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Katholische Kirche: Kölner Missbrauchsskandal: Platzverweis für Kardinal Woelki?

Katholische Kirche

Kölner Missbrauchsskandal: Platzverweis für Kardinal Woelki?

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    Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, geht durch ein Spalier aus Gemeindemitgliedern, die ihm vor der Kirche St. Maria vom Frieden die Rote Karte zeigen. Woelki besucht die Gemeinde zu einem Krisengespräch.
    Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, geht durch ein Spalier aus Gemeindemitgliedern, die ihm vor der Kirche St. Maria vom Frieden die Rote Karte zeigen. Woelki besucht die Gemeinde zu einem Krisengespräch. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    So ist es immer in der katholischen Kirche: Wenn es schwierig, heikel oder brenzlig wird, richten sich aller Augen auf Rom. Der Papst soll es dann richten. In der grassierenden Krise des Erzbistums Köln, das wegen des Umgangs der Bistumsleitung mit dem Missbrauchsskandal seit Monaten nicht zur Ruhe kommt, waren es zuerst Bischöfe, die ihr Heil beim Heiligen Vater suchten: Der Hamburger Oberhirte Stefan Heße wollte im vorigen Herbst von den zuständigen päpstlichen Behörden wissen, ob er sich aus seinen fast zehn Jahren als Personalchef und Generalvikar von Kardinal Joachim Meisner etwas vorzuwerfen habe.

    Reforminitiative Maria 2.0 spricht von "moralischem Versagen"

    Im Dezember 2020 wandte sich Kardinal Rainer Woelki dann an den Papst persönlich. Es ging um den Vorwurf, er habe den Missbrauchsverdacht gegen einen mit ihm befreundeten Priester 2015 nicht untersucht und nach Rom gemeldet. Der Bischof von Münster, Felix Genn, fragte parallel dazu in Rom an, ob er einer möglichen Vertuschung durch Woelki – wie im Kirchenrecht vorgesehen – auf den Grund gehen solle. Der Vatikan hat darauf bis heute nicht offiziell reagiert.

    Unbeantwortet blieb auch ein Brief der Reforminitiative Maria 2.0 vom Januar, der dem Papst eine „aussichtslose Situation“ im Erzbistum schilderte. „Wir stehen fassungslos vor dem moralischen Versagen von hohen kirchlichen Amtsträgern“, hieß es in dem Schreiben an Franziskus. „Der Zerfall ist allgegenwärtig. Die Amtsgerichte sind wegen der hohen Zahl an Kirchenaustritten überlastet. Die Gemeinden sind erschöpft. Viele Seelsorger und Seelsorgerinnen wissen angesichts des massiven Glaubwürdigkeitsverlustes, den das Verhalten der verantwortlichen Amtsträger bewirkt hat, nicht mehr, was sie den Menschen sagen sollen.“

    Kann das Erzbistum Köln von den päpstlichen Gesandten befriedet werden?

    Ob solch dramatische Berichte den Papst persönlich erreicht haben, ist unklar. Sicher ist, dass ihn die Kölner Wirren nun zum Handeln veranlasst haben: Zwei Gesandte – der Kardinal von Stockholm, Anders Arborelius, und der Bischof von Rotterdam, Johannes van den Hende – sollen in Köln im Auftrag des Papstes nach dem Rechten sehen, ihm danach Bericht erstatten und eine Empfehlung zur Befriedung der Krise im Erzbistum geben.

    Die Gesandten würden sich im Laufe der ersten Junihälfte vor Ort ein umfassendes Bild „von der komplexen pastoralen Situation im Erzbistum verschaffen“ und zugleich eventuelle Fehler Kardinal Woelkis sowie der derzeit beurlaubten Bischöfe Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg) sowie Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff (beide Weihbischöfe in Köln) im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs untersuchen.

