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Katholische Kirche: Wie krank ist Papst Franziskus wirklich?

Katholische Kirche

Wie krank ist Papst Franziskus wirklich?

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    Papst Franziskus vor wenigen Tagen auf dem Weg zu seiner wöchentlichen Generalaudienz.
    Papst Franziskus vor wenigen Tagen auf dem Weg zu seiner wöchentlichen Generalaudienz. Foto: Andrew Medichini, dpa

    Die helle, hölzerne Tür links vorne in der Aula "Paul VI." öffnet sich. Papst Franziskus betritt den großen Saal im Vatikan, der nur etwas mehr als zur Hälfte gefüllt ist. Ein paar Schritte geht er in Richtung Mitte der Bühne, wo sein Sessel und das Mikrofon für die Katechese, seine wöchentliche Bibelinterpretation, aufgestellt sind. Dort warten auch schon die Monsignori aus dem Staatssekretariat, die gleich in verschiedenen Sprachen aus der Heiligen Schrift vorlesen werden.

    Franziskus humpelt etwas, wie immer. Vielleicht liegt es am chronisch eingeklemmten Ischiasnerv. Dann bleibt er kurz stehen und winkt in die Menge. Er ist da. Überaus lebendig und in Amt und Würden. Man muss das betonen, angesichts der Gerüchte, die es in den vergangenen Wochen und Monaten gegeben hat.

    Papst Franziskus war in Lebensgefahr

    Ein Mittwochvormittag, Generalaudienz des Papstes im Vatikan. Selbstverständlich ist das, was wie Vatikanroutine aussieht, dennoch nicht. Franziskus war in Lebensgefahr. Im Juli, vor und während einer Darmoperation Anfang jenes Monats. Das hat das Oberhaupt der katholischen Kirche gerade selbst in einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cope bestätigt. Wie geht es Ihnen?, wollte der Journalist im Vatikan-Gästehaus Santa Marta wissen. "Ich bin noch am Leben", antwortete der Papst. Mit einem Lächeln.

    Franziskus wird im Dezember 85 Jahre alt. Im März 2022 wird sich seine Wahl zum Papst zum neunten Mal jähren. Sein Vorgänger Benedikt XVI. war im Alter von 85 Jahren zurückgetreten, überfordert vom Amt und von den Skandalen. Es sollte ein Neuer kommen, der aufräumt, der all der Vetternwirtschaft und all dem Gemunkel ein Ende bereitet. Die Kardinäle wählten den Outsider Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires; er nannte sich Franziskus.

    Franziskus löste nur eine kleine Revolution im Vatikan aus

    Das war der Beginn einer vermeintlichen Revolution, auf die viele von der Kirche Enttäuschte hofften. Doch aus der Revolution wurde allenfalls ein Revolutiönchen. Im September des Jahres 2021 verströmt der ehemalige Außenseiter eine gewisse Schwere, die wohl das Amt und auch das Alter mit sich bringen. Und die Frage, die immer lauter gestellt wird, heißt: Ist Franziskus an einem Ende angekommen? Manchmal hat man den Eindruck, sein so voller Elan begonnenes Pontifikat tröpfele bereits langsam aus.

    Die sichtbarsten Abnutzungserscheinungen sind physischer Natur. Über die jüngsten Gerüchte, er beschäftige sich mit seinem vorzeitigen Rücktritt, sagte Franziskus nun gleichwohl: "Mir ging das nie durch den Kopf. Bei schrägen Interpretationen von Dingen, die ich gesagt habe, schweige ich lieber. Denn Erklärungen machen es nur schlimmer." Er bezog sich auf die immer häufiger aufkommenden Spekulationen um ein bevorstehendes Konklave, die Papstwahl, die eigentlich erst nach dem Tod eines Pontifex ansteht. Oder eben im Falle eines Rücktritts, wie im Jahr 2013 bei Benedikt. Kürzlich stellte die Mailänder Zeitung Libero diese Option angesichts der unklaren Gesundheit des Papstes als wahrscheinlich dar. "Franziskus hat in den vergangenen Wochen, halb scherzhaft, halb im Ernst, zu jemandem gesagt, dass es im kommenden Frühjahr einen neuen Papst geben könnte", schrieb sie.

    Wird es bald drei Päpste in Rom geben?

