Ein gelegentliches „Stolpern“ des Herzschlags – das haben die meisten Menschen schon einmal erlebt. Das muss nicht tragisch sein. Denn es gibt Herzrhythmusstörungen, die völlig harmlos sind. Andere dagegen bedrohen das Leben. Schwierig sei, sie zu unterscheiden und richtig zu erkennen, erklärte Dr. Michael Deiß bei einer Patientenveranstaltung des Fördervereins Herzzentrum Augsburg-Schwaben im Augsburger Klinikum.
Der Internist und Kardiologe an der I. Medizinischen Klinik des Klinikums stellte dabei die wichtigsten Formen von Herzrhythmusstörungen vor.
Bis zu 200 Schläge pro Minute
Aufgebaut ist das Herz aus zwei Vorhöfen und zwei Herzkammern; Taktgeber für den Herzschlag ist der sogenannte Sinusknoten im oberen rechten Vorhof. Von ihm wird die elektrische Erregung an die beiden Vorhöfe weitergeleitet; im Bereich des „AV-Knotens“ geht sie auf die Herzkammern über, wie Deiß erläuterte. Auf diese Weise wird das Herz normalerweise zwischen 60 und 100 Mal pro Minute zum Schlagen gebracht. Unter Belastung freilich kann der Puls auch auf 200 Schläge ansteigen. Und: Die untere Grenze für den Puls liege bei 40 Schlägen minütlich, so Deiß – lediglich bei Leistungssportlern könne er auch einmal niedriger sein.
Der Arzt unterschied Rhythmusstörungen, die sich auf Vorhof-Ebene abspielen, und solche, bei denen sich die Kammern zu schnell oder zu langsam kontrahieren. Während Rhythmusstörungen auf Vorhof-Ebene eher gutartig seien, müsse man jene auf Kammerebene als bösartig ansehen und eine Behandlung anstreben. Und zwar auch dann, „wenn sie der Patient vielleicht gar nicht spürt“.
Krankenheiten können Herzryhtmusstörungen verursachen
Was der Patient bei Herzrhythmusstörungen wahrnehmen kann, machte Deiß ebenfalls deutlich: Schwindel, Kreislaufstörungen, Leistungsminderung, Wasseransammlungen in den Beinen, Luftnot bei Belastung, Ohnmachtsanfälle oder auch starke Blutdruckschwankungen – und all das entweder „anfallsartig oder dauerhaft“. Da diese Symptome nicht für Herzrhythmusstörungen spezifisch seien, sondern auch bei anderen Krankheiten auftreten könnten, sei es nicht einfach, Rhythmusstörungen zu erkennen.
Hilfreich bei der Diagnosestellung sei das Langzeit-EKG, aber sollte eine Rhythmusstörung nur alle zwei bis drei Monate vorhanden sein, werde sie damit eventuell nicht erfasst. Alternativ könne der Patient stationär aufgenommen und an eine telemetrische Überwachung angeschlossen werden, doch auch in diesem Fall könne man nicht sicher sein, dass die Störung während des Aufenthalts auftritt. Dann sei die Lösung ein winziger „Ereignis-Recorder“, der dem Patienten unter die Haut gepflanzt werde, ständig das EKG aufzeichne und nach einer Rhythmusstörung „ausgelesen“ werden könne.
Häufigste Art - Vorhofflimmern
Zu den häufigsten Rhythmusstörungen, die zudem mit dem Alter immer häufiger würden, zähle das Vorhofflimmern, erklärte Deiß. „Von den über 80-Jährigen sind etwa 15 Prozent betroffen.“ Die Vorhöfe gerieten dabei völlig aus dem Takt, das Herz schlage dadurch insgesamt zu schnell und unregelmäßig. „Typisch und tückisch“ sei, dass die Episoden der Rhythmusstörung mit der Dauer der Erkrankung immer häufiger würden.
Eine Gefahr stelle weniger das Vorhofflimmern selbst als vielmehr die dadurch mögliche Gerinnselbildung im Herzen dar; die Gerinnsel könnten vom Blut ins Gehirn geschwemmt werden und dort schwere Schlaganfälle auslösen, so Deiß. Deshalb appellierte er, „Vorhofflimmern nicht auf die leichte Schulter zu nehmen“. Blutverdünnende Medikamente (Marcumar oder Nachfolgepräparate) könnten weitgehend vor der Komplikation eines Schlaganfalles schützen.
Gutartige Rhythmusstörungen
Zu den gutartigen Rhythmusstörungen gehören, wie es hieß, auch Formen des Herzrasens, die durch zusätzliche Leitungsbahnen im Herzen hervorgerufen werden. Betroffene bemerkten ein plötzlich auftretendes Herzrasen, das genauso plötzlich wieder aufhöre. Auch hier nehmen mit der Dauer der Erkrankung die Anfälle zu, die mit Schwindel, Klopfen im Hals, Kopfschmerzen oder einem Druckgefühl auf der Brust einhergehen könnten. Nach dem Anfall komme es üblicherweise zu ausgeprägtem Harndrang.
Die Patienten könnten versuchen, das Herzrasen zu beenden, indem sie ein großes Glas kalten Wassers schnell trinken, berichtete Deiß. Auch tiefes Einatmen und Luftanhalten oder das Gesicht in Eiswasser tauchen könne das Herzrasen bei manchen Patienten stoppen. Nicht empfohlen werde dagegen das Massieren der Halsschlagadern, da sonst eventuell vorhandene Verkalkungen gelöst werden könnten. Das Herzrasen sei lästig, aber nicht lebensbedrohlich.
Anders das Kammerfllimmern, das laut Deiß fast immer für den „Plötzlichen Herztod“ verantwortlich ist und ohne vorherige Ankündigung auftritt. Jedes Jahr sterben in der Bundesrepublik mehr als 100000 Menschen daran. Meist seien Menschen mit bereits vorhandenen Herzerkrankungen betroffen. Insbesondere in der Akutphase nach einem Herzinfarkt, erklärte dazu Oberarzt Dr. Reinhard Müller von der I. Medizinischen Klinik, entwickelten drei bis fünf Prozent der Patienten ein lebensgefährliches Kammerflimmern. Trete es auf, müsse man sofort reagieren, „sonst ist der Patient nach zehn Minuten tot“.
Konkrete Diagnose unverzichtbar
Müller unterstrich, dass die korrekte Diagnose unverzichtbar sei bei Herzrhythmusstörungen: „Wir brauchen erst mal die Diagnose, sonst geht gar nichts.“ Zu den Therapieoptionen bei Herzrhythmusstörungen gehörten Medikamente, außerdem die „Katheterablation“, bei der eine bestimmte Stelle im Herzmuskelgewebe durch Einwirkung von Hochfrequenzstrom kontrolliert zerstört werde, sowie Herzschrittmacher und Defibrillatoren.
Medikamente allerdings müssten sehr sorgfältig ausgewählt werden: Das potenteste Antiarrhythmikum, das derzeit verfügbar sei – Amiodaron – habe bedeutsame Nebenwirkungen, nicht nur am Herzen, sondern unter anderem auch an der Schilddrüse oder an der Leber, warnte Müller. Die Katheterablation sei bei einer Reihe von Herzrhythmusstörungen der medikamentösen Therapie eindeutig überlegen. Insgesamt müsse die Therapie bei Rhythmusstörungen absolut individualisiert erfolgen, betonte er.