Kurzarbeit bewahrt Deutschland derzeit davor, dass die Arbeitslosigkeit in dramatische Höhen schnellt, so, wie es die Vereinigten Staaten erleben. Erwartet werden in Deutschland dieses Jahr bis zu 7,5 Millionen Kurzarbeiter. Das sei weit mehr als in der Finanzkrise 2008/09. Es seien aber auch „Millionen Menschen, die nicht arbeitslos werden“, sagte Detlef Scheele, Chef der Bundesarbeitsagentur. Trotzdem taugt das Instrument Experten zufolge nicht als Dauerlösung.
Bereits vor der Corona-Krise ist der Arbeitsmarkt in Bayern nach Jahren des Booms in eine neue Phase eingetreten, ist Ralf Holtzwart überzeugt, Chef der Arbeitsagentur in Bayern. „Wir hatten bereits vor gut einem Jahr steigende Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vorjahr“, ruft er in Erinnerung. Ursache sind strukturelle Veränderungen zum Beispiel in der Chemie- und Autoindustrie. „Die Pandemie überlagert derzeit alles, die strukturellen Herausforderungen sind aber nicht gelöst, sondern werden noch verstärkt“, sagt Holtzwart. Er ist überzeugt, dass der strukturelle Wandel längerfristig die größere Herausforderung wird. „Es ist deshalb wichtig, dass wir staatliche Subventionen zielgerichtet auf Innovation und Schlüsseltechnologien ausrichten.“
Experte warnt: Unternehmen werden trotz Hilfen Mitarbeiter entlassen müssen
Die Wirtschaft braucht also den Wandel. Für Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, kann Kurzarbeit deshalb keine Dauerlösung sein. „Kurzarbeitergeld ergibt dann Sinn, wenn ein Wirtschaftseinbruch tief und nicht allzu lang verläuft. Es baut eine Brücke für Unternehmen und ihre Arbeitnehmer über dieses Konjunkturtal.“ Aber: Trotz aller Hilfen werden Unternehmen Beschäftigte entlassen müssen oder diese Krise nicht überleben, erklärt er. Ähnlich sieht es die Industrie: „Kurzarbeit ist das Mittel der Wahl für Unternehmen, um in der Krise Beschäftigung zu halten“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. „Fakt ist, dass trotz Kurzarbeit nicht alle Jobs gerettet werden können“, schränkt er ein.
Vom Markt verschwinden könnten in der Krise vor allem jene Unternehmen, die davor schon in einer schwierigen Situation waren, erklärt IfW-Chef Felbermayr. „Insofern ist die Krise auch ein reinigendes Gewitter, das wenig konkurrenzfähige Unternehmen aus dem Markt fegt.“ Das Kapital und die Beschäftigten, die dann freigesetzt werden, könnten aber anderswo für dynamisches Wachstum sorgen. „Manches Unternehmen wird froh sein, dass es endlich an neue Arbeitskräfte rankommt, die anderswo freigesetzt wurden“, sagt der Forscher. „Wird das Kurzarbeitergeld zu lange ausgeweitet, besteht die Gefahr, dass es seinen Sinn verliert, wenig wettbewerbsfähige Strukturen konserviert und damit eine dynamische Erholung nach der Krise ausbremst.“
Kurzarbeitergeld auf Dauer zu zahlen, davon hält auch Holtzwart wenig. Die Regierung hat das reguläre Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise von bis zu 67 Prozent für Eltern auf bis zu 87 Prozent angehoben. Die SPD überlegt zudem, die Laufzeit auf bis zu 48 Monate zu erhöhen. „Ich denke, dass wir mit 67 Prozent Kurzarbeitergeld und zwölf Monaten Laufzeit gut dabei sind“, sagt Holtzwart. Hintergrund sind auch die Kosten: „Die Mittel müssen über die Arbeitslosenversicherung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt werden – diese Finanzierung muss halten.“ Die geschätzten Kosten der Kurzarbeit dieses Jahr: über 30 Milliarden Euro.
Lesen Sie dazu auch:
- Interaktive Grafiken: So hat sich der Arbeitsmarkt durch Corona verändert
- Die neue Angst vor der Arbeitslosigkeit: Wie gehen Betroffene damit um?
- Home-Office und Kurzarbeit: Das gilt für die Steuererklärung 2020
- Mietstundung, Elterngeld, Krankschreibung: Das ändert sich im Juni
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.