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Joschka Fischer wird 60: Vom Taxifahrer zum Außenminister

Joschka Fischer wird 60

Vom Taxifahrer zum Außenminister

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    Die Erinnerungen des früheren Außenministers Joschka Fischer erscheinen im Oktober.
    Die Erinnerungen des früheren Außenministers Joschka Fischer erscheinen im Oktober. Foto: DPA

    Berlin (dpa) - Einer der letzten politischen Großmeister sieht dem Spiel nur noch von fern zu. Ohne viel Rummel feiert Joschka Fischer am Samstag, 12. April, seinen 60. Geburtstag.

    Herausragende Vertreter politischer Lager wie Fischer, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder taugen nicht mehr recht als Leitfiguren in einer Zeit neuer Bündnisse und pragmatischerer Parteien. Langweilig wurde es mit dem wortgewaltigen Vertreter der alten Garde allerdings nie.

    Abitur hatte der am 12. April 1948 in Gerabronn (Baden-Württemberg) geborene Fischer nicht. Aber er hörte in Frankfurt linke Vordenker wie Adorno und Habermas und war mit der militanten Gruppe "Revolutionärer Kampf" bei Straßenkämpfen aktiv. Später sollte ihn die Sponti-Zeit einholen. Fischer distanzierte sich 2001 von der früheren Gewaltbereitschaft und bestritt größere Aktionen.

    Der Weg vom Taxifahrer zum Staatsmann führte 1983 zunächst in die erste Grünen-Fraktion des Bundestags. In seinem Buch "Die rot-grünen Jahre" beschreibt Fischer den Weg zur "linken Mehrheit" in Deutschland, zur Koalition mit der SPD 1998, als erbitterten Kampf mit gesinnungslinken Grünen. Zum Bild gehört freilich, dass anfangs auch andere wie Otto Schily großen Anteil am grünen Realo-Kurs hatten.

    Fischer war wandlungsfähig und machte sich instinktsicher neue Meinungen und Entwicklungen früh und vehement zu eigen. Bis heute ist er ein Meister der Selbstinszenierung. Unvergessen bleibt sein Zwischenruf 1984 an Bundestagspräsident Richard Stücklen - "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch" - und seine Vereidigung 1985 zum hessischen Umweltminister in Turnschuhen.

    Von 1994 an trimmte er die Grünen als Fraktionschef im Bundestag weiter zur Regierungsfähigkeit. Der Abgeordnete Winfried Nachtwei ist nicht der einzige, der Fischers mehrdimensionales Denken lobt. Aber er fühlte sich auch an den Zahnarzt erinnert: "Wer eine andere Meinung hatte, wurde behandelt."

    Als Marathonmann in den Disziplinen Laufen und Reden wurde Fischer 1998 zum ersten grünen Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik. In Nadelstreifen und mit zerfurcht-sorgenvollen Zügen erwarb er sich eine Aura moralischer Besonderheit - auch wenn viele seiner engagiert bearbeiteten Bereiche wie Nahost oder Kosovo noch heute voller Probleme sind.

    Der Weggefährte Daniel Cohn-Bendit drängte Fischer während des Bosnien-Kriegs, Skepsis gegen Militär im Namen der Menschenrechte aufzugeben. Seinen Einsatz gegen alle Widerstände für militärisches Eingreifen im Kosovo sieht Fischer angesichts der jugoslawischen Vertreibungen heute als bestandene Prüfung, auch ohne UN-Mandat.

    2002 war es das "Kampfschwein" (Fischer über sich), das seine Partei mit einer Deutschlandtour fast wie ein Popstar zum Wahlerfolg und einer Neuauflage von Rot-Grün führte. Über Jahre blieb der "heimliche Vorsitzende" der Grünen beliebtester Politiker. Erst in der Affäre um Visa-Missbrauch zeigte Fischer zweieinhalb Jahre später Formschwäche - bis er vor TV-Kameras im Visa-Untersuchungsausschuss die Unions-Vorwürfe mit Herablassung parierte.

    Rot-Grün wurde Fischers Lebensthema. "Deutschland ist in dieser Zeit ein anderes Land geworden", sagte er hinterher. Zum Beispiel durch Ökosteuer, Atomausstieg und Homoehe. Konsequent war es, dass er nach dem Ende der Regierung Schröder der aktiven Politik entsagte. "Vor 20 Jahren habe ich meine persönliche Freiheit gegen die Macht eingetauscht, die Freiheit will ich jetzt zurück haben", kündigte er im September 2005 seiner Fraktion an. Und später: "Ich war einer der letzten Live-Rock'n'Roller der deutschen Politik. Jetzt kommt in allen Parteien die Playback-Generation."

    Im Oktober 2005 heiratete Fischer in Rom seine fünfte Frau, Minu Barati. Nach einer US-Gastprofessur folgten Kolumnen und Vorträge zu internationalen Themen. An der Seite anderer "elder statesmen" gehört Fischer zu den Gründungsmitgliedern der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations". Das ZDF ist mit ihm über eine Sendung, etwa ein "Außenpolitisches Quartett", im Gespräch.

    Gediegen dürfte es auch zum Geburtstag zugehen, wenn der Jubilar und Genussmensch zunächst Weggefährten in ein Berliner Nobellokal lädt und die Fraktion ihn am Abend des 22. April im Haus der Kulturen der Welt empfängt

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