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Italien: Verfassungsreform gescheitert: Renzi will zurücktreten

Italien

Verfassungsreform gescheitert: Renzi will zurücktreten

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    Italiens Regierungschef Matteo Renzi hat seinen Rücktritt angekündigt. (Archivbild)
    Italiens Regierungschef Matteo Renzi hat seinen Rücktritt angekündigt. (Archivbild) Foto: Giuseppe Lami (dpa)

    Nach dem Scheitern von Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi bei einem Volksentscheid droht der drittgrößten Volkswirtschaft in der EU eine Regierungskrise. Der Sozialdemokrat will an diesem Montagnachmittag seinen Rücktritt einreichen. Das Nein-Lager habe einen "außerordentlich deutlichen" Sieg errungen, sagte Renzi in der Nacht zum Montag bei einer Pressekonferenz.

    Der Weg seiner Regierung "endet hier", sagte der Ministerpräsident kurz nach Mitternacht. "Ich habe verloren, ich übernehme die volle Verantwortung." Ob der 41-Jährige, der Italien rund tausend Tage regierte, auch den Vorsitz des Partito Democratico abgibt, blieb zunächst unklar.

    Eine Übergangsregierung ist in Italien denkbar

    Wie es nach Renzis Rücktritt im hochverschuldeten Italien weitergeht, liegt in den Händen von Staatspräsident Sergio Mattarella. Denkbar sind die Einsetzung einer Übergangsregierung aus Experten oder Neuwahlen. 

    Renzis Rücktritt in Zitaten

    Italiens Ministerpräsident zieht die Konsequenz aus seiner Niederlage beim Verfassungsreferendum in Italien. Die Ankündigung seines Rücktritts in Zitaten:

    «Das «Nein» hat gewonnen.»

    «Meine Zeit in der Regierung endet hier.»

    «Wir haben es nicht geschafft, die Mehrheit unserer Bürger zu überzeugen.»

    «1000 Tage, die für mich verflogen sind.»

    «Politik für etwas zu machen ist die schönste Sache, aber auch die schwierigste.»

    «Ich habe es nicht geschafft, den Sieg mit nach Hause zu nehmen.»

    «Wir haben es versucht, wir haben den Italienern eine Möglichkeit gegeben, eine Chance auf den Wandel, es war eine einfache und klare Chance, aber wir haben es nicht geschafft.»

    «Verloren habe ich, nicht ihr.»

    «Man kann ein Referendum verlieren, aber man sollte nicht die gute Laune verlieren, man kann den Kampf verlieren, aber man darf nicht das Vertrauen verlieren, dass dieses Land das schönste der Welt ist.»

    «Ich habe verloren und das sage ich laut, aber mit einem Knoten im Hals, weil ich kein Roboter bin. Ich habe es nicht geschafft, euch zum Sieg zu führen.»

    «Das ganze Land weiß, dass es auf eine Führung, eine einflussreiche und standfeste Führung wie die von Präsident Mattarella vertrauen kann.»

    Die durch das Brexit-Votum geschwächte EU gerät durch den Rückzug des europafreundlichen Regierungschefs Renzi noch stärker unter Druck. In der Europäischen Union war befürchtet worden, dass eine Niederlage Renzis den Populisten neuen Aufwind geben könnte. Hinzu kommt: Nach dem "Nein" zur Verfassungsreform könnte es Finanzmarktturbulenzen in der Eurozone geben.

    Zum Start in die neue Handelswoche blieb das von einigen Experten erwartete Beben an den Märkten zunächst aus. Der Wert des Euro sank nur rund ein Prozent und damit deutlich weniger, als einige Analysten vorher befürchtet hatten. Auch an den Aktienmärkten verloren die Kurse vergleichsweise wenig an Wert.

    Die Mehrheit der Italiener sagt Nein

    In Italien begann noch in der Nacht der Kampf darum, wie das Nein zu der von Renzi verfochtenen Verfassungsreform zu deuten ist. Die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung sieht in dem Ergebnis Rückenwind und forderte Neuwahlen. "Die Italiener sollten schnellstens zur Wahl gerufen werden", schrieb Anführer und Starkabarettist Beppe Grillo in seinem Blog. 

    Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erwartete zunächst keine großen Folgen für die EU. "Ich sehe keine Niederlage für Europa", sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur. "Das war eine innenpolitische Auseinandersetzung." Allerdings befürchtet er Turbulenzen für den Euro, sollte es in Italien eine längere Phase der Unsicherheit geben. "Für den Euro wäre es schlecht, wenn sich die Regierungskrise lange hinzöge", sagte er. 

    Die Mehrheit der Italiener stimmte klar gegen Renzis Vorhaben, das Regieren leichter zu machen und Blockaden aufzulösen. 59,11 Prozent der Wähler stimmten gegen die Reform, 40,89 Prozent dafür, wie das Innenministerium nach Auszählung aller Wahlbezirke und der Stimmen der im Ausland lebenden Italiener am frühen Montagmorgen mitteilte. Anders als im Inland, wo die Beteiligung bei 68 Prozent lag, gaben nur rund 30 Prozent der im Ausland lebenden gut 4 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Hier stimmten fast 65 Prozent für die Reform und 35 Prozent dagegen.

    Kern der bereits vom Parlament beschlossenen Verfassungsreform war die Abschaffung der Gleichberechtigung beider Kammern: So war vorgesehen, den Senat von derzeit 315 auf 100 Mitglieder zu verkleinern. Er sollte außerdem der Regierung nicht mehr das Misstrauen aussprechen können und nur noch über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen befinden dürfen.

    Nun kommt es auf Italiens Präsidenten an

    Der 41-jährige Renzi war im Februar 2014 als jüngster Regierungschef in der Geschichte des Landes angetreten und gilt als Europa-Freund. Auch die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pflegte eine gute Beziehung zu dem Chef des Partito Democratico. In Essen beginnt an diesem Montag der CDU-Bundesparteitag mit den Sitzungen von Präsidium und Vorstand. Es wird erwartet, dass sich CDU-Chefin Merkel auch zu den Abstimmungen äußern wird.

    Alle Augen richten sich nun auf Italiens Staatspräsident Mattarella. Er kann das Rücktrittsgesuch Renzis annehmen und eine Übergangsregierung einsetzen. Er kann auch das Parlament auflösen und Neuwahlen für das kommende Jahr anordnen. Bis 2018 müssen in Italien Parlamentswahlen stattfinden. 

    Renzi wollte sich dafür einsetzen, dass kein Machtvakuum entsteht. Denn dies würde sich auf die Finanzmärkte negativ auswirken. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone ist mit etwa 130 Prozent der Wirtschaftsleistung so hoch verschuldet wie wenige Länder der Welt, die Wirtschaft lahmt immer noch. Das "Nein" könnte nun auch die Krisenbanken weiter ins Wanken bringen. dpa/AFP/AZ

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