    Stellungnahme Kardinal Woelkis: Begrüße, dass der Papst sich ein eigenes Bild verschaffen will

    In einer Stellungnahme erklärte Woelki dazu am Freitag: „Bereits im Februar habe ich den Heiligen Vater in Rom umfassend über die Situation in unserem Erzbistum informiert. Ich begrüße, dass der Papst sich mit der Apostolischen Visitation ein eigenes Bild über die unabhängige Untersuchung und die Konsequenzen daraus verschaffen will. Kardinal Arborelius und Bischof van den Hende werde ich mit voller Überzeugung in ihrer Arbeit unterstützen. Alles, was der konsequenten Aufarbeitung dient, begrüße ich.“

    Kardinal Rainer Maria Woelki begrüßt nach eigenen Angaben die Aufarbeitung.
    Kardinal Rainer Maria Woelki begrüßt nach eigenen Angaben die Aufarbeitung. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Eine Apostolische Visitation ist eine ungewöhnliche Maßnahme, mit der Rom auf Missstände oder besondere Turbulenzen in einem Bistum reagiert. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, ein solch ungewöhnlicher Schritt sei „Eskalationsstufe eins und ein klares Misstrauensvotum Roms“. Gegenüber einem Kardinal komme so etwas in der katholischen Kirche „vielleicht alle hundert Jahre vor“. Zwar belasse der Vatikan den Erzbischof mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Woelki sei damit nicht entmachtet. Doch die Geduld und das Vertrauen des Vatikans, dass er die gefährliche Schieflage in Köln aus eigener Kraft begradigt bekommt, seien „offenkundig aufgebraucht“, so Schüller.

    Situation im Bistum Köln hat sich den vergangenen Wochen nochmals verschärft

    Tatsächlich hat sich die Situation in den vergangenen Wochen nochmals verschärft. Das im März vorgelegte 900-Seiten-Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke zum Missbrauchsskandal spricht Woelki persönlich von allen Vorwürfen im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs frei, belastet aber seinen Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, sowie die früheren Generalvikare Norbert Feldhoff, Stefan Heße (heute Erzbischof von Hamburg) und Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof in Köln) und weitere Funktionäre. Ihnen wirft das Gutachten insgesamt 75 Pflichtverletzungen unterschiedlicher Schwere vor.

    Heße und Schwaderlapp boten daraufhin den Rücktritt von ihren Bischofsämtern an. Weihbischof Ansgar Puff, der für kurze Zeit Personalchef im Erzbistum war, ist derzeit beurlaubt. Der frühere Bistumsoffizial (Leiter des Kirchengerichts) Günter Assenmacher wurde Ende April von Woelki entpflichtet. Sowohl Schwaderlapp als auch Puff und Assenmacher gehören aber weiter dem Kölner Domkapitel an, das im Falle einer Abberufung oder eines Rücktritts von Kardinal Woelki dessen Nachfolger als Erzbischof zu wählen hätte.

    Fragen der Kirchenbasis zum "System Meisner"

    Auch nach Vorlage des Gercke-Gutachtens riss die Kritik an Woelki nicht ab. Der Erzbischof musste sich in Diskussionsrunden mit Vertretern der Kirchenbasis Fragen zu seiner Verstrickung in das „System Meisner“ seines Vorgängers stellen. Es sei schlechterdings unvorstellbar, dass Woelki als langjähriger Geheimsekretär Meisners und in seiner Zeit als Weihbischof nichts vom Ausmaß des Missbrauchs und seiner Vertuschung durch die Bistumsleitung mitbekommen habe.

    Papst Franziskus hat eine Überprüfung des Erzbistums Köln von Kardinal Woelki angeordnet.
    Papst Franziskus hat eine Überprüfung des Erzbistums Köln von Kardinal Woelki angeordnet. Foto: Oliver Berg, dpa (Symbolbild)

    Als bekannt wurde, dass Woelki einen Pfarrer, der 2001 laut einschlägigem Polizeibericht sexuellen Kontakt mit einem minderjährigen Stricher am Kölner Hauptbahnhof hatte, 2017 zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf beförderte, verteidigte Woelkis Generalvikar Markus Hofmann dies mit dem Hinweis, das Vergehen des Geistlichen sei zwar „nicht wünschenswert“, aber auch nicht strafbar – weder nach weltlichem noch nach kirchlichem Recht. Diese Positionierung ließ die Wellen der Empörung im Erzbistum erneut hochschlagen.

