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Katholische Kirche: Synode im Vatikan: Kardinäle gehen auf Homosexuelle zu

Katholische Kirche

Synode im Vatikan: Kardinäle gehen auf Homosexuelle zu

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    Es geht um nicht weniger als die Wahrheit. So zumindest sehen viele Bischöfe die Bedeutung ihrer Synode in Rom, wo in erster Linie Familienthemen diskutiert werden.
    Es geht um nicht weniger als die Wahrheit. So zumindest sehen viele Bischöfe die Bedeutung ihrer Synode in Rom, wo in erster Linie Familienthemen diskutiert werden. Foto: Alessandro Di Meo (dpa)

    Der Papst schweigt. Er sitzt da, die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Kopf aufgestützt. Franziskus hört zu. Seit bald zwei Wochen beraten die Bischöfe bei der Synode im Vatikan bereits darüber, was die katholische Kirche heute zu Sexualität, Ehe und Familie zu sagen hat. Und der

    Das ist eine unausgesprochene Kriegserklärung an die Tradition. Oder zumindest empfinden es die konservativen Kräfte in der katholischen Kirche als solche, wenn wie jetzt in einem offiziellen Dokument der Kirche Sätze zu lesen sind wie: „Homosexuelle Personen haben Gaben und Qualitäten, die wertvoll für die christliche Gemeinschaft sein können.“ Diese Worte, auch wenn sie nur im vorläufigen Zwischenbericht der Synode stehen, sind eine Sensation in einer Kirche, die gelebte Homosexualität bislang als Krankheit oder Sünde abtat.

    Es ist Mittagspause bei der Synode. Zwei Schweizergardisten schlagen am Petrianus-Tor laut die Hacken zusammen, als Kardinal Raymond Leo Burke in Soutane und rotem Pileolus-Käppchen in Richtung Petersplatz schreitet. Der US-Kardinal knetet einen Rosenkranz in seiner rechten Hand. Er ist entsetzt, man sieht es ihm am finsteren Gesichtsausdruck an. „Wir müssen das korrigieren“, schimpft er. „Die Wahrheit, die Wahrheit“, ruft der Präfekt des höchsten Vatikangerichts noch auf die Frage nach dem Ziel dieser Bischofsversammlung. Dann eilt er davon. Die Wahrheit, das ist der Begriff, der für Kirchenmänner wie Burke gleichbedeutend ist mit kompromissloser Treue zum Wort Gottes.

    Kann es einen Richtungswechsel im Vatikan überhaupt geben?

    Die Preisfrage im Vatikan in diesen Tagen lautet: Kann es einen Richtungswechsel geben, weg von der fundamentalistischen Befolgung der Lehre hin zu einer Öffnung in Fragen, die bislang tabu waren? Die Anerkennung positiver Elemente in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, in zivilen Ehen oder das Zugeständnis der Kommunion für Wiederverheiratete trotz des Gebots der Unauflöslichkeit der Ehe.

    Nicht wenige haben Angst, die größte Glaubensgemeinschaft der Welt könnte ihre gesamte Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn sie auch nur einen kleinen Stein im großen Mosaik der Dogmen löst. Alles würde dann einstürzen, befürchten sie. Aber der Ruf nach einer Kirche, die sich dem wirklichen Leben nicht weiter verschließt, ist bei der noch bis Sonntag dauernden Synode unüberhörbar laut. Die meisten Bischöfe, darunter der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx oder der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, halten die Zeit reif für einen Wandel.

    Was hingegen Kompromisslosigkeit bedeutet, kann man jeden Tag bei der Messe in der Kirche Santissima Trinità dei Pellegrini in der Altstadt Roms betrachten. Die Trinità

    Im Vorraum liegen fünf Bücher über Exorzismus aus. Am Altar hüllen dichte Weihrauchschwaden die Messdiener, Diakone und Priester ein, die in schweren goldbestickten Gewändern die Messe nach der alten Liturgie und mit dem Rücken zur Gemeinde lesen. Auf Latein, der Sprache, die Franziskus gerade als offiziellen Duktus der Synode abgeschafft hat. Die Frauen auf den Gebetsbänken tragen Schleier. Der Priester murmelt bei der Predigt unverständlich über nichts anderes als Sünde, Buße und Beichte. Kein Wort über die Welt. Für die Hardliner ist im Vatikan der Teufel am Werk. Kein Wunder, dass ihr Widerstand immer stärker wird.

