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Katholische Kirche: Diese Nonne soll im Vatikan Reformen voranbringen

Katholische Kirche

Diese Nonne soll im Vatikan Reformen voranbringen

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    Entscheidend sei, ob in der katholischen Kirche Frauen und Laien wirklich zugehört werde, sagt Nathalie Becquart.
    Entscheidend sei, ob in der katholischen Kirche Frauen und Laien wirklich zugehört werde, sagt Nathalie Becquart. Foto: Francesco Pistilli, kna

    Die gelb-weiße Flagge der Vatikanstadt weht über dem Portal. Die Gitter an den Fenstern des Palazzo Convertendi wirken abweisend, obwohl genau hier der frische Wind in die katholische Kirche hineinwehen soll. Im Palazzo in der Via della Conciliazione in Rom, die vom Petersplatz zur Engelsburg führt, hat das Generalsekretariat für die Bischofssynode seinen Sitz. Papst Franziskus hat die Synoden, regelmäßige Bischofsversammlungen, als Vehikel auserkoren, die den Wandel in der katholischen Kirche voranbringen sollen. Und Nathalie Becquart spielt dabei keine geringe Rolle.

    An diesem Tag trägt sie ein für Vatikan-Verhältnisse ausgesprochen fröhliches weiß-blau gestreiftes Oberteil. Während des Video-Telefonats wird sie durchgehend lächeln. Und so tut es auch das Bild mit dem Franziskus-Konterfei, das an der Wand in ihrem Rücken hängt. Zwischen der 52 Jahre alten Ordensschwester aus Fontainebleau in Frankreich und dem 84-jährigen Oberhaupt der katholischen Kirche besteht mehr als nur eine grundsätzliche Sympathie: Die beiden bilden in gewisser Weise ein Team, auch wenn sie das so nie sagen würden.

    Franziskus hat Becquart im Februar zur Untersekretärin im Sekretariat der Synode berufen, sie ist eine von fünf Untersekretärinnen im Vatikan, der fünfte Dienstgrad vom Papst nach unten. In der katholischen Kirche des Jahres 2021 ist das schon eine Menge. Nathalie Becquart wird jetzt gerne zur mächtigsten Frau im

    Die Französin kann Feinjustierungen vornehmen, die eine große Wirkung entfalten könnten

    Dass die Französin grundlegende Entscheidungen treffen könnte, wäre übertrieben. Eher kann sie Feinjustierungen vornehmen. Die allerdings könnten eine größere Wirkung haben als knallharte Top-Down-Entscheidungen, die im Vatikan wie in der Weltkirche für einige schwer verdaulich sind. Wie kürzlich der Erlass, mit dem Franziskus die Feier der sogenannten Alten Messe einschränkte. Damit, so hieß es, habe er seinen Vorgänger Benedikt XVI. nicht nur öffentlich korrigiert, sondern düpiert. Besonders empört reagierten erzkonservative Katholiken, die ihm Verrat vorwarfen oder sich darin bestätigt sahen, dass der Papst tatsächlich ein Häretiker sei – einer, der von der Lehre der Kirche abweiche.

    Das Besondere an Becquarts Berufung ist, dass sie die nächste Synode maßgeblich mit vorbereitet. Dass sie die Weichen stellt. Und dass sie als Untersekretärin die erste Frau sein wird, die bei der Männerveranstaltung Stimmrecht hat. Auch das bedeutet bei etwa 200 Bischöfen und Ordensoberen keinen Umsturz, aber es ist ein Anfang. Und ein wichtiges Signal.

    Papst Franziskus sieht in Synoden, also Bischofsversammlungen, das Werkzeug zum Wandel in der katholischen Kirche. Reformen versteckt er schon einmal in einer Fußnote.
    Papst Franziskus sieht in Synoden, also Bischofsversammlungen, das Werkzeug zum Wandel in der katholischen Kirche. Reformen versteckt er schon einmal in einer Fußnote. Foto: Alessandra Tarantino, dpa

    Papst Franziskus hat die nächste Bischofssynode für 2022 ausgerechnet zum Thema Synodalität einberufen. Was darunter zu verstehen ist? Dazu gleich mehr. „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe, Mission“ lautet jedenfalls ihr Titel. Und die Kernfrage wird sein, wie engagierte Laien, vor allem Frauen, weiter in das kirchliche Leben und in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollen.

    Es ist eine wichtige Frage in einer Kirche, deren Lehramt Frauen entweder den Platz der Mutter/Ehefrau oder den der Ordensfrau zuweist. Nicht aber Macht. So sagt das Christiane Florin. Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin des Deutschlandfunk hat ein hierzulande viel beachtetes Buch darüber geschrieben: „Der Weiberaufstand“. Sie versteht es als Streitschrift – wider das „selbstverständliche Abbürsten“ von Frauen in der katholischen Kirche, wider die Diskriminierung, wider die „Härte der Hierarchie“, die ihnen entgegenschlage.