    Man kann sich die Situation gut vorstellen: Der mitteilungsfreudige Franziskus, wie er mit einem Gesprächspartner über seinen angeschlagenen Zustand spekuliert und Witze macht, von denen er selbst nicht weiß, wie nah sie der Wirklichkeit kommen werden. Im Interview mit dem Sender Cope jedenfalls folgte jetzt das Dementi: keine Rücktrittsgedanken. Obwohl ja eine Amtsaufgabe durchaus für Franziskus nicht in den Bereich des Unmöglichen fällt, wie er bei mehreren Gelegenheiten bekannt hatte. Schwer vorstellbar ist dagegen, dass so etwas noch zu Lebzeiten des 94-jährigen Benedikt XVI. geschieht. Denn dann hätte die katholische Kirche gleich drei Päpste, zwei zurückgetretene und einen Amtsinhaber.

    Papst Benedikt XVI.
    Papst Benedikt XVI. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Was aber, wenn die Divertikulitis, die operativ entfernten Auswölbungen der Dickdarmschleimhaut, Franziskus erneut heimsuchen? "Immer wenn ein Papst krank ist, gibt es mehr oder weniger heftige Gerüchte um ein Konklave", antwortete er auf derlei Fragen. Und erklärte, er habe einen um 33 Zentimeter verkürzten Darm, nehme nach wie vor Medikamente infolge der Operation, aber: "Ich esse wieder alles." Und er ergänzte, zur Beruhigung: "Ich führe ein ganz normales Leben."

    Keine Normalität nach Franziskus' Darm-Operation

    Ganz normal, merkt ein Vatikaninsider an, der seinen Namen nicht nennen will, sei es allerdings nicht, dass die Generalaudienz im warmen September in der Aula und nicht auf dem Petersplatz stattfinde. Auf dem Platz lässt sich der Papst normalerweise auf dem Papamobil herumfahren, geht auf die Menschen zu und schreitet schließlich, mühsam, die Stufen zum Podium hinauf. "In der Audienzhalle sind es nur ein paar Schritte zum Sessel", sagt der Kenner. Und wieder steht da die Frage im Raum: Wie angeschlagen ist der Papst? Franziskus beharrte darauf, dass er den ganzen Tag in Besprechungen sitze. "Den ganzen Vormittag hatte ich Audienz", erzählte er, wie zum Beweis seiner Schaffenskraft.

    Wie ernst es um seine Gesundheit stand, weiß vor allem Massimiliano Strappetti. Eine Woche nach der Darmoperation – sie war am 4. Juli – stand der Krankenpfleger mit Franziskus auf dem Balkon im siebten Stock des römischen Gemelli-Klinikums. Franziskus, sichtlich geschwächt, sprach das wöchentliche Angelus-Gebet. Strappetti, der als Krankenpfleger bereits Johannes Paul II. und Benedikt XVI. betreute, äußert sich aber leider nicht. Der römische Katholik, der in seiner Freizeit Obdachlosen hilft, gilt als besonders reserviert.

    Familienvater aus Rom hat Papst das Leben gerettet

    Franziskus verdankt nach eigenem Bekunden dem 52-jährigen Familienvater, einem passionierten Anhänger des Fußballvereins Lazio Rom und begeisterten Spieler in der vatikanischen Fußballmannschaft, sein Leben. Das sagte er auch so: "Er hat mir das Leben gerettet." Und noch mehr ließ er die Welt wissen. Strappetti habe ihm gesagt: "Sie müssen sich operieren lassen." Andere hätten nur zur Einnahme von Antibiotika geraten; es sei der Krankenpfleger gewesen, der ihm die Notwendigkeit einer Operation erklärt habe, weil eine Divertikulitis chronisch werden könne.

    Schon 1957, so berichtete Franziskus, habe ihm ein Krankenpfleger das Leben gerettet, weil er – bei einer Lungenentzündung Bergoglios – gegen die Anweisung des behandelnden Arztes die doppelte Menge Antibiotika verordnet habe. Damals war dem 21 Jahre alten Bergoglio ein Stück des rechten Lungenflügels entfernt worden. Der Eingriff war Thema vor dem letzten Konklave. Als er in den ersten Wahlgängen immer mehr Stimmen bekam, erkundigten sich die Kardinäle nach seiner Gesundheit, er gab grünes Licht und wurde Papst. Ein Papst, der sich aktuell im "Herbst des Pontifikats" befinde, wie Buchautor und Vatikan-Journalist Marco Politi befindet.

