Sieben Stunden berieten die Spitzen von CDU, CSU und FDP in der Nacht zum Montag. Dann stand fest: Die letzten deutschen Meiler werden spätestens Ende 2022 vom Netz genommen. Das teilte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) mit.
Nach Röttgens Angaben sollen die sieben im Zuge des dreimonatigen Atommoratoriums abgeschalteten Meiler sowie der Pannenreaktor Krümmel für immer stillgelegt werden, ein AKW soll aber als stille Reserve für mögliche Stromengpässe bis 2013 in "Stand By" bleiben. Sechs weitere Meiler sollen bis spätestens Ende 2021 abgeschaltet werden. Die drei modernsten Meiler sollen bis Ende 2022 laufen dürfen. Damit bekämen die Akw eine Strommenge zugeteilt, die einer Gesamtlaufzeit von 32 Jahren entspreche, sagte Röttgen.
FDP-Chef Philipp Rösler hatte sich vor den Gesprächen gegen ein festes Ausstiegsdatum gewandt. CSU-Chef Horst Seehofer dagegen beharrte auf einem endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft binnen zehn Jahren. Die CSU hatte sich auf ihrer Vorstandsklausur vor rund zehn Tagen auf das Jahr 2022 als Enddatum festgelegt.
Röttgen betonte, dass es keine Revisionsklausel geben werde. Es gebe eine "Klarheit des Ergebnisses", dieses sei auch "nicht revidierbar". Teile der Koalition hatten eine solche Überprüfungsklausel ins Gespräch gebracht.
Die Brennelementesteuer soll übereinstimmenden Angaben zufolge auch künftig erhoben werden. Sie wird aber automatisch geringer ausfallen als bislang eingeplant. Zusätzlich zum geplanten Netzausbaubeschleunigungsgesetz soll es nach Angaben aus Koalitionskreisen ein Planungsbeschleunigungsgesetz für Kraftwerke und Stromspeicher geben. Damit sollen wichtige Bauvorhaben beschleunigt werden können.
Die Opposition zeigte sich nach einer zwischenzeitlichen Unterrichtung über den Stand der Verhandlungen durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundeskanzleramt unzufrieden. Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin lehnten die Idee ab, Atomkraftwerke als Reserven für die Stromerzeugung einzusetzen. Dies habe mit der technischen Wirklichkeit nichts zu tun, sagte Gabriel.
Grüne kritisieren fehlende Pläne für erneuerbare Energien
Grünen-Chefin Claudia Roth hat beim Fahrplan der Koalition für den Atomausstieg den fehlenden Fokus auf die erneuerbaren Energien kritisiert. Es sei richtig, dass der Ausstieg aus der Atomkraft "so schnell wie möglich passiert", sagte Roth am Montag im ZDF-"Morgenmagazin" nach der nächtlichen Einigung der Koalition auf ein Ende der Atomkraft bis spätestens 2022. Allerdings solle nun die Laufzeitverlängerung zurückgenommen werden, ohne beim Anteil erneuerbarer Energien aufzustocken. "Das heißt, es entsteht ein Mangel", sagte Roth. Damit drohe eine erhöhte Nutzung von Kohle, was schlecht für das Klima sei.
Diese Atomkraftwerke werden in Deutschland betrieben
Wo stehen welche Atomkraftwerke in Deutschland, wer betreibt sie und wann werden oder wurden sie abgeschaltet? Eine Übersicht:
Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein wird von E.ON betrieben. Baubeginn war im Januar 1976, im kommerziellen Betrieb ist das AKW seit Dezember 1986. Brockdorf ist ein Druckwasserreaktor und soll 2021 abgeschaltet werden.
Das Kernkraftwerk Isar liegt nahe Landshut und wird von E.ON betrieben. Isar/Ohu 1 ist ein Siedewasserreaktor. Bauzeit war von 1972 bis 1979. Isar/Ohu 2 ist ein Druckwasserreaktor und ging nach sechsjähriger Bauzeit im April 1988 ans Netz. Isar 2 soll im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Der Atommeiler Isar 1 wurde bereits im August 2011 vom Netz genommen.
Das Atomkraftwerk Philippsburg steht im Landkreis Karlsruhe (Baden-Württemberg). Betreiberin ist die EnBW. Philippsburg 2, ein Druckwasserreaktor, ging nach achtjähriger Bauzeit 1985 in den kommerziellen Betrieb, der Siedewasserreaktor Philippsburg 1 im Jahr 1980. 2011 wurde Philippsburg 1 vom Netz genommen.
Das Kernkraftwerk Grohnde (KWG) ist ein Druckwasserreaktor und steht im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. Betreiben wird es von der Firma E.ON. Baubeginn für Grohnde war im Jahr 1986, Betriebsstart 1985, Ende soll 2021 sein.
Das Kernkraftwerk Emsland in Niedersachsen wird von RWE betrieben. Es wurde in den Jahren 1982 bis 1988 gebaut. In Betrieb bleiben soll der Druckwasserrreaktor bis zum Jahr 2022.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg wird von enBW betrieben. Es hat zwei Druckwasserreaktoren, von denen derzeit noch einer in Betrieb ist. Neckarwestheim II soll als eines der letzten deutschen AKW 2022 vom Netz gehen.
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld liegt südlich von Schweinfurt am Main. Baubeginn für Grafenrheinfeld war 1974, die Inbetriebnahme war 1981. Das Atomkraftwerk wird von der E.ON Kernkraft GmbH betrieben und wurde 2015 abgeschaltet.
Gundremmingen B und Gundremmingen C im Landkreis Günzburg sind zusammen das leistungsfähigste Atomkraftwerk Deutschlands. Betrieben werden die Siedewasserreaktoren von der RWE. Baubeginn war im Jahr 1976, Gundremmingen B ging 1984 ans Netz, Gundremmingen C ein Jahr später. Block B soll spätestens 2017 vom Netz gehen, Block C spätestens im Jahr 2021.
"Man kann den Teufel Atomkraft nicht mit dem Beelzebub Kohle austreiben", sagte die Grünen-Chefin im ZDF. "Es geht nicht nur darum, wie steige ich aus der Atomkraft aus, sondern wie stark und wie schnell und wie ambitioniert steige ich in die erneuerbaren Energien ein", sagte Roth.
Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete das Ausstiegsziel zwar als "Schritt in die richtige Richtung". Es gebe aber noch viele "offene Fragen und Kritikpunkte", sagte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Es fehle "jede Begründung", weshalb der Zeitraum, den die Ethikkommission für den Ausstieg empfohlen habe, nicht eingehalten werde. Die Kommission hatte einen Ausstieg innerhalb eines Jahrzehnts oder schneller vorgeschlagen. Die Grünen wollten mit ihrer endgültigen Positionierung zu dem Fahrplan nun abwarten, wie die Gesetzentwürfe im Detail aussähen, sagte Trittin.
Greenpeace reagiert bestürzt auf den Atomdeal zwischen den Koalitionsparteien von heute Nacht. "2022 ist für