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Istanbul: Ein Airport zieht um: Der neue Mega-Flughafen ist Erdogans ganzer Stolz

Istanbul

Ein Airport zieht um: Der neue Mega-Flughafen ist Erdogans ganzer Stolz

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    Noch landen die Flugzeuge auf dem Atatürk-Flughafen. Am Wochenende ziehen die Fluglinien auf den neuen Airport im Norden der Stadt um.
    Noch landen die Flugzeuge auf dem Atatürk-Flughafen. Am Wochenende ziehen die Fluglinien auf den neuen Airport im Norden der Stadt um. Foto: Ozan Kose, afp

    Die einen freuen sich und sind stolz – die anderen fürchten sich: An diesem Wochenende nimmt der neue Mega-Flughafen nördlich der türkischen Metropole Istanbul den vollen Flugbetrieb auf. „Von hier aus zu fliegen, wird sehr, sehr schön“, jubelte die regierungstreue Zeitung Sabah schon. „Ich werde die ersten drei Monate nicht von dort fliegen“, sagt dagegen ein Istanbuler Geschäftsmann, der dem neuen Airport nicht traut. Das Großprojekt, das von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan als Aushängeschild der Wirtschaftskraft seines Landes präsentiert wird, entzweit schon vor dem Start die Gemüter.

    Der Riesen-Airport mit dem einfachen Namen „Istanbul“ soll nach dem Endausbau der größte der Welt sein. Auf sechs Startbahnen sollen bis zu 200 Millionen Passagiere im Jahr in Istanbul empfangen und verabschiedet werden. Mit dem neuen Airport soll die Bosporus-Metropole zu einem der weltweit wichtigsten Drehkreuze im Flugverkehr werden, in einer Liga mit London, Hong Kong, Singapur oder Dubai. „Istanbul“ wird ein Airport der Superlative sein: Geschäfte, Restaurants, Bars und Duty-Free-Shops auf fast 100.000 Quadratmetern, 230 Passkontroll-Schalter, Fluggast-Brücken für 165 Flugzeuge, Parkmöglichkeiten für 700.00 Autos.

    400 Arbeiter starben auf der Baustelle für den Flughafen "Istanbul"

    Auf mehr als 7500 Hektar Land hat ein Konsortium aus regierungsnahen Unternehmen den Flughafen in den vergangenen vier Jahren mit rund 40.000 Arbeitern aus dem Boden gestampft. Geschuftet wurde Tag und Nacht, und zwar unter teils skandalösen Bedingungen, wie Gewerkschaften beklagen. Nach Recherchen einer Oppositionszeitung kamen bis zu 400 Arbeiter bei Unfällen ums Leben; die Regierung spricht von rund 50 Todesopfern. Die lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen, die verlausten Unterkünfte und die miserable Verpflegung für die Arbeiter ließen Oppositionspolitiker von „Sklaverei“ sprechen. Vor wenigen Monaten ließen die Behörden einen Aufstand der Arbeiter niederschlagen.

    Die türkische Regierung will der Welt mit dem Flughafen zeigen, wozu türkische Ingenieure, Bauunternehmer und Arbeiter in der Lage sind. Anders als in Berlin, wo am geplanten Hauptstadtflughafen nichts so recht vorangeht, sollte in Istanbul in Rekordzeit einer der modernsten Flughäfen der Welt entstehen.

    Neuer Flughafen in Istanbul: Erdogan nennt ihn ein „Siegesdenkmal“

    Glaubt man der Regierung, dann ist das auch gelungen. Erdogan nennt den 25 Milliarden Dollar teuren Airport ein „Siegesdenkmal“. Andere sind da nicht so sicher. Mehrmals wurde die ursprünglich für Oktober vergangenen Jahres geplante vollständige Aufnahme des Flugbetriebs verschoben, weil der neue Flughafen nicht fertig war. Bisher starten und landen nur wenige Maschinen. Von den sechs Startbahnen sollen bis zum kommenden Jahr lediglich drei in Betrieb sein, vorerst liegt die Kapazität bei 90 Millionen Passagieren im Jahr.

    Istanbul: Ein Flughafen zieht um.
    Istanbul: Ein Flughafen zieht um. Foto: AZ Infografik

    Auch die hohen Kosten sorgen für Ärger. Laut Medienberichten musste der Staat den am Flughafenbau beteiligten Unternehmen mit Milliardenkrediten unter die Arme greifen, um einen Kollaps des Projekts zu verhindern. Am Ende könnte der Staat auf hohen Verlusten sitzen bleiben, warnen einige Beobachter.

    Trotzdem soll es jetzt losgehen: In der Nacht zum Samstag stoppt die türkische Fluggesellschaft Turkish Airlines, der Hauptkunde des neuen Airports, alle Flüge vom bisher genutzten Atatürk-Flughafen. Fast 2000 Arbeiter sollen in den folgenden 45 Stunden tonnenweise Gerät und Flughafenfahrzeuge zum rund 25 Kilometer nördlich von Istanbul gelegenen neuen Airport bringen. Die Lastwagen, die das Gerät transportieren, werden nach Medienberichten in dieser Zeit insgesamt 400.000 Kilometer zurücklegen. Allein für die halbstaatliche Fluggesellschaft

    Mega-Flughafen "Istanbul": Viele Türken befürchten ein riesiges Chaos

    Der Atatürk-Flughafen bleibt zunächst für Frachtflüge geöffnet und soll später zu einem Kongresszentrum umgebaut werden. Einige Istanbuler werden jetzt schon nostalgisch bei dem Gedanken. Andere befürchten ein riesiges Chaos bei der Flughafen-Verlegung, weil der neue Airport noch keine Metro-Anbindung hat, was die Anreise für viele Istanbuler beschwerlich macht.

    Kritiker des Flughafens sorgen sich, dass es nicht bei Verspätungen bleiben wird. Sie verweisen unter anderem darauf, dass das heutige Flughafengelände am Schwarzen Meer vor Beginn der Bauarbeiten mit bis zu 20 Meter tiefen Lehmgruben und Baggerseen übersät war: Das sei keine stabile Basis für einen Flughafen, urteilte die türkische Ingenieurkammer. Und tatsächlich: Im vergangenen Jahr tat sich bei Arbeiten an der Metro-Verbindung plötzlich ein tiefes Loch vor dem Terminal auf. Auch von häufigem Nebel, starkem Wind und Zugvögeln ist die Rede. „Auf die Istanbuler und auf die Flughafen-Nutzer kommen ernsthafte Gefahren zu“, warnte die regierungskritische Zeitung „BirGün“.

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