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Israel lockert diplomatische Gaza-Blockade

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Israel lockert diplomatische Gaza-Blockade

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    Israel lockert diplomatische Gaza-Blockade
    Israel lockert diplomatische Gaza-Blockade Foto: DPA

    Außenminister Avigdor Lieberman lud völlig überraschend seinen italienischen Amtskollegen Franco Frattini sowie sechs weitere europäische Spitzendiplomaten - darunter auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle ein, sich ein Bild von der humanitären Situation im Gazastreifen zu machen.

    In Israel gab es dazu am Freitag keine offizielle Stellungnahme. Kommentatoren sprachen von einer radikalen Kehrtwende in der bisherigen Gaza-Politik Israels. Unterdessen beschoss die israelische Luftwaffe als Reaktion auf Raketenangriffe radikaler Palästinenser am Freitag ein Munitionsdepot und einen Schmugglertunnel im Gazastreifen.

    Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, er wolle die Einladung annehmen. Mit der Lockerung der diplomatischen Blockade habe Israel einen "Politikwechsel in Sachen Gaza eingeleitet", sagte er am Freitag bei einem Besuch in Rumänien. "Wenn man bedenkt, was die israelische Regierung damit auch innenpolitisch schultert, so ist das etwas, was man nur sehr begrüßen kann." Westerwelle sagte nach einem Telefonat mit Frattini, man werde eine Einladung "immer unterstützen und ihr auch folgen". Er sprach von einer "sehr guten Entwicklung, bei der auch Europa eine Rolle gespielt hat".

    Das italienische Außenministerium bestätigte die Einladung. "Er (Frattini) hat das Angebot weder abgelehnt noch eine Entscheidung getroffen", hieß es. Vielmehr habe sich der Außenminister vorbehalten, nach Abstimmung mit seinen europäischen und internationalen Kollegen zu entscheiden.

    Die Außenminister sollen sich den Berichten zufolge selbst davon überzeugen, dass die israelische Darstellung richtig ist, nach der es keine humanitäre Krise im Gazastreifen gibt. UN-Hilfsorganisationen hatten wegen der großen Armut, der hohen Arbeitslosigkeit und der massiven Abhängigkeit von ausländischer Hilfe ein entsprechend düsteres Bild gezeichnet.

    Ein Zeitpunkt für den Besuch stand noch nicht fest. Zu der kleinen Minister-Delegation sollen den Berichten zufolge außer Frattini und Westerwelle auch deren Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien gehören. Sie sollen während ihres Besuches keinerlei Gespräche mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation führen. Geplant sei auch ein Besuch der israelischen Grenzstadt Sderot, deren knapp 20 000 Einwohner besonders schwer unter dem jahrelangen Raketenbeschuss militanter Palästinenser gelitten haben, berichtete die Tageszeitung "Jerusalem Post". Darüber hinaus sollen sich die Außenminister in der israelischen Hafenstadt Aschdod informieren, wie die internationalen Hilfsgüter überprüft werden.

    Israel hat seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Hamas im Juni 2007 bis auf wenige Ausnahmen keine Minister oder Diplomaten anderer Länder in den Gazastreifen reisen lassen. Ausnahmeregelungen galten unter anderem für UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie zuletzt für die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Als Grund für den Boykott gab Israel an, dass ein "politischer Reisetourismus" die Hamas stärken und sie als legitime Herrscherin des Gazastreifens erscheinen lassen würde. Zuletzt hatte das israelische Außenministerium dem deutschen Entwicklungshilfeminister Niebel Ende vergangene Woche die Einreise verwehrt.

    Über die Hintergründe der politischen Kehrtwende gab es in Israel vorerst nur Spekulationen. Danach hat sich in der israelischen Führung der Eindruck breitgemacht, Israel sollte den Europäern mit einer Geste des guten Willens entgegenkommen. Die Initiative sei absichtlich während eines Gesprächs von Lieberman mit Frattini lanciert worden, weil Italien sehr freundlich zu Israel sei.

    Nach einer zweiten Interpretation befürwortet der ultra-rechte Lieberman eine Abtrennung des Gazastreifens von der Versorgung durch Israel. Dies betreffe auch die Energie- und Wasserversorgung. Eine entsprechende Lücke solle die EU durch den Bau von Kraftwerken, Wasserentsalzungsanlagen und mit Projekten in der Abwasserwirtschaft schließen. Sollten solche Pläne umgesetzt werden, müssten EU-Minister auch Zugang zum Gazastreifen haben. Zuletzt hatte Niebel seinen Besuchswunsch auch damit begründet, dass er persönlich sehen wolle, in welche Projekte Geld deutscher Steuerzahler fließe.

    Die israelische Luftwaffe reagierte mit ihrem Angriff auf Ziele im Gazastreifen am Freitag auf Raketenbeschuss vom Vortag. Nach Angaben eines Militärsprechers wurden zwei Leichen aus den Trümmern geborgen. Ob es weitere Tote oder Verletzte gab, war zunächst nicht klar. Am Donnerstag hatte es nach israelischen Angaben Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen auf israelisches Gebiet gegeben. Dabei hatte es aber weder Sachschaden noch Verletzte gegeben. Den Angaben zufolge wurden seit Beginn des Jahres 90 Raketen oder Mörser aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet gefeuert.

    Seitdem Ägypten die Grenze zu dem von der radikalen Palästinenserorganisation Hamas kontrollierten Gazastreifen am 1. Juni geöffnet hat, sind rund 16 500 Palästinenser über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten eingereist. Das teilten Sicherheitsquellen am Freitag in der Provinzhauptstadt Al-Arisch mit. Weiteren 1930 Bürgern des Mittelmeerstreifens sei die Einreise verwehrt worden, weil sie gefälschte Visa zur Weiterreise in Drittländer vorlegten.

    Ägyptens Präsident Husni Mubarak hatte die Grenzöffnung verfügt, nachdem israelische Soldaten zuvor ein türkisches Solidaritätsboot mit Hilfsgütern für Gaza im Mittelmeer angegriffen und dabei neun Aktivisten getötet hatten.

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