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Israel: Wie der Geheimdienst in Israel gegen das Coronavirus vorgeht

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Wie der Geheimdienst in Israel gegen das Coronavirus vorgeht

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    In Israel nutzt der Geheimdienst konkrete Handydaten im Kampf gegen Corona. In Deutschland bekommt das Robert-Koch-Institut anonyme Daten.
    In Israel nutzt der Geheimdienst konkrete Handydaten im Kampf gegen Corona. In Deutschland bekommt das Robert-Koch-Institut anonyme Daten. Foto: dpa

    Seit ein paar Tagen hat Antje Naujoks eine neue App auf ihrem Handy. Wo immer die Politologin aus dem niedersächsischen Jever, die seit vielen Jahren in Israel lebt, auch unterwegs ist: Der kleine digitale Helfer sagt ihr, ob in ihrer Nähe jemand war oder womöglich noch ist, der sich mit Corona infiziert hat. Dass dazu Berge von Daten und ganze Bewegungsprofile gespeichert werden, nimmt die 56-Jährige in Kauf. "Für meinen Schutz", sagt sie, "bin ich bereit, auf bestimmte Rechte zu verzichten."

    Wie kaum ein anderes Land, China vielleicht ausgenommen, setzt Israel im Kampf gegen den Virus auf die Kraft der Daten. Mit einer umstrittenen Verordnung hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Inlandsgeheimdienst Shin Bet angewiesen, die Mobiltelefone im großen Stil zu überwachen – eine Methode, die Israel bisher nur gegen palästinensische Extremisten angewandt hat. Nahezu jeder Schritt eines Infizierten wird so registriert, und zwar zwei Wochen zurück. Menschen, deren Handykoordinaten sich mit denen eines Erkrankten überlappen, werden dann gezielt herausgefiltert und kontaktiert – wie eine Bekannte von Antje Naujoks auch, die nach einer Party per SMS aufgefordert wurde, sich sofort in Quarantäne zu begeben. Unter den Gästen war auch eine Frau, die sich bereits angesteckt hatte. In der Quarantäne will die Regierung dann mithilfe der Handydaten überprüfen, ob die Betroffenen tatsächlich in ihren Häusern und Wohnungen blieben.

    Ministerpräsident Netanjahu spricht vom "unsichtbaren Feind"

    Bereits am ersten Tag hat Israel auf diese Weise 400 Menschen in Quarantäne geschickt. Corona, sagt Netanjahu im Anti-Terror-Jargon, sei ein "unsichtbarer Feind". Sein Problem: Er hat die Entscheidung über die kollektive Überwachung ohne das Parlament getroffen, das nach der Neuwahl noch nicht arbeitsfähig ist. Das oberste Gericht hat ihm daher eine Frist bis zu diesem Dienstag gesetzt, an dem ein Ausschuss der Knesset zusammentreten und die Maßnahmen absegnen muss. Falls nicht, wird die Überwachung gestoppt – Israel soll auch im Corona-Modus ein Rechtsstaat bleiben. "Wir dürfen nicht zulassen", sagt Staatspräsident Reuven Rivlin, "dass diese Krise, so ernst sie auch ist, unser demokratisches System beschädigt." Dass Netanjahu in der Knesset eine Mehrheit bekommt, bezweifelt die Politologin Naujoks allerdings nicht. Wenn die Israelis eines gelernt hätten, dann das: "Uns will jemand Böses. In diesem Fall sind die Telefondaten nur ein Mittel, das Land zu schützen."

    In Deutschland werden die Daten nicht individualisiert

    In Deutschland werden in der Corona-Krise ebenfalls Handy-Daten ausgewertet – allerdings nicht so radikal wie in Israel. Die Telekom übermittelt dem Robert-Koch-Institut keine individualisierten Daten oder gar Bewegungsprofile, sondern lediglich anonymisierte Statistiken, auch "Schwarmdaten" genannt. Anhand dieser Profile konnte das Institut zum Beispiel feststellen, wo noch zu viele Menschen unterwegs waren. "Diese Daten", beteuert die Telekom, "lassen keinerlei Rückschlüsse auf Einzelpersonen oder individuelle Bewegungsmuster zu." Das digitale Beobachten einzelner Bürger, sagt auch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), dürfe mit solchen Informationen nicht möglich sein. Nach einem Nein für alle Zeiten aber klingt das nicht: "Bevor es tief greifende Einschnitte in die Bürgerrechte gibt, muss schon deutlich gemacht werden, dass das absolut zwingend erforderlich ist."

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