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Kinderporno-Affäre: Fall Edathy: Was der Ausschuss eigentlich soll

Kinderporno-Affäre

Fall Edathy: Was der Ausschuss eigentlich soll

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    Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy wird mit neuen Kinderpornografie-Vorwürfen konfrontiert.
    Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy wird mit neuen Kinderpornografie-Vorwürfen konfrontiert. Foto: Maurizio Gambarini (dpa)

    Mit manchen Ungereimtheiten hielt die Affäre Edathy zu Jahresbeginn das politische Berlin in Atem. Von heute an befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestags mit dem Skandal um den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy, der zum Rücktritt von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) führte und eine Vertrauenskrise in der großen Koalition ausgelöst hatte.

    Worum geht es im Fall Edathy?

    Es geht um Kinderpornografie-Verdacht, um die mögliche Weitergabe von Dienstgeheimnissen und um mögliche Ermittlungspannen. Edathys Name war im Zusammenhang mit Kinderpornografie in Kanada aufgetaucht. Die dortigen Behörden informierten 2011 das Bundeskriminalamt (BKA), das aber offenbar zunächst nicht aktiv wurde. Erst zwei Jahre später informierte das BKA das Bundesinnenministerium über den Verdacht gegen Edathy. Der damalige Minister Friedrich weihte Edathys Parteichef Sigmar Gabriel ein, weswegen er später zurücktreten musste. Edathy legte im Januar sein Mandat nieder und tauchte unter.

    Was soll der Untersuchungsausschuss klären?

    Der Untersuchungsausschuss zur Kinderpornografie-Affäre soll drei Themenkomplexen nachgehen:

    Chronologie: Die Affäre Edathy

    2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über deutsche Kunden eines kanadischen Online-Shops, der auch Kinderpornografie vertreibt. Im Oktober 2012 gibt das BKA die Daten zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

    Oktober 2013: BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Steinmeier davon.

    5. November 2013: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

    Anfang Januar 2014: Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung. Ende November 2013 hatte der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann Oppermann bereits darüber informiert, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

    22. Januar 2014: Edathys Anwalt sucht das Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. "Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr", sagt der Anwalt nach Darstellung Jörg Fröhlichs.

    28. Januar 2014: Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

    7. Februar 2014: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder. Als Motiv nennt er gesundheitliche Gründe.

    10. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und in Berlin sowie Büros durchsuchen. Offenbar stoßen sie dabei nur auf wenig Material.

    11. Februar 2014: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück. Einen Tag später erhebt er Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Oppermann gibt bekannt, dass Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert worden sei.

    14. Februar 2014: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen neun und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie, so Fröhlich. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: "Wir sind fassungslos."

    14. Februar 2014: Friedrich erklärt, er wolle im Amt bleiben, bis über ein Ermittlungsverfahren entschieden ist. Nur wenige Stunden später tritt er als Agrarminister zurück.

    18. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrats ein. Ein Behörden-Brief kam unverschlossen sechs Tage nach Versand an. Er sollte den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über den Fall Edathy informieren. Es ist bekannt, dass sich ein Anwalt Edathys schon im November nach möglichen Ermittlungen erkundigt hat.

    24. Februar 2014: Gegen Edathy wird ein SPD-Parteiordnungsverfahren eingeleitet.

    2. Mai 2014: Es wird vom Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet, dass sich Edathy strafbares kinderpornografisches Material über seinen Bundestag-Laptop beschafft habe. Die Staatsanwaltschaft schweigt.

    17. Juli 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos an.

    29. August 2014: Edathy scheitert mit seiner Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Abgeordnetenbüros beim Bundesverfassungsgericht.

    18. November 2014: Das Gericht lässt die Anklage gegen Edathy zur Hauptverhandlung zu.

    23. Februar 2015: Am Landgericht Verden startet der Prozess gegen Edathy. Er endet nach nur rund 90 Minuten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen bis zur nächsten Sitzung erneut über eine Einstellung sprechen.

