Drei Jahre nach der Fukushima-Katastrophe und gut acht Jahre vor Abschaltung des letzten deutschen Atomkraftwerks arbeiten Bund und Länder an einem besseren Schutz der Anwohner rund um die Reaktoren. Die Strahlenschutzkommission hat entsprechende Empfehlungen für den Katastrophenschutz vorgelegt.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagt, trotz des endgültigen Atomausstiegs im Jahr 2022 müsse die Sicherheitstechnik in den verbliebenen neun Meilern konsequent weiterentwickelt werden. Das gilt auch für das 30 Jahre alte Kernkraftwerk Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, dessen beide Blöcke in den Jahren 2017 beziehungsweise 2021 vom Netz gehen. Hier hat die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) im vergangenen Herbst in einem bisher unveröffentlichten Gutachten Sicherheitsbedenken formuliert. Es gebe Probleme mit der Erdbebensicherheit, heißt es bei Spiegel Online.
Gegengutachten vom TÜV Süd
Nur zwei der drei Nachkühlsysteme je Reaktorblock seien gegen ein sogenanntes „Bemessungserdbeben“ ausgelegt, wie es im Umkreis von 200 Kilometern um Gundremmingen höchstens alle 10 000 Jahre vorkommt. Bei einem solchen Beben können Risse im Verputz, in Wänden oder an Schornsteinen auftreten. Die Bayerische Aufsichtsbehörde hat vom TÜV Süd ein Gegengutachten erstellen lassen. Das kommt Ende Februar zu dem Ergebnis, dass die Anlage den „sicherheitstechnischen Anforderungen voll gerecht“ wird.
Diese Atomkraftwerke werden in Deutschland betrieben
Wo stehen welche Atomkraftwerke in Deutschland, wer betreibt sie und wann werden oder wurden sie abgeschaltet? Eine Übersicht:
Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein wird von E.ON betrieben. Baubeginn war im Januar 1976, im kommerziellen Betrieb ist das AKW seit Dezember 1986. Brockdorf ist ein Druckwasserreaktor und soll 2021 abgeschaltet werden.
Das Kernkraftwerk Isar liegt nahe Landshut und wird von E.ON betrieben. Isar/Ohu 1 ist ein Siedewasserreaktor. Bauzeit war von 1972 bis 1979. Isar/Ohu 2 ist ein Druckwasserreaktor und ging nach sechsjähriger Bauzeit im April 1988 ans Netz. Isar 2 soll im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Der Atommeiler Isar 1 wurde bereits im August 2011 vom Netz genommen.
Das Atomkraftwerk Philippsburg steht im Landkreis Karlsruhe (Baden-Württemberg). Betreiberin ist die EnBW. Philippsburg 2, ein Druckwasserreaktor, ging nach achtjähriger Bauzeit 1985 in den kommerziellen Betrieb, der Siedewasserreaktor Philippsburg 1 im Jahr 1980. 2011 wurde Philippsburg 1 vom Netz genommen.
Das Kernkraftwerk Grohnde (KWG) ist ein Druckwasserreaktor und steht im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Betreiben wird es von der Firma E.ON. Baubeginn für Grohnde war im Jahr 1986, Betriebsstart 1985, Ende soll 2021 sein.
Das Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen wird von RWE betrieben. Es wurde in den Jahren 1982 bis 1988 gebaut. In Betrieb bleiben soll der Druckwasserrreaktor bis zum Jahr 2022.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg wird von enBW betrieben. Es hat zwei Druckwasserreaktoren, von denen derzeit noch einer in Betrieb ist. Neckarwestheim II soll als eines der letzten deutschen AKW 2022 vom Netz gehen.
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld liegt südlich von Schweinfurt am Main. Baubeginn für Grafenrheinfeld war 1974, die Inbetriebnahme war 1981. Das Atomkraftwerk wird von der E.ON Kernkraft GmbH betrieben und wurde 2015 abgeschaltet.
Gundremmingen B und Gundremmingen C im Landkreis Günzburg sind zusammen das leistungsfähigste Atomkraftwerk Deutschlands. Betrieben werden die Siedewasserreaktoren von der RWE. Baubeginn war im Jahr 1976, Gundremmingen B ging 1984 ans Netz, Gundremmingen C ein Jahr später. Block B soll spätestens 2017 vom Netz gehen, Block C spätestens im Jahr 2021.
Gegenüber unserer Zeitung verweist das Kraftwerk auf das „Zusätzliche Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystem“ (Zuna), das auch zur Beherrschung von Erdbeben geeignet sei, wie der TÜV festgestellt habe. Dieses sei mit Blick auf die GRS-Bedenken jetzt nochmals detailliert überprüft worden. Zuna soll notfalls stundenlang den Reaktor kühlen, wenn kein Kühlwasser aus der Donau zur Verfügung steht.
Kommission empfiehlt: Jodtabletten vorrätig zu haben
Für den weiter als sehr unwahrscheinlich eingeschätzten Fall eines schweren Atomunfalls in Deutschland empfiehlt die Strahlenschutzkommission, die direkten Anwohner im Umkreis von fünf Kilometern (statt zwei) innerhalb von sechs Stunden in Sicherheit zu bringen. In der von zehn auf dann 20 Kilometer erweiterten „Mittelzone“ müsste die Bevölkerung innerhalb von 24 Stunden ihre Häuser verlassen. Außerdem empfiehlt die Kommission, mehr Jodtabletten vorrätig zu haben. Diese sättigen die Schilddrüse und verhindern, dass der Körper radioaktives Jod aufnimmt. (mit dpa)