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Kirche: Bischof Zdarsa verschärft die Kirchenkrise

Kirche

Bischof Zdarsa verschärft die Kirchenkrise

Daniel Wirsching
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    Der katholische Bischof Konrad Zdarsa bei seiner Weihnachtspredigt im Augsburger Dom.
    Der katholische Bischof Konrad Zdarsa bei seiner Weihnachtspredigt im Augsburger Dom. Foto: Annette Zoepf, Archiv

    Das Abschiedsinterview, das der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa nun der Katholischen Nachrichten-Agentur gegeben hat, sucht Seinesgleichen. Der sonst so schweigsame Bischof rechnet darin mit seinen Mitbrüdern ab – und Medienschelte darf natürlich auch nicht fehlen. (Lesen Sie hier das Interview: Augsburger Bischof Zdarsa: "Wir brauchen keine 'Political Correctness'")

    Während die Kritik an kritischer Berichterstattung sein gutes Recht ist, verwundert doch seine scharfe, ja bissige Kritik an den deutschen Bischöfen. Denen ruft er nicht nur ein „undiszipliniertes Daherreden“ hinterher, er erzählt sogar freimütig, dass er ihnen am liebsten einen Maulkorb verpasst hätte. In seinen Worten: ein „Moratorium für öffentliche Stellungnahmen“. Da scheint einer, den Ruhestand unmittelbar vor Augen, Mut zur Revolte bekommen zu haben.

    Was in Zdarsas Fall reichlich seltsam ist. Weder öffentlich noch intern galt er als jemand, der das große Wort führte; oder der die Auseinandersetzung in einer kontrovers geführten Debatte gesucht hätte – und damit nach Lösungen. Und die benötigt die katholische Kirche dringend für gleich mehrere tief reichende Probleme.

    Bischof Zdarsa bezeichnet "synodalen Weg" als "Etikettenschwindel"

    Im März rangen die deutschen Bischöfe bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Lingen um einen Weg aus der massiven Krise, in der sich die Kirche vor allem aufgrund des selbst verschuldeten Missbrauchsskandals befindet. Erst kurz vor Schluss einigten sich die Bischöfe auf einen Kompromiss: „Einstimmig haben wir beschlossen, einen verbindlichen synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx.

    Unter Beteiligung engagierter Laien, so Marx, solle es in offenen Debatten um eine „Neuausrichtung und Veränderung“ der Kirche gehen: um klerikalen Machtmissbrauch und „den nötigen Machtabbau“; um den Zölibat; um die Sexualmoral der Kirche und deren Verkündigung, die „der überwiegenden Mehrheit der Getauften keine Orientierung“ gebe.

    Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa sagte dagegen jetzt, er habe sich bei der Abstimmung darüber „sichtbar der Stimme enthalten“. Mehr noch: Er weise das Wort vom ’synodalen Weg’ „weit“ von sich. Und, nochmals schärfer, sprach er von „Etikettenschwindel“.

    Zdarsas Interview ist eine Enttäuschung für Missbrauchsopfer

    Dies ist nicht nur ein selten da gewesener Affront gegen Marx und die deutliche Mehrheit seiner Mitbrüder. Es ist wieder einmal eine herbe Enttäuschung für jeden – insbesondere für die Missbrauchsopfer –, der noch daran glaubt, dass die katholische Kirche imstande ist, Lehren aus dem Missbrauchsskandal zu ziehen und ihre Vertrauenskrise zu überwinden. Denn auch Wortmeldungen einzelner Kirchenmänner wie zuletzt die von Konrad Zdarsa, Walter Mixa, Gerhard Ludwig Müller oder vom zurückgetretenen Papst Benedikt XVI. addieren sich zu einem verheerenden Bild einer rückwärtsgewandten Kirche, deren Vertreter sich in Streitigkeiten untereinander verlieren.

    Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Abschlussveranstaltung der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
    Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Abschlussveranstaltung der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Foto: Mohssen Assanimoghaddam, dpa

    Die tiefe Krise der katholischen Kirche drückt sich in immer erschütternderen Formen aus. Erst kürzlich kam der „Gemeinwohl-Atlas“, für den fast 12.000 Menschen befragt wurden, zu dem Ergebnis: Die römisch-katholische Kirche leiste einen eher geringen Beitrag zum Gemeinwohl. Sie landete auf Platz 102 von 137 abgefragten deutschen sowie internationalen Organisationen und Institutionen.

    Im Unterschied zu Zdarsa haben viele seiner Mitbrüder erkannt, dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf. Genau dafür aber steht Zdarsa mit seinen aktuellen Äußerungen – auch der, dass es jedem freistehe, „das Schiff der römisch-katholischen Kirche zu verlassen“. Das lässt einen (auch aus theologischen Gründen) sprachlos zurück – und befördert frustrierte und wütende Reaktionen. Wird in der Kirche denn nicht Nächstenliebe gepredigt? Heißt „katholisch“ denn nicht „allumfassend“? Soll die Devise lauten: Geht doch, wenn es euch bei uns nicht passt?

    Zdarsa ist sich dabei in seinen Ansichten treu geblieben. Bereits wenige Monate nach seiner Amtseinführung in Augsburg sagte er 2011 in einem Hirtenwort: „Am wichtigsten ist, dass die Gläubigen bereit sind, in den Zug einzusteigen und in die vorgegebene Richtung mitzufahren.“ Dieser Zug ist längst abgefahren.

    Der Papst übrigens dürfte sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch Anfang Juli annehmen.

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