    Nicht zum ersten Mal meldete sich der Kölner Stadtdechant Robert Kleine zu Wort und nannte es einen „gravierenden Fehler, das Fehlverhalten von Geistlichen danach zu bewerten, ob es strafrechtlich oder kirchenrechtlich justiziabel war oder ist“. Andere Geistliche des Bistums wurden noch deutlicher und sprachen von einer „zutiefst unseriösen Kultur der Personalführung“ und einem „ekelhaften“ Agieren Woelkis.

    Gemeinde in Düsseldorf-Gerresheim fordert Absetzung der geplanten Firmung

    Die Tage nach Pfingsten gerieten vollends zu einer schwarzen Woche für Woelki. In Düsseldorf-Gerresheim sah er sich mit der Forderung aus der Gemeinde Sankt Margareta ausgesetzt, die für den 9. Juni geplante Firmung abzusagen. Für die Spendung des Sakraments fehle ihm aus Sicht der Gläubigen die Glaubwürdigkeit. Vor einem zur Klärung anberaumten Gespräch in der Pfarrei zeigten ihm Gläubige am Donnerstag symbolisch die Rote Karte. Nach dem Gespräch blieb offen, ob Woelki an der Firmung festhält oder sie an einen anderen Geistlichen delegiert. Das Erzbistum teilte am Freitag mit, es solle dazu erst noch ein Gespräch Woelkis mit den Firmlingen stattfinden.

    Ein vergleichbar gefährlicher Brandsatz erreichte Woelki über die Pfingstfeiertage: 14 der 15 Stadt- und Kreisdechanten machten in einer gemeinsamen Mail ihre „große Sorge um das Erzbistum“ deutlich. Auch von persönlichen Konsequenzen Woelkis und seines Generalvikars Hofmann war die Rede. Verlauf und Ausgang eines Treffens am Freitag gerieten dann mit Ankündigung der Visitation fast zur Nebensache.

    Dabei wird sich Woelkis Zukunft nicht zuletzt daran entscheiden, was die päpstlichen Gesandten von den einflussreichen regionalen Repräsentanten des Klerus zu hören bekommen.

    Kirchenrecht erlaubt dem Papst das direkte Eingreifen in die Amtsführung jedes Bischofs

    Das Kirchenrecht erlaubt dem Papst jederzeit das direkte Eingreifen in die Amtsführung jedes Bischofs. Kardinäle in der Leitung eines Bistums müssen sich einer solchen Überprüfung nur höchst selten stellen. In Deutschland ist aus der jüngeren Kirchengeschichte kein Fall bekannt. 2013 entsandte der Papst den früheren päpstlichen Nuntius (Botschafter) in Deutschland, Kardinal Giovanni Lajolo, ins Bistum Limburg.

    Dort stand der damalige Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wegen des extravaganten Umbaus seines Bischofshauses und autoritärer Amtsführung unter Druck. Als Folge der Visitation wurde Tebartz-van Elst 2014 entmachtet. Ihm wurde ein sogenannter Apostolischer Administrator zur Seite gestellt. Tebartz-van Elst bot seinen Rücktritt an und wurde mit einer Aufgabe in der römischen Kurie betraut.

    Der Fall Tebartz-van Elst

    Der Fall des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst - eine Chronologie:

    19. August 2012: Tebartz-van Elst sei erster Klasse nach Indien geflogen, um dort soziale Projekte zu besuchen, berichtet das Magazin «Der Spiegel». Das Bistum weist die Vorwürfe zurück.

