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Islam-Debatte: Abstiegsängste und andere Mythen: Was bleibt von Pegida?

Islam-Debatte

Abstiegsängste und andere Mythen: Was bleibt von Pegida?

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    Mitglieder der Pegida-Gruppe Hogesa bei einer Demonstration in Wuppertal. Was bleibt von der Bewegung?
    Mitglieder der Pegida-Gruppe Hogesa bei einer Demonstration in Wuppertal. Was bleibt von der Bewegung? Foto: Oliver Berg, dpa (Archiv)

    Als sich die Pegida-Bewegung vor fünf Monaten in Dresden formierte, war in der öffentlichen Debatte viel von Ängsten die Rede. Vor allem "Abstiegsängste" und "Überfremdungsängste" wurden bemüht, um die Proteste der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" und ihrer zahlreichen Ableger zu erklären. Der Göttinger Politologe Franz Walter kommt mit seinen Mitarbeitern in einer neuen Studie zum Phänomen Pegida allerdings zu ganz anderen Ergebnissen.

    Die einzige "Angst", die den Forschern bei den von ihnen in Gruppendiskussionen befragten Demonstranten aus Dresden und Leipzig begegnete, ist die Angst vor einer möglichen militärischen Auseinandersetzung in Europa unter Beteiligung Russlands. Ansonsten dominierten eher chauvinistische Einstellungen in Bezug auf muslimische Zuwanderer, Unbehagen und Misstrauen. Außerdem äußerten die Befragten Enttäuschung über Politiker, denen es aus ihrer Sicht an Bodenhaftung und Offenheit mangelt.

    Bei den Demonstranten gegen Pegida liegt der Anteil mit Hochschulabschluss bei etwas über 50 Prozent

    Das ist Pegida

    DER NAME: "Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Im Kern handelt es sich um ein Demonstrationsbündnis, das sich gegen eine angeblich drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa einsetzt.

    DIE DEMOS: Das Bündnis führt an Montagen Proteste in Dresden durch. Zur ersten Demonstration im Oktober kamen etwa 500 Menschen. In Spitzenzeiten waren es 17.000. Inzwischen ist der Trend rückläufig.

    DER ORGANISATOR: Initiator der Proteste ist Lutz Bachmann, Inhaber einer Werbeagentur. Bachmann ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung sowie Einbruch und Diebstahl. 1998 floh er nach Südafrika, um einer fast vierjährigen Haftstrafe in Deutschland zu entgehen.

    DIE ZIELE: Die Teilnehmer des Bündnisses protestieren unter anderem für eine „Null Toleranz“-Politik gegenüber „straffällig gewordenen Zuwanderern", für den "Schutz der deutschen Identität“ und gegen "Asylmissbrauch".

    DIE GRUPPEN: Mittlerweile gibt es nicht nur in Dresden ein solches Bündnis, sondern auch in Magdeburg, Rostock, Würzburg und München. Der bayerische Ableger nennt sich "Bagida" ("Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes").

    DIE KRITIK: Experten sehen in Pegida eine Gruppierung mit rechtsextremistischen Tendenzen. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke beschreibt die Proteste als "rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung".

    Auch von CDU und SPD kam Kritik an den Protesten. Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), bezeichnete Pediga hingegen als "gut und richtig".

    Was das Bildungsniveau angeht, so gibt es einen - wenn auch geringen - Unterschied zwischen Pegida- und Anti-Pegida-Demonstranten. Knapp 40 Prozent der "Islamisierungsgegner" sind Akademiker. Bei den Gegendemonstranten liegt der Anteil mit Hochschulabschluss bei etwas über 50 Prozent. 75,5 Prozent der Pegida-Anhänger gaben an, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Unter den No-Pegida-Teilnehmern arbeiten 46 Prozent Vollzeit.

