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Kampfjets über Kairo: 150 Tote in Ägypten - Ausländer wollen raus

Kampfjets über Kairo

150 Tote in Ägypten - Ausländer wollen raus

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    Bei den politischen Unruhen in Ägypten starben bislang über hundert Menschen.
    Bei den politischen Unruhen in Ägypten starben bislang über hundert Menschen.

    Nach der politischen Revolte droht Ägypten in Anarchie zu versinken: Plünderer, Brandstifter und Räuber terrorisieren die Bevölkerung in vielen Landesteilen. Die Zahl der Toten bei den Unruhen stieg auf mindestens 150.

    Die Luftwaffe in Ägypten hat am Sonntag mehrfach Kampfjets im Tiefflug über Kairo fliegen lassen. Die Maschinen donnerten über die Hauptstadt, während im Zentrum mehrere tausend Demonstranten erneut den Rücktritt von Staatschef Husni Mubarak forderten, wie AFP-Reporter berichteten.

    Neue Opfer gab es seit der Nacht zum Sonntag vor allem in mehreren Gefängnissen außerhalb

    Kairos

    , aus denen Häftlinge ausbrachen, wie arabische Nachrichtensender berichteten. Dabei wurden auch

    Brände

    gelegt, bei denen mehrere Menschen starben. Am Rande

    Kairos

    machten Straßenräuber Autofahrern zu schaffen.

    Die ägyptische Armee, die seit Freitag in Kairo massive Präsenz zeigt, rückte am Sonntag in Teile der Touristenregion Scharm el Scheich am Roten Meer ein. Auch in Al-Arisch im Norden der Sinai-Halbinsel hätten Soldaten Stellung bezogen, berichteten Augenzeugen und Sicherheitskreise auf dem

    Im Stadtzentrum der Hauptstadt Kairo, wo am Vortag erneut Zehntausende gegen Präsident Husni Mubarak demonstriert hatten, wurden am Sonntag zunächst keine größeren Zwischenfälle gemeldet. Das Militär überwachte mit Panzern die Straßen, Soldaten fuhren Patrouillen. Zunehmend zu schaffen machen den Menschen Plünderer- und Räuberbanden, die bis in den späten Abend hinein durch die Stadt zogen. Teilweise stellten sich ihnen Bürgerwehren entgegen.

    Angesichts der unsicheren Lage versuchen Hunderte Ausländer, die Millionenstadt zu verlassen. Selbst Familien, die schon seit Jahrzehnten in dem nordafrikanischen Land leben, suchen das Weite, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur dpa in Kairo erfuhren. Einige Staaten Großbritannien oder die Türkei begannen damit, ihre Staatsbürger aus dem Krisenland auszufliegen.

    Auf dem internationalen Flughafen von Kairo warteten Tausende vor dem Chaos geflüchtete Ausländer auf eine Chance zur schnellen Abreise. Zwei Flüge vom Frankfurter Flughafen nach Kairo wurden gestrichen. Auch die Rückflüge fielen entsprechend aus. Ein Sprecher der Lufthansa sagte, ein Flug von München nach Kairo sei am Morgen planmäßig gestartet. Die Maschine solle auch wieder im Laufe des Tages zurückkehren.

    Ein Mitarbeiter der Flughafenverwaltung sagte, der Airport versuche, einen normalen Betrieb aufrechtzuerhalten. Viele Deutsche machten sich aus Außenbezirken Kairos auf den Weg in Richtung des Stadtteils Zamalek, der als Insel im Nil liegt und deswegen von der ägyptischen Armee besser geschützt werden könnte. Dort liegen auch zahlreiche Botschaften und ausländische Stiftungen.

    Die Armee nahm bei Einsätzen gegen Plünderer rund 450 Menschen fest. Allein in den Städten Alexandria und Ismailija hätten Soldaten mehr als 250 Kriminelle festgesetzt, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag. Auch in Kairo sahen sich die Bewohner und eilig gebildete Bürgerwehren in der Nacht immer wieder mit bewaffneten Räubern, Dieben und Randalierern konfrontiert - vor allem dort, wo das Militär nicht präsent war.

    Trotz Ausgangssperre, die bis 08.00 Uhr Ortszeit galt, wurden selbst Krankenhäuser von Kriminellen angegriffen und ausgeraubt. In einem Krankenhaus im Kairoer Bezirk Abbasija hätten Ärzte Molotowcocktails hergestellt, um das Hospital verteidigen zu können, hieß es. Das ägyptische Staatsfernsehen zeigte erstmals Bilder von Dutzenden von Männern, bei denen es sich um festgenommene Plünderer handeln soll. Sie sollen vor Militärgerichte gestellt werden.

    Unterdessen flohen tausende Häftlingen aus Gefängnissen, darunter Schwerverbrecher und islamistische Extremisten. Nach Informationen des lokalen Fernsehens gelang allein im Gefängnis Abu Saabel, außerhalb Kairos, ungefähr 6000 Gefangenen die Flucht. Weitere Ausbrüche wurden aus Wadi al-Natrun nördlich von Kairo und aus der Oasenstadt Fajum südlich von Kairo gemeldet. Dort sollen die Häftlinge einen Polizeigeneral getötet und einen weiteren General verschleppt haben.

    Ein Augenzeuge berichtete der Nachrichtenagentur dpa in Kairo, Hooligans hätten bereits am Samstag ein großes Gerichtsgebäude angezündet. Dabei seien auch viele Strafakten von den Flammen vernichtet worden. Nach Angaben der langjährigen Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo, Wafaa el-Saddik, kam es auch in der berühmten Antikensammlung zu Plünderungen und Zerstörungen durch Wachpersonal und Polizisten.

    Das Büro des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira in Kairo wurde von ägyptischen Behörden geschlossen. Der in Katar beheimatete Sender musste daraufhin seine vom Regime kritisierte Live-Berichterstattung von Brennpunkten der Proteste einstellen. Bereits am Freitag waren die Internetverbindungen in Ägypten gekappt worden.

    Das Land schloss auch seine Grenze zum Gazastreifen bis auf weiteres. Israel verfolgt die Unruhen im Nachbarland mit großer Aufmerksamkeit. "Unser Ziel ist es, die Stabilität zu bewahren und zu gewährleisten, dass der Frieden zwischen uns und Ägypten bei jeder Entwicklung bestehen bleibt", sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

    Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen die ägyptische Regierung und die Demonstranten zum Gewaltverzicht auf. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron den 82-jährigen Mubarak auf, einen Transformationsprozess einzuleiten hin zu einer "Regierung, die sich auf eine breite Basis stützt, sowie freien und fairen Wahlen".

    Mubarak hatte am Samstag eine neue Führungsriege gebildet, in der Geheimdienst und Militär dominieren. Er ernannte afp/dpa

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