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Italien: Richter will heute über Haftbefehl gegen Kapitänin Carola Rackete entscheiden

Italien

Richter will heute über Haftbefehl gegen Kapitänin Carola Rackete entscheiden

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    Carola Rackete, deutsche Kapitänin der "Sea-Watch 3", winkt bei ihrer Ankunft im Hafen von Porto Empedocle.
    Carola Rackete, deutsche Kapitänin der "Sea-Watch 3", winkt bei ihrer Ankunft im Hafen von Porto Empedocle. Foto: Pasquale Claudio Montana Lampo, dpa

    Das Wasser spielt weiterhin eine entscheidende Rolle im Leben von Carola Rackete. Am Montagnachmittag war die Kapitänin der „Sea-Watch 3“ wieder auf dem Mittelmeer unterwegs, diesmal aber auf einem Patrouillenboot der italienischen Guardia di Finanza, der Finanzpolizei, die auch Aufgaben der Küstenwache übernimmt. Die Beamten brachten Rackete von Lampedusa nach Agrigent auf dem sizilianischen Festland. Der dortige Ermittlungsrichter sollte darüber entscheiden, ob der Hausarrest gegen die 31-jährige deutsche Kapitänin bestehen bleibt.

    Diese Entscheidung des Ermittlungsrichters ist am Abend allerdings auf Dienstag vertagt worden. Nach einer etwa dreistündigen Vernehmung war offen geblieben, ob die 31-Jährige auf freien Fuß gesetzt oder Haftbefehl für sie erlassen wird. Das bedeute, dass Rackete bis dahin auf jeden Fall noch unter Hausarrest stehen werde, sagte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer am Montag.

    So sieht die Unterstützung für Carola Rackete aus

    Die Kapitänin des Rettungsschiffes der deutschen Hilfsorganisation Sea Watch bekommt viel Unterstützung. Manche bezeichnen sie gar als „Kapitänin der Herzen“, die Spenden für die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch sind nach ihrer Festnahme auf über eine Million Euro in die Höhe geschossen. Über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bis Montagmittag mehr als 735.000 Euro zusammen, auf einer italienischen Facebook-Seite wurden mehr als 410.000 Euro gesammelt. Das Spendengeld sei einerseits für die Gerichtskosten von Rackete, erklärte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Er fügte hinzu: "Wenn das Schiff beschlagnahmt bleibt, brauchen wir ein neues."

    Auch in der professionellen Seefahrer-Zunft genießt Racketes Vorgehen große Anerkennung: Carola Rackete habe sich im Spagat zwischen ihrer Fürsorgepflicht für die Menschen auf ihrem Schiff und dem Einlaufen in den Hafen von Lampedusa ohne Genehmigung für moralisches Handeln entschieden, erklärte der Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere. Dieser Entscheidung sei Respekt zu zollen. „Es ist unerträglich, welche Ignoranz und Inkompetenz die EU beim dringendsten aller politischen Probleme an den Tag legt“, heißt es in dem Appell, den die Kapitäne über ihre internationalen Verbände auch in Brüssel vorbringen wollen.

    CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller und zahlreiche andere deutsche Politiker forderten die sofortige Freilassung Racketes. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich in die Sache eingeschaltet und Italien wegen der Festnahme kritisiert.

    Carola Rackete drohen mehrere Jahre Haft

    Die Kapitänin hatte das Verbot ignoriert, mit 42 Flüchtlingen in den Hafen von Lampedusa einzulaufen. Rackete rammte bei dem Anlegeversuch in der Nacht auch ein Boot der Finanzpolizei. Zwei Wochen lang waren die 22-köpfige Besatzung und die am 12. Juni vor Libyen in Seenot aufgenommenen Migranten auf dem Mittelmeer unterwegs. Weder Italien noch Malta gestatteten die Landung, eine Rückkehr nach

    Nun muss sie die Niedersächsin sich in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung, aber auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten, ihr drohen mehrere Jahre Haft. Rackete hatte sich nicht nur über Anweisungen hinweggesetzt. Das Schiff hatte beim Einlaufen in Lampedusa ein Boot der Finanzpolizei touchiert. Zudem wird gegen Rackete wegen Beihilfe zur illegalen Migration ermittelt. "Es gab keine Notlage", sagte der Staatsanwalt Luigi Patronaggio am Montagabend. Sea-Watch habe auch außerhalb des Hafens ärztliche Hilfe bekommen. 

