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Kinderbetreuung: Kita-Ausbau: Die Ministerin steht im Wort

Kinderbetreuung

Kita-Ausbau: Die Ministerin steht im Wort

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    Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz kommt im August 2013. Allerdings klafft in der flächendeckenden Versorgung trotz milliardenschwerer Zuschüsse noch eine große Lücke.
    Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz kommt im August 2013. Allerdings klafft in der flächendeckenden Versorgung trotz milliardenschwerer Zuschüsse noch eine große Lücke. Foto: Rainer Jensen dpa

    Der Ausbau der Kinderbetreuung kommt trotz milliardenschwerer Zuschüsse nur schleppend voran. Mit einem Zehn-Punkte-Plan will Familienministerin Kristina Schröder (CDU) nun dafür sorgen, dass Bund, Länder und Gemeinden auch halten, was sie für August nächsten Jahres versprochen haben: einen Betreuungsplatz für jedes dritte Kind unter drei Jahren.

    Ab 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen solchen Platz. Wie groß ist die Ausbaulücke noch?

    Ursprünglich sollten im nächsten Jahr 750 000 Plätze zur Verfügung stehen. Neuere Umfragen gehen inzwischen von einem Bedarf von 780 000 Plätzen aus. Tatsächlich gibt es im Moment aber nur 620 000 Plätze. Außerdem fehlen in Deutschland nach Berechnungen des Ministeriums noch 140 000 Erzieherinnen und Erzieher und mindestens 16 000 Tagesmütter und Tagesväter.

    Mit welchen Maßnahmen will die Ministerin nun gegensteuern? Reicht ihr Programm aus, um die Lücke zu schließen?

    Unternehmen, Kommunen oder Eltern, die Tagesmütter fest anstellen, erhalten vom Bund für ein Jahr einen Zuschuss zu den Lohnkosten. Für klamme Gemeinden, die neue Kindergärten bauen oder bestehende Einrichtungen ausbauen, stellt die bundeseigene KfW-Bank kurzfristig zinsverbilligte Kredite im Umfang von 350 Millionen Euro zur Verfügung. Ansonsten enthält das Programm vor allem Absichtserklärungen: Der Erzieherberuf soll attraktiver werden, Unternehmen und Behörden sollen beim Aufbau von Betriebskindergärten stärker unterstützt werden, bürokratische Vorschriften sollen überprüft werden.

    „Die Bundesregierung irrt gewaltig, wenn sie mit diesem Progrämmchen die Wende beim Krippenausbau bewerkstelligen möchte“, kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ekin Deligöz, deshalb. Die gewaltigen Ausbauprobleme würden so allenfalls minimal gelindert. Kurz: „Es droht ein Krippen-Desaster.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel argumentiert ähnlich. Mit dem umstrittenen Betreuungsgeld, moniert er, würden zwei Milliarden Euro vergeudet – das seien umgerechnet 200 000 neue Krippenplätze.

    Reichen 780 000 Plätze am Ende auch aus? Junge Mütter wollen heute deutlich schneller zurück in den Beruf als noch vor einigen Jahren.

    Die Situation ist hier regional sehr unterschiedlich. Bundesweit wünschen sich 39 Prozent der Eltern mit einem Kind unter drei eine Betreuung. In großen Städten und Ballungsräumen wie München oder Berlin liege der Bedarf aber teilweise bei 60 Prozent, betont der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stefan Articus.

    „Diese Marken bis Sommer 2013 zu erreichen, ist fast unmöglich.“ Um nicht in einer Flut von Klagen zu ertrinken, mit denen Eltern ihren Rechtsanspruch auf einen Platz geltend machen, fordern die Kommunen deshalb einen finanziellen Nachschlag.

    Insgesamt haben Bund, Länder und Gemeinden zwölf Milliarden Euro für den Ausbau der Betreuung eingeplant. Ist das nicht genug?

    Auch hier kommt es vor allem darauf an, wo eine Familie wohnt. Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben die Investitionszuschüsse des Bundes nahezu vollständig ausgeschöpft und den Ausbau entschlossen vorangetrieben. Andere Länder, allen voran Baden-Württemberg und Bremen, könnten noch zweistellige Millionenbeträge verbauen, tun es bislang aber nicht. So stehen aus den bisherigen Töpfen des Bundes noch knapp 300 Millionen Euro für weitere Investitionen zur Verfügung, die nun möglicherweise auf andere Länder verteilt werden.

    Um am Ende tatsächlich auf die angestrebten 780 000 Plätze zu kommen, schätzt Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann, wird diese Summe aber nicht reichen. Er beziffert den Bedarf noch auf mindestens eine Milliarde Euro. Was der CDU-Politiker nicht sagt: Auch über das Jahr 2013 hinaus wird der Bund den Ländern jedes Jahr 770 Millionen Euro für die Kinderbetreuung überweisen.

    Eltern, die keinen Platz bekommen, können sich ab August nächsten Jahres wehren und klagen. Wie gut stehen ihre Chancen?

    Sehr gut. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, macht sich da nichts vor: „Die Klagen werden sich gegen die jeweilige Kommune richten und die Kommune wird den Prozess verlieren.“ Im Zeitalter der sozialen Netzwerke, ahnt er, dürften sich die ersten Urteile schnell herumsprechen und eine regelrechte Klageflut auslösen.

    Das heißt: Eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Landkreis müssen Eltern, denen sie keinen Platz anbieten können, Schadenersatz zahlen und beispielsweise die Kosten für eine Tagesmutter übernehmen. Den Rechtsanspruch infrage stellen will Ministerin Schröder deshalb allerdings nicht. „Die Eltern vertrauen darauf“, sagt sie. „Wir dürfen sie nicht enttäuschen.“

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