antwortet er: Er spreche kein Italienisch, habe keine Erfahrung mit der Kurie. Er wolle sich von anderen Bischöfen deshalb helfen lassen, allen voran von Reinhard Marx.
Limburger Bischof Georg Bätzing will kein zweiter Reinhard Marx sein
Den lobt er. Er habe sich von ihm „sehr vertreten gefühlt“. Zugleich stellt er klar: „Ich bin kein zweiter Reinhard Marx.“ Bätzing wird leiser sein, wird Aufgaben delegieren – meinungsstark wird er bleiben. Mit anderen Meinungen umgehen können, das wird und muss er künftig ebenfalls. Dass es in der Deutschen Bischofskonferenz rumort, verhehlt er nicht. Er spricht von Meinungen, die „sehr disparat“ seien und auseinander klafften.
Und dann kündigt er noch zwei Themen an, die es in die Nachrichten schaffen werden: Er hoffe, dass man noch in Mainz ein Ergebnis in der Frage der Opferentschädigung präsentieren könne, „dass Betroffenen gegenüber ein Signal ist“, sagt er. Und er sagt, dass kirchliche Verwaltungsgerichte kommen werden, vor denen sich auch Bischöfe verantworten müssten.
Unmittelbar vor der Wahl meinte einer der 68 anwesenden Bischöfe, es sei noch völlig offen, wer Nachfolger des Münchner Erzbischofs Reinhard Kardinal Marx werde. Der 66-Jährige hatte Mitte Februar zur Überraschung auch seiner Mitbrüder angekündigt, nicht mehr zur Wiederwahl als Vorsitzender anzutreten. Aus Altersgründen. Es gebe mehrere Kandidaten, sagte also jener Bischof kurz vor dem ersten Wahlgang, es brauche daher sicher zwei Wahlgänge. Er sei selbst überaus gespannt. Ob er wohl für Bätzing votierte? Wahlgeheimnis.
Marx-Nachfolger Bätzing übernimmt eine Kirche im Umbruch
Auf Bätzing jedenfalls, das ist gewiss, kommt nun einiges zu. Die katholische Kirche in Deutschland befindet sich im Umbruch. Und wie sehr sie um ihren künftigen Kurs ringt und auch von welch großem öffentlichem Interesse dieses Ringen ist, zeigt auch der Blick zurück auf den Montag, den ersten Tag des Bischofstreffens.
Reinhard Kardinal Marx tritt ins Blitzlichtgewitter und steht vor einem Pulk von Journalisten und Kamerateams, die Finger zur Merkel-Raute geformt. Es ist seine letzte Frühjahrs-Vollversammlung als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Personalangelegenheiten seien immer von besonderem Interesse, sagt er bei der Auftakt-Pressekonferenz. Noch einmal wird jedes seiner Worte gewogen, und wie üblich in Kirchenkreisen zählt auch jeder Zwischenton.
Marx steht wie kein anderer für den innerkirchlichen Reformprozess „Synodaler Weg“, den er vor einem Jahr maßgeblich auf den Weg gebracht hat. Mit seinem Rückzug hängt über dessen Fortgang ein Fragezeichen. Kommen Reformen, und wenn ja: Wie zaghaft fallen sie aus? Bischöfe und engagierte Katholiken diskutieren über Zölibat, Sexualmoral, die Rolle der Frau in der Kirche.
Ein Fragezeichen hängt am Montag auch über dem Thema „Entschädigung für Missbrauchsopfer“. Marx spricht von „Anerkennung“. Für Missbrauchsopfer ist das gleich die erste herbe Enttäuschung. „Anerkennung“ verpflichte die Kirche zu nichts, sei etwas rein Symbolisches, „Entschädigung“ dagegen sei ein Schuldeingeständnis, eines, das ihnen so wichtig ist. Sie kämpfen um angemessene Entschädigungen für ihr lebenslanges Leid.
Seit ein paar Wochen sind ihre Hoffnungen jedoch in Frustration umgeschlagen. Bischöfe deuteten an, es gehe um Summen im mittleren fünfstelligen Euro-Bereich, nicht wie von Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ und anderen gefordert um bis zu 400.000 Euro. Marx dämpft die Erwartungen, es sei alles nicht so einfach. Er sei aber zuversichtlich, dass sich die Bischöfe in Mainz auf eine Lösung einigen werden. Die Kirche tue mehr als andere Organisationen, betont er. Sie wolle auch mehr tun.
Katsch empfindet das als Hohn. Er spricht von zivilem Ungehorsam. Er „erwarte einen starken und klaren Protest der kirchlichen Basis“. Katsch überlegt laut, man könne Gottesdienste stören. Die Kirche könne Opfer angemessen entschädigen, sagt er, wenn sie denn nur wolle. Er glaubt nicht mehr daran, dass sie will.