    Die bekannte Religionsjournalistin Christiane Florin sagt, dass Frauen in der Kirche diskriminiert werden

    Vor wenigen Tagen war Florin in Augsburg bei einer Podiumsdiskussion. Dass die Kirche Frauen von allen Weiheämtern ausschließe, nur weil sie Frauen seien, sei eine große Ungerechtigkeit, sagte sie. Ja, mehr als das: Es sei ein Verstoß gegen ein elementares Menschenrecht.

    Als Florin gefragt wurde, warum sie nicht zu dem Thema schweigen könne, antwortete sie: „Wenn ein Papst sagt oder wenn verschiedene Päpste sagen: ,Ihr sollt dazu schweigen‘, dann ist das für mich ein Anlass, genau dazu nicht zu schweigen.“ Sie erhielt Applaus. Frauen hätten in der Gesellschaft jahrhundertelang dafür kämpfen müssen, gehört zu werden. Immer wieder spreche sie mit Theologinnen oder engagierten Katholikinnen, die ihr sagten, sie hätten innerkirchliche Gleichberechtigung schon vor 50 Jahren gefordert. Substanziell verändert habe sich bislang nichts.

    Die Rolle der Frau in der katholischen Kirche ist insbesondere in Deutschland ein Thema, eines, über das in Pfarrgemeinden genauso wie beim sogenannten Synodalen Weg debattiert wird. Mit Maria 2.0 hat sich sogar eine – auch von Männern getragene – Reformbewegung gegründet, die nicht länger hinnehmen will, dass Frauen bloß zu Dienerinnen am Tisch des Herrn bestellt sein sollen. Der Gesprächsprozess Synodaler Weg zwischen Bischöfen und engagierten Laien, der infolge des Missbrauchsskandals ins Leben gerufen wurde, soll zu Veränderungen führen. Wahrscheinlich wird er zu Enttäuschungen führen – denn das Frauenpriestertum wird nicht kommen, zumindest nicht bald. Was kam: Bischöfe und der Papst bringen Frauen in Leitungsfunktionen.

    Frauen wie Nathalie Becquart. Die Ordensschwester der Gemeinschaft „La Xaviere“, die den Jesuiten nahesteht, forschte lange über Synoden und Synodalität am Bostoner Theologie-College und spezialisierte sich auf den französischen Theologen Yves Congar, einen der Schlüssel-Akteure des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er Jahren – jenes Konzils, das der katholischen Kirche einen Reformschub brachte und, in Deutschland zum Beispiel, eine Aufbruchstimmung auslöste.

    „Man kann keine Kirche für alle sein, wenn man nur der Hälfte der Menschheit zuhört“, meint Becquart

    Der Vatikan hatte Congar zuvor noch, Mitte der 50er, die Lehrerlaubnis entzogen, weil er angeblich zu radikal war. „Congar sagt, dass die Reform der Kirche die kollektive Aufgabe einer ganzen Generation sei“, erklärt Becquart. „Das ist der Grund, warum ich an Synodalität arbeite.“

    Was mit Synodalität gemeint sei? „Kein Parlamentarismus“, antwortet Becquart auf einen von katholisch-konservativer Seite erhobenen Vorwurf, es handele sich dabei um Mehrheitsbeschlüsse nach gemeinsamer Meinungsbildung – statt der Verkündigung ewiger Wahrheiten, für die die Kirche doch stehe. „Synodalität ist der Prozess, in dem man lernt, wirklich auf den Heiligen Geist zu hören, aufeinander zu hören, einen gemeinsamen Weg zu finden. Auch wenn am Ende ein Verantwortlicher entscheidet“, sagt Nathalie Becquart.

    Das Zuhören ist für sie das entscheidende Element – und da kommen wieder die Frauen ins Spiel. „Man kann keine Kirche für alle sein, wenn man nur der Hälfte der Menschheit zuhört“, sagt sie. Entscheidend sei, ob in der Kirche Frauen und Laien wirklich zugehört werde. „Es gibt noch eine Menge Arbeit zu tun, um die Beherrschung der Frauen durch Männer in der Gesellschaft zu beenden.“

    Sie klingt in diesem Moment ein bisschen wie Christiane Florin. Frauen, schickt sie hinterher, müssten in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, so wolle es auch Franziskus. Die anstehende Synode also ist das entscheidende Vehikel dafür.

    Waren Synoden einst eher lahme Veranstaltungen, hat Franziskus Sondertreffen zum Thema Familie oder zuletzt zu Amazonien einberufen und sie zum Gegenstand weltweiter Berichterstattung gemacht. Seine Strategie ist, über einen Prozess der Meinungsbildung unter den Bischöfen Bewegung ins schwerfällige Kirchenschiff zu bringen. Bisweilen mit Fußnoten. Wiederverheiratete Geschiedene wurden auf diese Weise in Einzelfällen zu den Sakramenten oder die Weihe verheirateter Diakone im Amazonasgebiet zugelassen. „In der frühen Kirche gab es diesen kollegialen und synodalen Stil der Entscheidungsfindung“, sagt Becquart. Dann sei er verloren gegangen. Franziskus verbreite diesen Geist erneut.