    2. März 2015: Das Gericht stellt das Verfahren ein. Zuvor hat Edathy eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagevorwürfe einräumt. Zwar muss er 5000 Euro zahlen, aber er ist nicht vorbestraft.

    1. Juni 2015: Edathy muss seine SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen. Das entscheidet das Schiedsgericht des SPD-Bezirks Hannover. Für einen von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss sieht das Gremium keine ausreichende Grundlage.

    Zum einen geht es um die Frage, warum die Ermittlungsbehörden die Vorwürfe gegen Edathy nicht früher verfolgten. Kanadische Fahnder hatten dem Bundeskriminalamt (BKA) bereits im Herbst 2011 Daten übergeben, in denen Edathy namentlich als Besteller von Kinder-Nacktfotos auftauchte. Die deutschen Ermittler begannen jedoch erst im Oktober 2013, gegen ihn vorzugehen. Eine wesentliche Rolle spielt bei der Aufarbeitung auch, wie verschiedene Landesbehörden in den Fall eingebunden waren und ob es dort oder bei ihrer Zusammenarbeit mit dem BKA hakte.

    Der zweite Komplex dreht sich um die Weitergabe von Informationen zu dem Fall - beim BKA selbst, vom BKA an die Bundesregierung, innerhalb der Bundesregierung, an andere Behörden und Dritte. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte die SPD-Spitze über die Vorwürfe gegen Edathy in Kenntnis gesetzt. Auch an anderer Stelle bahnten sich die Informationen ihren Weg. Das Datenpaket der kanadischen Ermittler ging etwa auch an die Landeskriminalämter. Die Frage ist: Wer wusste wann Bescheid, wer durfte eingeweiht werden und wer nicht? Offen ist vor allem, ob Edathy vorab gewarnt wurde.

    Der dritte Themenkomplex dreht sich um einen BKA-Beamten, der ebenfalls auf der Liste der kanadischen Ermittler auftauchte. Der Ausschuss soll unter anderem klären, wie das BKA damit umging.

    Warum ein Untersuchungsausschuss?

    Ein U-Ausschuss ist eine besonders intensive Form der parlamentarischen Aufklärungsarbeit, die nicht oft angewendet wird. Im Fall Edathy wurde er auf Betreiben der Oppositionsparteien Linke und Grüne eingesetzt. Sie argumentierten, dass in der Affäre immer neue Fragen aufgetaucht seien, die anders nicht zu beantworten wären. Ein U-Ausschuss hat breite Vollmachten: Er kann Zeugen sogar zur Aussage zwingen - bis hin zur Beugehaft. Gerichte oder Behörden sind verpflichtet, einem U-Ausschuss Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Union und SPD sehen in dem Ausschuss nicht das richtige Instrument zur Klärung der Edathy-Affäre, wollten ihn aber nicht verhindern.

    Wer sitzt im Edathy-Ausschuss?

    An polizeilichem Sachverstand dürfte es dem Ausschuss nicht mangeln. Vier seiner acht Mitglieder sind gelernte Polizisten: Armin Schuster (CDU), Uli Grötsch (SPD), Irene Mihalic (Grüne) und Frank Tempel (Linke). Den Vorsitz des Ausschusses übernimmt die SPD-Abgeordnete Eva Högl. Weitere Mitglieder sind Michael Frieser (CSU), Helmut Brandt (CDU) und Barbara Woltmann (CDU).

    Wie geht es jetzt weiter?

    Nach seiner Konstituierung am Mittwoch will der Ausschuss rasch Akten anfordern, um die Sommerpause für die Lektüre zu nutzen. Linke und Grüne halten insgesamt sechs bis acht Ausschusssitzungen für ausreichend, die Vorsitzende Högl allerdings rechnet mit einer Tagungsdauer von mindestens einem Jahr. Als Zeuge wird vermutlich auch Edathy selbst vorgeladen werden. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und BKA-Präsident Jörg Ziercke dürften geladen werden. dpa, afp, AZ

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