Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat das Segnungsverbot des Vatikans für homosexuelle Paare deutlich kritisiert.
Er könne das Unverständnis der Gläubigen verstehen "und teile es ausdrücklich", sagte Bätzing in einem Interview auf der Website seines Limburger Bistums. Der Vatikan hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass homosexuelle Paare nicht gesegnet werden dürften, weil dies "objektiv" nicht Gottes Wille sei. Dies hat in der katholischen Kirche in Deutschland einen Proteststurm entfacht. Bätzing hatte sich am Tag der Erklärung zunächst noch zurückhaltend geäußert, legte jetzt aber nach.
"Gläubige in der Kirche akzeptieren allzu einfache Antworten nicht mehr und fordern Veränderungen", stellte der als Reformer und Brückenbauer bekannte Bischof von Limburg klar. "Ein Dokument, das sich in seiner Argumentation so eklatant einem Erkenntnisfortschritt theologischer und humanwissenschaftlicher Art verschließt, wird dazu führen, dass die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird." Die Glaubenskongregation würde besser daran tun, in der Weltkirche einen Diskussionsprozess in Gang zu setzen. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die katholische Sexuallehre einer Weiterentwicklung im Licht der seit Jahrzehnten vorliegenden humanwissenschaftlichen und theologischen Erkenntnis bedarf", sagte Bätzing.
Wenn die Kongregation behaupte, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, ihre Lehre zu verändern, dann beschädige sie damit selbst ihre Autorität, weil es ein Fakt sei, dass die Kirche ihre Lehre vielfältig weiterentwickelt habe. "Veränderung gehörte schon immer zum Wesen der Kirche. Wer sie verweigert, der gefährdet die Einheit der Kirche", sagte Bätzing. Am Montag hatten mehr als 230 Theologieprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum gegen die Erklärung des Vatikans Stellung bezogen und ihre theologische Qualität kritisiert.
Offensichtlich sei das Schreiben des Vatikans auch auf den derzeitigen Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland gemünzt, sagte Bätzing. Für ihn stehe aber fest, dass dieser Synodale Weg weitergehe und auch zu Beschlüssen kommen werde. Allerdings müsse man mit Bezug auf Rom feststellen, dass es "offensichtlich bislang eine konstruktive Auseinandersetzung mit unseren Fragestellungen dort nicht gegeben hat". Er erbitte sich Respekt für die Ernsthaftigkeit des deutschen Prozesses.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki stellte sich unterdessen auf die Seite Roms. "In Einheit mit Papst Franziskus und der Kirche" sehe er in der Erklärung "eine Stärkung des katholischen Ehe- und Familienverständnisses", teilte Woelki am Mittwoch in Köln mit. In einem Interview mit der "Zeit" deutete er an, die jüngste Welle der Kritik an ihm in den Medien lasse sich in Wahrheit auf die von ihm vertretenen konservativen Standpunkte zurückführen. "Ja, wir haben Fehler gemacht in Köln", sagte Woelki. "Aber ich glaube, die Entrüstung hat mehr mit meiner Person zu tun. (...) Man wollte mich wegen meiner Positionen infrage stellen."
Der queerpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven Lehmann, kritisierte Woelki scharf. Seine Äußerungen dokumentierten "offene Ablehnung von Lesben und Schwulen". Damit stelle er sich bewusst gegen die breite Reformbewegung in der katholischen Kirche. Ein solcher Kardinal passe einfach nicht in die weltoffene und lebensfrohe Metropole Köln.
© dpa-infocom, dpa:210324-99-953875/3 (dpa)