    Kardinal Burke, der in Rom noch viele Gefolgsleute hat, behauptet, die Information über die Synode sei manipuliert. „Eine beachtliche Zahl von Bischöfen ist gegen die Öffnung, aber die wenigsten haben das mitbekommen“, sagt er. Es stimmt, Burke ist nicht allein. Der einflussreiche australische Kardinal und Sekretär des von Franziskus neu eingerichteten Wirtschaftssekretariats, George Pell, nennt die Gegenwartskultur eine „Epidemie“. Auch er ist regelmäßig in der Trinità dei Pellegrini zu Gast und ein entschiedener Gegner, etwa wenn vorgeschlagen wird, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Scheidung auf katholisch? Niemals.

    Papst Franziskus legte Grundstein für eine sanfte Revolution

    Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz erkennt bei der Synode „Spuren einer Anti-Ehe-Ideologie“. Südafrikaner, Italiener, Afrikaner protestieren. Natürlich hat sich auch der deutsche Präfekt der Glaubenskongregation geäußert, dessen Aufgabe es ist, die katholische Lehre zu verteidigen. Erst kritisierte Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dass die einzelnen Redebeiträge nicht wie sonst veröffentlicht wurden. Dann bezeichnete er es als „unwürdig, schändlich und komplett falsch“, wie die Diskussion offiziell zusammengefasst worden sei. So berichteten es zumindest italienische Zeitungen.

    Nun geht die Synode mit einem Abschlussbericht zu Ende, über den die knapp 190 Synoden-Väter abstimmen müssen. Der Text hat keinerlei Verbindlichkeit, ebenso wenig wie die Vorschläge, die die Bischöfe bei ihrer nächsten Versammlung im Herbst 2015 machen sollen. Auch deshalb fragen sich manche, ob hier wirklich die Bischöfe den Papst beraten, wie es offiziell heißt. Oder ob viel eher Franziskus seine Herde nach einem lange gefassten Plan marschieren lässt.

    Einige Elemente deuten in diese Richtung. Bereits vier Tage nach seiner Wahl im März 2013 lobte Franziskus bei seinem ersten Angelus-Gebet ausdrücklich ein Buch des emeritierten deutschen Kurienkardinals Walter Kasper mit dem Titel „Barmherzigkeit“. Dieses Buch habe ihm „so gut getan“, sagte der Papst. Im Oktober berief er zusätzlich zur ordentlichen Synode 2015 ein außerordentliches Treffen zur Familienpastoral ein, das gerade zu Ende geht. Für den Beginn seiner sanften Revolution wählte Franziskus geschickterweise nicht einen seiner umstrittenen lateinamerikanischen Volkstheologen aus, sondern einen Deutschen. Kasper war es, der auf Initiative des Papstes im Februar vor dem Kardinalskollegium seine Theologie der Barmherzigkeit darlegen durfte. Wieder lobte ihn Franziskus.

    Es ist von einer Zeitenwende im Vatikan die Rede

    Die Kritik zahlreicher Kardinäle, darunter die Eminenzen Müller, Pell und Burke ließ nicht lange auf sich warten. Ihr Verdacht, der Papst habe ein klares Ziel vor Augen, zu dem er die Bischöfe nun mit umstrittenen Methoden geleitet, ist nicht ganz unbegründet. So ordnete Franziskus an, die Redebeiträge nicht zu veröffentlichen. Seine Kritiker behaupten, er wolle so seinen Gegnern das Wasser abgraben. Außerdem ernannte Franziskus überraschend sechs Synodenväter seiner Wahl, die das Schlussdokument mitformulieren sollen. Alle sechs gelten als reformorientiert, drei von ihnen sind enge Vertraute von Bergoglio. Die Synode, deren Diskussionskultur von den Teilnehmern so gelobt wurde, ist vielleicht gar nicht so frei, wie viele meinen.

    Und doch ist von einer Zeitenwende im Vatikan die Rede. Davon, dass der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), bei dem die Kirche sich erneuern wollte, jetzt wieder zu spüren sei. Sichtlich beschwingt, beinahe schwebend, läuft jedenfalls Walter Kasper in diesen Tagen über den Petersplatz hinüber zu seiner Wohnung an der Piazza della Città Leonina. „Das ist schon eine wichtige Zeit für mich“, sagt Kasper. Der 81-Jährige rechnet damit, dass die Erneuerer sich durchsetzen werden. „Es wird sein wie beim Konzil“, sagt er. Auch damals habe es Widerstände gegeben, die letztlich überwunden wurden.

    Sind es wirklich nur ein paar? Wie groß die Gruppe der Kompromisslosen ist, kann niemand genau sagen. Aber die Freunde des Papstes bereiten sich auf stürmische Zeiten vor. „Es geht darum, einen Anfang zu machen und nichts übers Knie zu brechen“, sagt der argentinische Erzbischof Victor Manuel Fernandez, ein Freund des Papstes aus Buenos Aires. „Die Früchte kommen dann im richtigen Moment.“

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