    Ihre alleinerziehende Großmutter prägte den Glauben der Ordensschwester

    Nun ist es mit der Kirche und den Reformen allerdings ein wenig so, wie wenn ein alter Mann die vergessene Sprache seiner Kindheit lernen soll. Das dauert, wenn es überhaupt klappt. „Es gibt viele Bischöfe“, sagt Becquart, „die Synodalität konkret praktizieren wollen, aber sie wissen einfach nicht wie.“

    Becquart selbst hat es bereits als Kind gelernt. Sie ist das älteste von fünf Geschwistern, ihre Eltern schickten sie auf eine katholische Schule. Prägend war für sie vor allem ihre Großmutter, die früh Witwe wurde, vier kleine Kinder alleine aufzog und dabei im Glauben Halt fand. Becquarts Großmutter war in ihrer Gemeinde aktiv, besuchte Häftlinge im Gefängnis und nahm Flüchtlinge zu Hause auf. Ihr Onkel war Priester, der sich für die Rechte von Migrantinnen und Migranten einsetzte. „Das alles war aktiver Glaube“, erzählt sie, und facettenreich. Katholischsein kann viele Facetten haben.

    Nach dem Studium an einer Business-School und ersten Arbeitserfahrungen in den Bereichen Management und Kommunikation ging Becquart 1992 ein Jahr in den Libanon. Das sollte ihr Leben verändern. Auch, weil sie dort Xaviere-Schwestern kennenlernte, deren Hingabe sie beeindruckte. Mutter zu werden, eine Familie zu gründen – das war auf einmal nicht mehr die einzige Perspektive für sie. 1995 trat sie der Ordensgemeinschaft der Xaviere-Schwestern bei.

    Wenn sich Becquart zur „Frauenfrage“ in der katholischen Kirche äußert, tut sie das in manchen Punkten sehr zurückhaltend. Diplomatisch. Das Thema steht auf der Vatikan-Agenda, allerdings eher hinten. Becquart will offenbar nichts kaputt machen. „Frauen dürfen schon viele Dinge in der Kirche“, sagt sie und gibt ein paar Beispiele aus ihrer eigenen, nicht unbedingt repräsentativen Biografie. Als Kurienkardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Bischofssynode, neulich irische Amtsbrüder online empfing, saß Becquart neben ihm. Sie durfte gleichberechtigt die Arbeit des Synodensekretariats präsentieren. „Heute ist das möglich, dass ein Kardinal und eine Frau gemeinsam sprechen“, sagt sie.

    Die Deutsche Bischofskonferenz hat seit Kurzem eine Generalsekretärin

    In Frankreich durfte sie bei Exerzitien eine Woche jeden Tag vor dem Klerus einer Diözese predigen. „Es sah so aus, als seien sie zufrieden gewesen.“ In Frankreich, wo sie von 2008 bis 2012 Leiterin der Kommission für Jugend und Berufungspastoral der Französischen Bischofskonferenz war, habe auch fast die Hälfte aller Diözesen mittlerweile einen Bischofsrat. In dem träfen nicht nur wie einst Bischof und Generalvikar die Entscheidungen, auch Frauen würden beteiligt.

    In Deutschland gibt es seit Kurzem mit Beate Gilles erstmals eine Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz. Für Nathalie Becquart könnte das ein Modell für die Weltkirche sein. Es besteht ein Spielraum, so ist es nicht. Die Männer müssten ihn halt nutzen, meint sie. An ihr liegt es nicht, dass es so langsam vorangeht.

    Und die Priesterweihe für Frauen? Becquart weicht aus. „Zu diesem Zeitpunkt ist die wichtigste Frage, wie der Klerikalismus in der Kirche durch einen Synodalismus ersetzt werden kann“, antwortet sie. Dass Weihe und Führung getrennt betrachtet würden, sei der Schlüssel. Mit anderen Worten: Frauen müssen aus Becquarts Sicht in der Kirche zunächst einmal in Führungspositionen kommen, ohne dafür geweiht werden zu müssen. Die Weihe bleibt damit das große Tabu.

    Für engagierte Katholikinnen wie die Religionsjournalistin Christiane Florin ist das unbefriedigend. Denn Macht ist in der katholischen Kirche an Weiheämter gebunden. Die Frauenfrage – für Florin ist sie eine Machtfrage. Und nicht eine der Feinjustierungen. Es brauche einen klaren Bruch, es gehe nur mit einer 180-Grad-Wende. Und nicht „durch ein bisschen hier und ein bisschen da“, sagte sie in Augsburg.

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