    Ermittelt wird laut Patronaggio nun auch, ob der Rettungseinsatz unweit der libyschen Such- und Rettungszone notwendig war. "Wir werden die konkreten Methoden zur Durchführung der Rettung prüfen, das heißt, ob es Kontakt zwischen Menschenhändlern und der Sea-Watch gab", erklärte Patronaggio. Es solle also geprüft werden, ob es eine "Rettungsaktion im Meer oder eine verabredete Aktion" war. 

    Die Finanzpolizei hatte vergeblich versucht, die Landung der Sea-Watch 3 zu unterbinden. Der italienische Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega versucht mit seiner Blockadepolitik einerseits die Landung von Flüchtlingen in Italien einzudämmen. Andererseits zielt er auch auf die Regierungen der anderen EU-Länder und versucht mit seinem Landeverbot, die Länder zur Aufnahme der Flüchtlinge zu zwingen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte wenige Tage vor dem unerlaubten Einlaufen in Lampedusa einen Eilantrag unter anderem von Rackete abgelehnt, mit dem Schiff in Italien anlegen zu dürfen. 

    Im Fall der Sea-Watch 3 haben sich Frankreich, Deutschland, Portugal, Finnland und Luxemburg zur Aufnahme der Migranten bereit erklärt. Salvini bekommt bislang breite Unterstützung für dieses Vorgehen in der italienischen Bevölkerung. In den italienischen Medien wurde jedoch Rackete als Gegenspielerin von Innenminister Salvini inszeniert, der die Helfer als „Piraten“ und Handlanger von Schleppern bezeichnet. Salvini trägt bei seinen Anhängern den Beinamen „Capitano“, fortan hieß es also Capitana gegen Capitano. Salvini und Rackete warfen sich gegenseitig vor, politische Spielchen zu Lasten der Migranten auszutragen.

    Wer ist Carola Rackete?

    Rackete, die 1988 in Preetz bei Kiel zur Welt kam und in Hambühren, Niedersachsen, aufwuchs, widmete sich bereits nach ihrem Abitur im Jahr 2007 der Seefahrt. Sie studierte in Elsfleth bei Oldenburg Nautik und später in England den Naturschutz-Studiengang Conservation Management. „Mein Leben war leicht, ich konnte drei Universitäten besuchen, mit 23 hatte ich meinen Abschluss“, sagt sie. „Ich bin weiß, deutsch, in einem reichen Land geboren und habe den richtigen Pass.“ Als sie sich dessen bewusst wurde, habe sie die moralische Pflicht gefühlt, denen zu helfen, die nicht dieselben Möglichkeiten haben, sagt die 31-Jährige, deren Namen man tatsächlich wie Rakete ausspricht.

    Als entscheidend in ihrem Leben beschrieb Rackete einen Aufenthalt in Südamerika. „Ich habe fremde Kulturen und Völker kennen gelernt“, erzählte sie. „Wenn man nicht blind ist, kann man die Ungerechtigkeit und die Ungleichheit, die uns umgibt, nicht übersehen.“ Sie habe etwas für diejenigen machen wollen, die keine Stimme und keine Kraft hätten. Über Energie und Abenteuerlust verfügt Rackete offenbar zu Hauf. Sie war als Aktivistin auf Greenpeace-Schiffen unterwegs, beteiligte sich an Antarktis-Expeditionen des Alfred-Wegener-Instituts. 2016 heuerte sie bei Sea Watch an.

    Das Erstaunlichste ist vielleicht Racketes Verfassung angesichts der Sea-Watch-Affäre. Ihr Vater Ekkehart Rackete, der seine Tochter als überlegt und als „starke Frau“ beschrieb, berichtete, Carola sei „lustig und guter Dinge und sieht der ganzen Sache eigentlich gelassen ins Auge.“ (mit dpa)

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