Kardinal Marx hinterlässt seinem Nachfolger zahlreiche Baustellen
Für Marx gehen in Mainz sechs anstrengende Jahre als Bischofskonferenz-Vorsitzender zu Ende, wie er sagt. Für seinen Nachfolger gebe es „genügend offene Baustellen“. Man sei „in einem Momentum der Kirchengeschichte, wo sich manches zuspitzt“ – und wo sich vieles entscheide.
Zuvor hatten ihm katholische Frauenorganisationen mehr als 130.000 Unterschriften für eine „geschlechtergerechte und glaubwürdige Kirche“ überreicht. Sie wollen das „Männerbündische“ brechen; Frauen sollten zu Priesterinnen geweiht werden, fordern sie. Marx dämpft auch ihre Erwartungen. Immerhin sagt er, das Amt des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz könne nach dem vor wenigen Tagen erklärten Rückzug von Pater Hans Langendörfer eine Frau ausfüllen.
Über die Gründe seines eigenen Rückzugs will er sich nicht weiter äußern, er betont stattdessen, er wolle den Vorsitz in die Hände eines Jüngeren legen.
Gegen 18 Uhr laufen die Bischöfe dann von ihrem Tagungsort zum Dom, Marx unter einem weißen Regenschirm. Eine kleine Gruppe von Frauen der Reforminitiative „Maria 2.0“, alle in weißen Schals, erwartet die Bischöfe dort schon. Die Kirchenmänner gehen an ihnen vorbei. Andere Bischöfe bleiben später kurz stehen, schütteln Hände, Small-Talk. Die „rebellischen Frauen“, wie sie eine ältere Gottesdienstbesucherin nennt, setzen sich im Dom auf die hinteren Stufen, einer Tribüne gleich, um von den Bischöfen gesehen zu werden. Und sie sind nicht zu übersehen. Und nicht zu überhören. Zwei Mal applaudieren sie Kardinal Marx während dessen Predigt.
Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Vollversammlung: Marx betet für Einheit der Bischöfe
Er trägt sie frei vor, stehend, mit ausgebreiteten Armen. „Wie gelingt es uns heute, die Zeichen der Zeit zu verstehen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil gefordert hat?“, fragt er. „Da wo die Kirche in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu sehen, wird sie begreifen, was die Stunde geschlagen hat“, sagt er. Sein konservativer Gegenspieler, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, sitzt hinter ihm und wedelt mit seinem Liederheft.
Nach dem Gottesdienst laufen die Bischöfe zurück zum Tagungshaus, vorbei an der Kneipe „Domsgickel“. Die Kneipenbesucher sehen die Bischöfe durch die bodenlangen Fensterscheiben hindurch und blicken etwas irritiert. So neigt sich der erste Tag der Vollversammlung seinem Ende entgegen.
Marx hat an diesem Tag mehrfach für die Einheit der Bischöfe gebetet und Gottes Segen für ihre Beratungen erbeten. Die gehen am späten Abend hinter verschlossenen Türen weiter. Wer sollte neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz werden? In welche Richtung sollte er die Kirche lenken? Welcher Kandidat ist für Reformer und Konservative gleichermaßen wählbar? Was hier geschieht, ist Kirchenpolitik. Und das ist oftmals ein hartes, wenig barmherziges Geschäft.
Gleich ums Eck, bei Waffen-Bassing (Büchsenmacherei seit 1919), hätten sich die Bischöfe dafür mit Nachtsichtgeräten oder Ferngläsern eindecken können – um dem einen oder anderen ihrer Mitbrüder, gewissermaßen, besser in die Karten schauen zu können. Wofür steht er? Wen wählt er?
Aber wahrscheinlich hätten sie mehr mit dem Echtholz-Korkenzieher aus der Auslage des Geschäfts anzufangen gewusst. Was zweifelsohne die bessere Wahl gewesen wäre. Bei einem guten Glas Wein lässt sich auch gut und versöhnlich ins Gespräch kommen, und schließlich ist das ja immer noch eine Versammlung von Kirchenmännern, nicht von Rivalen. Auch wenn dieser Eindruck bisweilen vorherrscht.
Deutsche Bischofskonferenz: Georg Bätzing muss seine Mitbrüder wieder zusammenführen
Der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, weiß all das nur zu genau. Auf ihn wartet keine leichte Aufgabe. Er wird seine Mitbrüder wieder zusammenführen müssen, er wird die Kirche in eine Zukunft führen müssen – wie auch immer diese aussehen mag. Sein Wahlspruch passt dazu bestens: „Congrega in unum“, lautet er. „Führe zusammen“. Der Vers stamme, heißt es auf der Internetseite seines Bistums, aus dem sogenannten Trierer Pilgergebet. Darin heißt es: „Jesus Christus, Heiland und Erlöser, erbarme dich über uns und über die ganze Welt. Gedenke deiner Christenheit und führe zusammen, was getrennt ist. Amen.“
Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar Bischof Bätzing ist eine gute Wahl und unseren Hintergrund-Artikel So wählt die Deutsche Bischofskonferenz ihren Vorsitzenden.
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