    Ein Regenbogen leuchtet über dem leeren Petersplatz im Vatikan.
    Ein Regenbogen leuchtet über dem leeren Petersplatz im Vatikan. Foto: Alessandra Tarantino, dpa

    Papst Franziskus will nicht über Schwule und Lesben urteilen

    Und so wird in Rom schon über das Erbe dieses Papstes debattiert. Die Schlüsselfrage: Wie effektiv und nachhaltig sind die von Franziskus vorgenommenen Weichenstellungen? Viele Gesten sind in Erinnerung, viele milde Worte wie die über die Frage nach dem Umgang der Kirche mit Homosexuellen ("Wer bin ich, zu urteilen?"). Die Familiensynoden, an deren Ende die Zulassung wieder verheirateter Geschiedener in Ausnahmefällen zu den Sakramenten stand. Das war eine kleine kopernikanische Wende in der katholischen Kirche, die unter Franziskus vom ewigen Moralisieren abgekommen ist. Es gab den Satz, dass katholische und protestantische Ehepartner selbst entscheiden sollten, ob sie gemeinsam zur Kommunion gehen sollten; bislang war das streng verboten. "Seht selbst", sagte Franziskus dazu sibyllinisch.

    Er hat auch den Klimaschutz mit seiner Enzyklika "Laudato si" auf die Agenda der Kirche gehoben, er hat den Dialog mit dem Islam voranzubringen versucht. Alles irgendwie besonders – und ungenügend zugleich.

    Sexueller Missbrauch in der Kirche erschüttert die Welt

    Das Jahrhundertthema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche hat trotz einiger Fortschritte noch lange nicht zufriedenstellende Antworten gefunden. Ausgerechnet der Papst, der die Synode, das gemeinsame Fortschreiten der Bischöfe, zu seinem stärksten Machtinstrument erkor, hat den "Synodalen Weg" in Deutschland eigenhändig ausgebremst. Der Gesprächsprozess, den die deutschen Bischöfe mit engagierten Katholiken begannen, soll sich mit Risikofaktoren auseinandersetzen, die sexuellen Missbrauch nach Ansicht renommierter Forscher befördern können. Mit Klerikalismus und Männerbünden, einem übersteigerten Priesterbild oder der kirchlichen Sexualmoral.

    Der Weg geht weiter, doch statt Lösungen führte er zu neuen Problemen und Polarisierungen. Statt systematisch Missbrauchsfällen in den eigenen Reihen entgegenzuwirken, ist ein Richtungsstreit ausgebrochen. Während Katholisch-Konservative eine Kirchenspaltung fürchten, halten progressive Katholiken den Synodalen Weg für alternativlos. Der Streit um Weg und Kurs erreichte vor wenigen Tagen eine neue Runde und mit der Internetplattform www.synodale-beitraege.de ein neues Niveau. Kritiker um den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer haben sich damit eine Art Gegenöffentlichkeit geschaffen: "Wir gehen den Synodalen Weg mit, kommen aber mehr und mehr zu der Überzeugung, dass er in den bisher gefahrenen Gleisen nicht ans Ziel führen kann", schreibt Voderholzer.

    Franziskus bekämpfte korrupte Finanzgeschäfte im Vatikan

    Die größten Fortschritte hat, um den Blick zurück auf Franziskus zu lenken, der Papst wahrscheinlich im Vatikan vorzuweisen. Die Neuordnung der Vatikanfinanzen und der Kampf gegen Korruption tragen Früchte. Das zeigt der seit Juli laufende Prozess gegen Vatikanmitarbeiter, darunter erstmals auch ein Kardinal, wegen Veruntreuung und Amtsmissbrauch. Demnächst soll auch die apostolische Verfassung Praedicate Evangelium erscheinen, die einige vatikaninterne Veränderungen festschreibt. "Es wird nichts Neues drinstehen, außer dem, was schon bekannt ist", sagte Franziskus. Die Zusammenlegung einzelner Papst-Ministerien zum Beispiel.

    So sieht sein Erbe nach Stückwerk aus, wenig fassbar. Konkret dagegen: seine Reisetätigkeit, die er wieder aufnimmt. Eine viertägige Reise nach Ungarn und in die Slowakei steht bevor; sie beginnt am Sonntag. Im November will er die Uno-Klimakonferenz in Glasgow besuchen. Franziskus wird seine Kräfte wohldosieren müssen, nicht nur auf diesen Reisen. (mit wida)

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