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Islam: Türkei will Einfluss auf Muslime in Europa ausbauen

Islam

Türkei will Einfluss auf Muslime in Europa ausbauen

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    Der Halbmond auf der Spitze einer Moschee in Köln.
    Der Halbmond auf der Spitze einer Moschee in Köln. Foto: Oliver Berg, dpa (Archiv)

    Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit fand gleich nach dem Jahreswechsel ein brisantes Treffen in Köln statt: In der Domstadt ging es um Strategien Ankaras, den Einfluss der Türkei auf Muslime in ganz Europa systematisch auszubauen. Und es gab konkrete Ergebnisse: Die Delegierten der Konferenz des türkischen Religionsamtes Diyanet und ihres deutschen Ablegers Ditib beschlossen in der vergangenen Woche die Gründung eines Sekretariats, das regelmäßige Treffen europäischer

    Das Sekretariat, das seinen Sitz in Ankara haben soll, ist eine Antwort auf die Bemühungen europäischer Staaten wie Deutschland oder Österreich, die Rolle der Türkei in den islamischen Organisationen ihrer Länder einzudämmen. Die Kölner Konferenz erteilte Überlegungen für einen „deutschen Islam“ eine klare Absage. Gemeint ist ein Islam, der sich in die pluralistische Gesellschaftsordnung einfügt.

    Auch ein Vertreter der Muslimbruderschaft nahm teil

    An dem Treffen nahm auch ein Mitglied der islamistischen Muslimbruderschaft teil. In Deutschland wird die Bruderschaft vom Verfassungsschutz beobachtet. Zu der Konferenz „II. Treffen der europäischen Muslime“ vom 2. bis zum 4. Januar kamen laut türkischen Medienberichten rund 100 Gäste in die Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtbezirk. Die Hauptrede hielt der Chef des türkischen Religionsamtes, Ali Erbas. Er beklagte eine Zunahme der Islam-Feindlichkeit in Europa und wandte sich gegen eine Assimilierung von Muslimen in Europa: Es sei „unmenschlich“, von Muslimen oder Einwanderern zu erwarten, dass sie sich völlig von ihren Herkunftsregionen lossagen sollten. Auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Jahren mehrfach vor einer Assimilierung gewarnt und sich in Deutschland viel Kritik eingehandelt.

    In einer 18 Punkte umfassenden Abschlusserklärung betonte die Kölner Konferenz nach Angaben von Ditib, Ziel des neuen Sekretariats sei die „Institutionalisierung des Treffens der europäischen Muslime“ in einem Zwei-Jahres-Rhythmus. Das Sekretariat soll auch die Umsetzung der Kölner Beschlüsse kontrollieren. Zudem empfahl die Konferenz die Schaffung eines „Koordinierungsrates“, der die Kommunikation zwischen Muslimen in Europa sichern und als Ansprechpartner für andere Organisationen sowie Behörden fungieren soll. Die Initiative richtet sich damit nicht nur an türkische und türkischstämmige Muslime, sondern an Gläubige in ganz Europa.

    Kritiker sehen in Ditib einen Handlanger Ankaras

    Kritiker sehen in Ditib, dem mit rund 900 Gotteshäusern größten Moscheeverband in Deutschland, einen Handlanger der türkischen Regierung. Ditib gehört zum Religionsamt Diyanet, das seinerseits Erdogan untersteht. Die Türkei nutzt die Religionsbehörde, um ihren Einfluss im Ausland zu vergrößern. So ließ das türkische Religionsamt in Albanien die größte Moschee des Balkans bauen.

    In Deutschland werden Imame von Ditib-Moscheen aus der Türkei entsandt und sind türkische Staatsbeamte. Die Praxis war in der Bundesrepublik lange unstrittig, wird seit einigen Jahren aber zunehmend hinterfragt. Nach dem Putschversuch in der Türkei von 2016 waren die deutschen Ditib-Moscheen in die Schlagzeilen geraten, weil dort angeblich Erdogan-Gegner ausspioniert wurden. Die Kölner Konferenz verdammte in ihrer Schlusserklärung mehrere Terrorgruppen und nannte dabei auch die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der von Erdogan für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird. Gülen weist den Vorwurf zurück.

    Um den Einfluss der Türkei in deutschen Moscheen zu begrenzen, will die Bundesregierung die Eigenständigkeit muslimischer Gemeinden in der Bundesrepublik fördern. Auf der jüngsten Sitzung der Islam-Konferenz im November verlangte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) „einen Islam für Deutschland, einen Islam der Deutschen“.

    Mit Blick auf die Türkei forderte Seehofer, muslimische Gemeinden sollten sich von Geldgebern im Ausland lösen. Der deutsche Verfassungsschutz prüfte vorübergehend sogar eine Beobachtung der Ditib. In Österreich ordnete die Regierung im vergangenen Jahr die Schließung von sieben türkischen Moscheen an und ließ gegen Imame ermitteln, die ihr Gehalt aus der Türkei erhielten.

    Konferenz gegen nationale Ausformungen des Islams

    Angesichts dieser Entwicklung will Ankara offenbar gegensteuern. Die Schlusserklärung der Kölner Konferenz betonte die Universalität des Islam und wandte sich gegen die Definition nationaler Ausformungen der Religion. Der Islam sei eine Religion des Friedens, die „überall auf der ganzen Welt dieselben universalen Werte verteidigt“, hieß es in der Erklärung. Regionale oder nationale Bezeichnungen „wie ‚deutscher Islam’, ‚französischer Islam’, ‚belgischer Islam’ oder ‚europäischer Islam’“ stünden „im Widerspruch zur Universalität des Islams, der alle Epochen und Orte zugleich erleuchtet“.

    Die Neu-Ulmer Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne) sieht die Konferenz von Köln sehr kritisch: „Natürlich ist es bedenklich, wenn die Türkei versucht, die Abhängigkeiten zu verfestigen. Das schadet der Integration der Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland.“ Deligöz ist überzeugt, dass der türkische Präsident längst viel weiter denkt. „Erdogan geht es nicht nur um die Muslime in Deutschland oder in Europa. Er möchte als Wortführer der islamischen Welt wahrgenommen werden. Sein Vorbild ist das Osmanische Reich“, sagte die türkischstämmige Politikerin im Gespräch mit unserer Zeitung. Umso wichtiger sei es, „dass die Muslime darin bestärkt werden, einen eigenen europäischen Islam voranzubringen.“ Dafür, so ist sich

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