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Kanzlerin in Stralsund: Merkel wird in Stralsund von AfD-Fan heftig kritisiert

Kanzlerin in Stralsund

Merkel wird in Stralsund von AfD-Fan heftig kritisiert

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    Der Besuch in Stralsund war der erste öffentliche Auftritt nach Merkels Sommerurlaub. Die Bundeskanzlerin sah sich im Museum um und diskutierte mit einem AfD-Fan bei einer Debatte.
    Der Besuch in Stralsund war der erste öffentliche Auftritt nach Merkels Sommerurlaub. Die Bundeskanzlerin sah sich im Museum um und diskutierte mit einem AfD-Fan bei einer Debatte. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Nach nur 20 Minuten kam es für Angela Merkel ganz dicke. Die Kanzlerin hatte sich für ihren ersten öffentlichen Termin nach ihrem nicht einmal dreiwöchigen Urlaub zu einer Debatte mit Leserinnen und Lesern der Ostsee-Zeitung in Stralsund angesagt.

    Stralsund ist eigentlich ein Heimspiel für die CDU-Politikerin. Hier hat sie ihren Wahlkreis, hier wird sie gewählt, hier hatte sie am Nachmittag noch ihren Patenpinguin „Alexandra“ besucht. Doch ein Podiumsteilnehmer bringt die schöne Fassade zum Einsturz: Er wirft Merkel unverfroren Rechtsbruch in Zusammenhang mit dem Flüchtlingszuzug vor, schlimmer noch: Merkel habe, so der Mann, Deutschland in die Diktatur geführt.

    Kanzlerin Merkel konterte in Stralsund mir ruhigem Tonfall

    Das ist starker Tobak, im Veranstaltungssaal des Stralsunder Ozeanums wird es schlagartig still. Der Frager, vermutlich ein AfD-Politiker, hat sein Statement gut vorbereitet. Er trägt es überfallartig vor, denn eigentlich sind nur Fragen, keine politischen Phrasen gestattet. Frau Merkel, Sie haben uns in eine Diktatur geführt, sagt der Mann.

    Er begründet das unter anderem damit, dass sich in Deutschland niemand offen zur AfD bekennen dürfe, auch der in diesen Reihen übliche Hinweis auf die angebliche „Propaganda-Presse“ fehlt nicht. Eine Frage hat der Mann dann doch noch, aber sie schlägt in die gleiche Kerbe: „Fühlen Sie sich persönlich verantwortlich, mit ihrer Migrationspolitik Deutschland gefährdet zu haben?“

    Merkel, die nach ihrem Urlaub nicht wirklich erholt aussieht und die offenbar von einer Erkältung geplagt wird, kontert mit dem coolen, ruhigen Tonfall, der ihr in solchen Fällen von offensichtlicher Provokation zu Eigen geworden ist. Dass der Fragende hier so offen reden dürfe, spreche ja schon gegen seine These von einer Diktatur, sagt die Kanzlerin. Sie habe auch nicht den Eindruck, dass die AfD im Bundestag ein Blatt vor den Mund nehmen müsse.

    Der Ausfall des AfD-Fans hatte in Stralsund nicht genug Wirkung

    Den Eindruck, sie habe Rechtsbruch begangen, als sie im Herbst 2015 tausende Flüchtlinge ins Land ließ, weist Merkel zurück. Es ist ein Vorwurf, der sich hartnäckig hält, der gerade wieder von CDU-Politikern wie dem ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen durchs Land getragen wird.

    Der Vorwurf wird im Osten gerne weiter verbreitet, er könnte bei den anstehenden Landtagswahlen eine entscheidende Rolle spiele, er könnte der AfD zum Sieg verhelfen. Ein Land sei ja nicht alleine auf der Welt, ein reiches Land wie Deutschland habe auch eine gewisse Verantwortung, sagt Merkel. Es sei richtig gewesen, „dass wir in einer humanitären Ausnahmesituation geholfen haben“, verteidigt sie ihre Entscheidung und bekräftigt: „Wir hängen miteinander zusammen, wir können nicht nur an uns allein denken.“

    Der verbale Ausfall des AfD-Fans hat nicht genug Wirkung, um die Veranstaltung zu sprengen oder ihr einen anhaltend bitteren Beigeschmack zu geben. So ist dann neben den lauten Sätzen auch Zeit für stille Bekenntnisse. Nach dem Tod ihrer Mutter wird Merkel gefragt, nach ihren öffentlichen Zitteranfällen. Wie sie damit umgehe, will eine Frau aus dem Publikum wissen.

    Die Regierungschefin hält einen kurzen Augenblick inne. Es ist einer dieser Momente, in der man ihr abnimmt, dass sie tatsächlich über eine Antwort erst einmal nachdenken will. Als Politikerin, sagt sie dann, sei sie eine Person des öffentlichen Raums. „Da werden andere Maßstäbe angelegt“, erklärt sie, das gelte zum Beispiel fürs Fotografieren. Darüber hinaus gebe es aber auch ein Interesse, „wenn der Vater stirbt oder die Mutter stirbt oder ich krank bin“, sagt die Kanzlerin.

    In Stralsund arbeitet Merkel auch die üblichen Politik-Themen ab

    Sie verstehe dieses Interesse, deshalb nehme sie sich regelmäßig in Pflicht, sich daraufhin zu prüfen ob sie ihren Aufgaben nachkommen könne. Trotzdem, sagt die 65-Jährige, habe sie sich immer Räume geschaffen „in denen man auch privat sein kann“. Dazu gehöre auch „ein Raum, in dem ich traurig sein kann, ohne dass darüber Bericht erstattet werden muss“.

    Merkel arbeitet auch die üblichen Politik-Themen ab. Ein Konjunkturpaket will sie nicht, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato begründet sie positiv, der CDU im Osten spricht sie Chancen bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen zu.

    Aber die meiste Zeit geht es den Fragenden um den Menschen Merkel. Einer will wissen, ob sie tatsächlich 2021 mit der Politik aufhört? Ja, das wird sie, auch wenn sie nicht ausschließt, doch noch die ein oder andere Rede zu halten, „wenn mich jemand einlädt“. Als Tierliebhaberin outet sich die Regierungschefin noch, vor allem dann, wenn man diese Tiere in der Wildnis oder der freien Landschaft beobachten kann. Merkels Lieblingstiere sind übrigens Hasen, Rehe, Vögel, Kraniche - und Erdkröten.

    Ganz zum Schluss will dann noch jemand wissen, was denn einst über die Kanzlerin in den Geschichtsbüchern stehen soll? Da muss Merkel dann wieder ein wenig nachdenken. Die Antwort ist: „Sie hat sich bemüht.“

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