Die Bundeswehr ist fertig mit ihren Vorbereitungen. Einsatzbereit, wie man beim Militär sagt. „Gewehr bei Fuß“ wäre allerdings das falsche Bild. Denn dieser Gegner ist mit Geschossen nicht zu stoppen. Waffen wären nur im Wege, wenn es – wie der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, es einordnet – bei der Unterstützung im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus um „den größten Einsatz im Inneren in der Geschichte der Bundeswehr“ geht.
Angesichts dieser Dimension wirken manche Anforderungen, die die Streitkräfte in diesen Tagen erfüllen sollen, auf den ersten Blick eher kleinteilig. So begannen am Mittwoch 50 Soldaten in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding, eine vom Fraunhofer-Institut entwickelte Smartphone-App zur Nachverfolgung möglicher Virus-Infektionen zu testen. Deutlich mehr Personal wird die Truppe einsetzen müssen, um einen Auftrag der Bundesregierung erfüllen zu können. Es geht um die Beschaffung medizinischer Schutzausrüstung.
Besonders begehrt sind Ärzte, Pflegekräfte und Ausrüstung der Bundeswehr
Die Anfragen prasseln seit Tagen nur so auf die Planungsleitstellen der Streitkräfte ein. Mehr als 250 Anträge auf Unterstützung sind bereits registriert. Besonders begehrt sind Ärzte, Pflegekräfte, die bei den Streitkräften arbeiten, und die medizinische Ausrüstung, über die die Truppe verfügt. Viele Wünsche aus dem Gesundheitsbereich muss die Bundeswehr jedoch ablehnen, weil Personal und Material für die deutschlandweit fünf Bundeswehrkrankenhäuser benötigt werden. Auch diese Kliniken müssen schließlich Infizierte mit einem schweren Krankheitsverlauf behandeln.
In Berlin wird derzeit genau registriert, dass sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) öffentlich spürbar zurückhält, wenn es um die Rolle der Bundeswehr in der Krise geht. Das dürfte mit Bedacht geschehen. Der Wehrbeauftragte Bartels skizziert die Aufgabenstellung im Gespräch mit unserer Redaktion entsprechend: „Die Streitkräfte stehen nicht in der ersten Reihe, dort stehen die Gesundheitseinrichtungen, die Behörden und zivilen Helfer. Die Bundeswehr unterstützt die Maßnahmen mit ihren Krankenhäusern, Sanitätseinheiten, Transporten oder helfenden Händen, wo immer sie gebraucht werden.“
15.000 Frauen und Männer der Bundeswehr helfen gegen Corona-Ausbreitung
Welche Kapazitäten kann die Truppe dafür aufbieten? „Aktuell stehen 15.000 Frauen und Männer der Bundeswehr bereit, um den Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen. Dieses Kontingent kann ausgeweitet werden.“ Das liege auch daran, dass ein Aufruf an die Reservisten ein „überwältigendes Echo“ gefunden habe. Von den 5000, die sich gemeldet hätten, sei „eine niedrige dreistellige Zahl bereits im Einsatz“. Die Truppe hat zudem eine imposante Fahrzeugflotte. Über 7500 Lastwagen stehen bereit für Transporte aller Art, bei großflächigen Desinfektionen oder dem Verteilen von Hilfsgütern.
Allerdings achtet die Logistikbranche genau darauf, dass es auch Grenzen für das Bundeswehr-Engagement auf der Straße gibt. So reagierte der Bundesverband Spedition und Logistik auf einen Vorschlag aus der Politik, die Bundeswehr einzusetzen, um die Lebensmittelversorgung zu sichern, wenig begeistert: Gut gemeint, aber nicht nötig, die Logistik sei auch ohne Militär handlungsfähig, hieß es auf Anfrage unserer Redaktion.
Corona-Krise: Die Bundeswehr übernimmt keine Polizei-Aufgaben
Um eine Diskussion auf einem weit brisanteren Feld gar nicht erst aufkommen zu lassen, ließ Kramp-Karrenbauer – auch mit Verweis auf die Rechtslage – keinen Zweifel daran, dass es ausgeschlossen sei, dass Soldaten Ausgangsbeschränkungen oder andere Verstöße gegen die Anordnung in der Viruskrise überwachen würden. „Die öffentliche Sicherheit bleibt in den Händen der Polizei“, sagt der SPD-Politiker Bartels dazu knapp und bestimmt.
Natürlich ist auch innerhalb der Truppe der Schutz vor Ansteckung ein Thema. Bartels: „In den Kasernen gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen gegen das Virus, um die Einsatzbereitschaft zu sichern. Die Truppe arbeitet in Schichten, die sich nicht begegnen, um eine Ausbreitung zu verhindern. Möglichst viele Soldaten schlafen zu Hause.“ Die Einsätze im Ausland würden weiterlaufen, allerdings „unter erschwerten Bedingungen“ wegen des Infektionsrisikos mit den Quarantäneregeln.
Corona-Krise könnte heifen, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen
Unstrittig ist, dass die Viruskrise fatale ökonomische Verwerfungen mit sich bringen wird. Ist damit das umstrittene Zwei-Prozent-Ziel vom Tisch? Also die Nato-Vorgabe, wonach jedes Mitgliedsland anstreben muss, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. „Das ist ja das schwer Greifbare an dieser Zielvorgabe. Sollte die Wirtschaft im Zuge der Viruskrise einbrechen, sind die zwei Prozent deutlich schneller zu erreichen, was aber niemandem wirklich hilft“, sagt der Wehrbeauftragte Bartels. Die „riesengroßen materiellen Lücken der Bundeswehr“ werde es schließlich auch nach der Krise geben. Immerhin würden „Verteidigungsinvestitionen dann auch der Wirtschaft insgesamt zugutekommen“.
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