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Jamaika-Koalition: Kommentar: "Jamaika" ist machbar

Jamaika-Koalition

Kommentar: "Jamaika" ist machbar

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    An der Jamaika-Koalition führt ohne Neuwahlen wohl kein Weg vorbei.
    An der Jamaika-Koalition führt ohne Neuwahlen wohl kein Weg vorbei. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Symbol)

    Das wird keine Liebesheirat. Nicht eine der vier Parteien, die sich nun auf die Suche nach einem gemeinsamen Nenner begeben, hatte „Jamaika“ auf dem Wunschzettel. Wer lässt sich schon gern auf ein so buntes, noch nie wirklich erprobtes Modell ein, wenn kleinere Allianzen wie Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb übersichtlichere Verhältnisse und mehr Posten verheißen?

    Nun ja, der Wähler hat anders entschieden und den Parteien der Mitte ein Ergebnis aufgetischt, aus dem sie nun – ob es ihnen passt oder nicht – etwas machen müssen. Und weil die von Angela Merkel im Laufe gemeinsamer Regierungsjahre auf 20 Prozent geschrumpfte SPD noch in der Wahlnacht die Flucht in die Opposition angetreten hat und von dieser Entscheidung nicht mehr herunterkommen wird, bleibt ja nur das für bundesdeutsche Verhältnisse ungewöhnlich aufregende schwarz-gelb-grüne Experiment.

    Es sei denn, eine der Parteien ließe nach zähen Verhandlungen die Jamaika-Koalition platzen. Das hieße dann Neuwahlen, woran freilich weder der CDU/CSU noch der FDP oder den Grünen gelegen sein kann. Die einzige schon heute feststehende Gewinnerin nämlich wäre die AfD, die mit einem noch besseren Ergebnis rechnen könnte.

    Der Druck zur Einigung ist groß

    Der Einigungsdruck ist also eminent, zumal Deutschland im Fall eines Scheiterns eine lange Phase politischer Handlungsunfähigkeit bevorstünde und die meisten Bürger dafür wenig Verständnis aufbringen würden. In Anbetracht dieser Risiken dürfte die Bereitschaft zum Kompromiss in allen Lagern so ausgeprägt sein, dass „Jamaika“ irgendwie zu Stuhle kommt.

    Ein schweres Stück Arbeit wird es gleichwohl – inklusive der Gefahr, dass einige Hürden am Ende unüberwindlich sind und einer der Parteien der Preis, den diese Koalition naturgemäß erfordert, zu hoch erscheint. Die „roten Linien“, die zum Auftakt der Gespräche vor allem von der FDP und der CSU gezogen werden, sollten nicht überbewertet werden – man zeigt halt seine Muskeln und Folterinstrumente her. Aber es ist schon so, dass die ungleichen vier auf etlichen zentralen Feldern wie der Einwanderungs-, Steuer-, Europa- und Umweltpolitik weit auseinanderliegen und es dort von Sollbruchstellen nur so wimmelt.

    Es wird also viel guten Willens und einiger Formulierungskunst bedürfen, um die Konfliktlinien zu entschärfen und jeden Partner mit seiner Handschrift zum Zug kommen zu lassen. Angela Merkel, äußerst wendiges Weltkind in der Mitten, kann um der Macht willen bekanntlich mit (fast) allen – CSU, FDP und Grüne sind einander teils spinnefeind. Erschwerend hinzu kommen die internen Probleme der Unterhändler. Der Richtungsstreit in der nach massiven Stimmenverlusten verunsicherten Union schwelt weiter, die von Existenzängsten geplagte CSU wird ihre Karten bis an den Rand eines Bruchs mit der CDU ausreizen. Bei den Grünen drängt es nur die Realos an die Macht – der linke Flügel hält es lieber mit der reinen Lehre. Angesichts dieser komplizierten Gemengelage ist das schwärmerische Gerede von einem „Projekt des Aufbruchs“ realitätsferner Unfug. Schwarz-Gelb-Grün ist, aus der Not geboren, ein Bündnis auf Zeit, das den Praxistest erst bestehen muss, ehe es zum Zukunftsmodell hochstilisiert wird.

    Vieles lässt sich gemeinsam anpacken

    „Jamaika“ ist machbar und eine Reise wert, wenn es für innovative Impulse sorgt, eine Idee von der Zukunft entwickelt, vernachlässigte soziale Probleme wie die Wohnungsnot oder den Pflegenotstand anpackt, die Migrationskrise unter Kontrolle bekommt und bei allem im Auge behält, dass Geld vor dem Ausgeben erwirtschaftet werden muss. An Aufgaben, die jenseits ideologischer Gräben erledigt werden können, herrscht kein Mangel.

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