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Justiz: Das große Löschen

Justiz

Das große Löschen

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    Im Löschungszentrum von Facebook werden gemeldete Postings überprüft. Wenn die Plattform Hassbotschaften nicht löscht, drohen hohe Strafen.
    Im Löschungszentrum von Facebook werden gemeldete Postings überprüft. Wenn die Plattform Hassbotschaften nicht löscht, drohen hohe Strafen. Foto: Stache, dpa

    Das Internet vergisst nicht. Ist ein Tweet erst einmal in die Welt hinausgezwitschert worden, setzt er sich in den Tiefen der Plattform fest. Es folgen – je nach Tonalität und Autor – mehr oder weniger aufgeregte Reaktionen. So war das in vielen Fällen zumindest bislang. Denn seit ein paar Tagen verschwinden mehr und mehr Botschaften aus den Profilen der Nutzer. Tweets werden gelöscht, User blockiert. Es scheint, als zeige das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz Wirkung.

    Hassbotschaften sollen dadurch schneller gelöscht, das Verbreiten von strafbaren Inhalten härter bestraft werden. Doch nicht nur Hass verschwindet seit dem 1. Januar häufiger aus den Timelines sozialer Medien. Auch Satire und streitbare Tweets werden von Twitter gelöscht. Dass der Internetriese damit nun drohenden Strafen durch das Gesetz vorbeugen möchte, liegt nahe. In den vergangenen Monaten mussten große Online-Netzwerke wie

    Dreimal wurden in den ersten Tagen seit Inkrafttreten des Gesetzes Tweets von AfD-Politikern gelöscht. So verschwand ein Tweet von Jens Maier, in dem Noah Becker, der Sohn des Tennisspielers Boris Becker, rassistisch beleidigt wurde. Der Account von Beatrix von Storch wurde kurz gesperrt, nachdem sie zu Silvester von „barbarischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden“ schrieb.

    Dass gegen von Storch und ihre Parteikollegin Alice Weidel – die von Storch auf Twitter beipflichtete – zahlreiche Anzeigen wegen Volksverhetzung gestellt wurden, beruht nicht auf dem neuen Gesetz, sondern auf geltendem Recht. Dass die AfD-Politikerin von Twitter vorübergehend blockiert wurde, ist keine Maßnahme, die auf dem umstrittenen Beschluss fußt, sondern auf den Richtlinien von Twitter. Neu ist, dass dem Kurznachrichtendienst Strafen von bis zu 50 Millionen Euro drohen, wenn strafbare Inhalte nicht zeitnah gelöscht werden.

    Doch löscht der Kurznachrichtendienst aus Angst davor vermehrt Tweets? Es scheint so. Auch satirische Inhalte verschwinden. Doch eine Stellungnahme des Internetriesen dazu zu bekommen, ist schwierig. Einen deutschen Kontakt für solche Angelegenheiten gibt es bei Twitter nicht.

    Am 2. Januar twitterte das Satiremagazin Titanic vermeintlich im Namen von Storchs: „Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen“. Auch dieser Tweet wurde wie andere, offensichtlich nicht ernst gemeinte Postings von Twitter entfernt. Eine Tatsache, die den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger erzürnt. Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff sagt, die Plattformbetreiber entschieden „im Zweifel gegen die Meinungsfreiheit“. Auch Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands, kritisiert das Verhalten scharf. Er spricht von Zensur. Überall: „Ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Sitz in den USA bestimmt darüber, wie weit Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland reichen. Das ist der Ausverkauf von Grundrechten.“

    Bundesjustizminister Heiko Maas hält hingegen weiter an dem umstrittenen Gesetz fest. Der SPD-Politiker sagte zu Bild: „Meinungsfreiheit schützt auch abstoßende und hässliche Äußerungen. Aber: Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief, um Straftaten zu begehen.“ Wer strafbare Inhalte im Netz verbreite, müsse von der Justiz konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.

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