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Joshua Kimmich - Worum es bei der Kritik wirklich geht

Kommentar

Es geht um mehr als die Frage, ob ein Fußball-Profi geimpft ist

Michael Stifter
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    Einer, der vorangeht. Joshua Kimmich ist Führungsspieler. Beim FC Bayern, aber auch in der Nationalmannschaft.
    Einer, der vorangeht. Joshua Kimmich ist Führungsspieler. Beim FC Bayern, aber auch in der Nationalmannschaft. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Joshua Kimmich ist ein Held – seit diesem Wochenende nicht mehr nur für Fußball-Fans, sondern auch für Querdenker und Corona-Leugner. Das liegt nicht daran, dass er eine Corona-Impfung ablehnt. Es liegt an seinem seltsamen Umgang mit der sensiblen Thematik. Damit das klar ist: Niemand darf an den Pranger gestellt werden, nur weil er ungeimpft ist – das gilt selbstverständlich auch für Prominente. Doch mit ihrer Massenwirkung, mit Ruhm und Privilegien verbindet sich durchaus eine Verantwortung, sorgsam mit den eigenen Worten umzugehen.

    Kimmich ist ja keiner dieser Sprechblasen-Fußballer, die in Interviews eine Floskel an die andere kleben, um bloß nichts sagen zu müssen. Umso irritierender ist die dünne Erklärung für seine Impfskepsis. Und das ist nicht der einzige Vorwurf, den er sich gefallen lassen muss.

    Joshua Kimmich ist selbst schuld, dass er Applaus von Verschwörungsideologen bekommt

    Was ist nur aus unserem Land geworden, wenn ein Fußballer sich noch am Spielfeldrand für eine reine Privatsache rechtfertigen muss? Diese Frage wird in diesen Tagen zigfach in sozialen Netzwerken gestellt. Die zur Schau gestellte Empörung ist groß – vor allem bei jenen, die Kimmich nun für ihre kruden Verschwörungsideologien missbrauchen. Als vermeintlichen Beleg für den Tod der Meinungsfreiheit und dafür, wie gleichgeschaltet diese Gesellschaft doch sei.

    Natürlich ist das ungerecht, denn im Gegensatz zu anderen Promis wie Til Schweiger oder Nena hat der 26-Jährige ja nicht versucht, sich als unbeugsamer Freiheitskämpfer zu inszenieren. Trotzdem ist er selbst schuld daran, dass er nun Applaus von Leuten bekommt, mit denen er gewiss nichts am Hut hat.

    Das Geraune des Fußball-Profis verstärkt die Ängste derer, die noch zögern

    Wenn ein Star einem Millionenpublikum erklärt, warum er sich nicht gegen eine Krankheit schützen lassen will, die wir als Gesellschaft nur gemeinsam besiegen können, dann sollte er sich vorher gut informiert haben. Das hat Kimmich offenbar nicht getan. Sein Geraune von "fehlenden Langzeitstudien" entbehrt einer seriösen Grundlage. Er verstärkt damit leichtfertig die Bedenken all jener, die noch zögern, sich impfen zu lassen.

    Eine Impfung löst im menschlichen Körper eine Immunreaktion aus, die mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Diese treten dann allerdings sehr bald auf – oder gar nicht. Schon nach ein paar Wochen ist der verabreichte Impfstoff aus dem Körper verschwunden. Angesichts von Milliarden Dosen, die weltweit über den Zeitraum fast eines Jahres gespritzt wurden, ist die Datenlage hervorragend. Wissenschaftler betonen: Es gibt keine „Langzeitfolgen“ eines Impfstoffes, die erst nach Monaten auftreten.

    Damit hätte sich Kimmich mal auseinandersetzen sollen. Sein Arbeitgeber hätte ihm sicher den Kontakt zu jemandem vermitteln können, der sich wirklich auskennt. Als Fußballer mag er Weltklasse sein, als Immunologe reicht es nur für die Hobby-Mannschaft.

    Joshua Kimmich hat eine große Chance leichtfertig vergeben

    Dass sich Promis mit zigtausenden Fans öffentlich mit dem hochemotionalen Thema Impfung auseinandersetzen, ist eine echte Chance. Die Stars aus Sport, Musik oder Fernsehen erreichen schließlich auch Menschen, die den Politikerinnen und Politikern schon lange nicht mehr zuhören. Umso wichtiger wäre es gewesen, die Debatte faktenbasiert zu führen. Bitter, dass Kimmich diese Chance freistehend vor dem Tor vergeben hat.

    Reine Privatsache? Eben nicht. Erst recht dann nicht, wenn man vor Publikum spielt, das viele Stadien nur geimpft oder genesen betreten darf. Erst recht nicht, wenn man im Kampf gegen die Pandemie Solidarität von allen einfordert. Erst recht nicht, wenn man zwar getestet, aber eben ungeimpft schwerkranke Kinder in einer Klinik besucht und sie damit ohne Not einem zusätzlichen Risiko aussetzt.

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