    29. Mai 2013: Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bischof wegen möglicher Falschaussage über seinen Flug nach Indien.

    28. Juni: Die umstrittene neue Bischofsresidenz hat nach Angaben des Limburger Bistums knapp 10 Millionen Euro gekostet - rund viermal so viel wie ursprünglich geplant. Der Bischof betont, dass der Bau schon 2007 vor seinem Antritt beschlossen worden sei.

    9. Juli: Das Bistum korrigiert die Gesamtkosten für die neue Residenz nach oben. Sie lägen deutlich über 10 Millionen Euro.

    25. August: Im Bistum beginnt mit einem Offenen Brief eine Unterschriftensammlung gegen die Amtsführung des Bischofs. Gefordert wird eine umfassende Aufklärung über die Kosten der Residenz.

    29. August: Das streng konservative «Forum Deutscher Katholiken» ruft zur Solidarität mit dem Oberhirten auf.

    1. September: Tebartz-van Elst bittet alle Gläubigen seines Bistums in einem Brief um Vertrauen und räumt Fehler ein.

    6. September: Gläubige überreichen dem Bischof ihren Offenen Protestbrief mit rund 4400 Unterschriften.

    9. September: Der päpstliche Gesandte Giovanni Kardinal Lajolo besucht Limburg. Der Bischof sichert wenige Tage später zu, alle Kosten für die Baumaßnahmen Prüfern zugänglich zu machen.

    23. September: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, kritisiert Tebartz-van Elst wegen der Finanzaffäre. Eine Kommission werde untersuchen, warum die Kosten für das neue Domizil explodierten.

    7./8. Oktober: Das Bistum beziffert die Kosten für den neuen Bischofssitz jetzt auf 31 Millionen Euro. Kritiker werfen dem Bischof Täuschung vor und fordern seinen Rücktritt.

    10. Oktober: Tebartz-van Elst verteidigt die Kostenexplosion. «Wer mich kennt, weiß, dass ich keinen pompösen Lebensstil brauche», sagt er der «Bild»-Zeitung. Die Hamburger Staatsanwaltschaft beantragt in Zusammenhang mit dem Flug nach Indien einen Strafbefehl.

    12. Oktober: Einem Medienbericht zufolge will der Bischof rasch nach Rom fliegen. Er wolle damit Erzbischof Robert Zollitsch zuvorkommen, der am Donnerstag mit Papst Franziskus über die Limburger Situation rede.

    13. Oktober: Der Druck auf Tebartz-van Elst wächst weiter: «Welt am Sonntag» und «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» berichten über bis zu 40 Millionen Euro Gesamt-Finanzbedarf für die Limburger Residenz und Versuche, die Kostenexplosion zu verschleiern. Der Bischof reist am Vormittag nach Rom - zu Gesprächen mit dem Papst.

    23. Oktober: Papst Franziskus verordnet dem Bischof eine mehrmonatige Auszeit, belässt ihn aber im Amt.

    26. März 2014: Franz-Peter Tebartz-van Elst kehrt nicht in sein Bistum zurück. Nach einer monatelangen Hängepartie nahm Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch des seit Oktober suspendierten Bischofs an.

    Die päpstlichen Gesandten haben also ein umfassendes Mandat. Nach Abschluss ihrer Untersuchungen sollen sie dem Papst eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen geben. Für Befragungen oder die Sichtung von Akten muss ihnen der Ortsbischof jede denkbare Hilfe leisten.

    Diözesanrat im Bistum will die Visitatoren zur Vollversammlung einladen

    Der Vorsitzende des Diözesanrats, Tim-O. Kurzbach, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, auch Rom habe verstanden, „dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist“. Der Diözesanrat erwarte, in die Gespräche und Beratungen einbezogen zu werden. Kurzbach sagte außerdem: „Deswegen laden wir schon jetzt die Visitatoren in unsere Vollversammlung am 16. Juni ein.“

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