    Viel von der Kritik, die Teilnehmer der Pegida-Kundgebungen gegenüber den Forschern geäußert haben, findet sich auch im Parteiprogramm der Alternative für Deutschland (AfD). Die bürgerliche Protestpartei um Bernd Lucke hat zwar bisher keinen großen Mitglieder-Zulauf aus den Reihen von Pegida. Sie könnte aber nach Ansicht der Autoren von "Pegida - Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?" als einzige Partei bei der nächsten Bundestagswahl eine größere Zahl von Wählern unter den Anhängern der Bewegung finden.

    Führende Vertreter der AfD sind mit den Parolen von Pegida nie warm geworden

    Doch das Verhältnis zwischen den Demonstranten und der rechtskonservativen Partei ist keineswegs ungetrübt. Lucke, Hans-Olaf Henkel und einige andere führende Vertreter der AfD sind mit den Parolen von Pegida nie warm geworden. Und selbst der rechte Publizist Konrad Adam, der mit seiner generellen Kritik an den Traditionen des Islam im AfD-Bundesvorstand schon mehrfach angeeckt ist, distanziert sich heute deutlich von der Bewegung.

    Zwar war auch Adam unzufrieden mit Äußerungen von Vorstandskollegen, die kürzlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen begrüßt hatten. Er selbst lehnt das Kopftuch als "Symbol für die Minderwertigkeit der Frau" ab. Trotzdem will er sich nicht mit dem vorbestraften Pegida-Initiator Lutz Bachmann gemein machen, der die AfD am vergangenen Montag wegen ihrer Unterstützung für das Karlsruher Urteil kritisiert hat. "Pegida ist für mich kein Maßstab und Herr Bachmann ist mir völlig wurscht", sagt Adam. 

    Fast die Hälfte der Pegida-Anhänger wählte bei der letzten Bundestagswahl die AfD

    Die Pegida-Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung hat methodisch allerdings eine Schwäche, derer sich die Autoren auch bewusst sind: Bekennende Rechtsradikale, die in Gruppen organisiert sind und bei den "Patriotischen Europäern" teilweise auch mitmarschieren, haben sich auf die Befragung durch die Politologen nicht eingelassen. Trotzdem sind einige Ergebnisse - etwa dass der Männer-Anteil bei Pegida viel höher ist als bei den Gegendemonstranten - unumstritten. Die Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass von den Pegida-Anhängern, die an der letzten Bundestagswahl teilgenommen haben, fast die Hälfte AfD gewählt hat.

    Pegida-Ableger in Bayern

    BAGIDA: "Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes". Über Facebook organisiert sich Bagida und beschreibt sich selbst als "Weder rechts noch links - wir sind uns einig! Friedlich und einheitlich".

    MUEGIDA: "Muenchen gegen die Islamisierung des Abendlandes". Muegida-München distanziert sich selbst von politischen Extremismus. Die Gruppe verfolgt ähnliche Ziele wie Pegida, beschreiben sich aber als "überparteiliche politische Organisation freier, kritischer Bürger." Mittlerweile nennt sich die Gruppe nur noch Pegida-München.

    MÜGIDA: "München gegen die Islamisierung des Abendlandes". Die Gruppe richtet sich nach eigenen Angaben "gewaltfrei und vereint gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden!"

    WÜGIDA: "Würzburger gegen die Islamisierung des Abendlandes". Sie mobilisiert be ihren Demonstrationen um die 300 Teilnehmer.

    NÜGIDA: "Nürnberg gegen die Islamisierung des Abendlandes". Diese Gruppe gehört zu den kleineren Pegida-Ablegern in Bayern.

    Das zeigt, dass die sächsische AfD-Fraktionsvorsitzende Frauke Petry nicht falsch lag, als sie im Januar nach einem Meinungsaustausch mit dem damals noch nicht in zwei Lager gespaltenen Pegida-Organisationsteam verkündete, sie habe inhaltliche "Schnittmengen" mit Pegida festgestellt. Von AfD-lern, die an dem Treffen teilnahmen, war allerdings hinterher zu hören: "Der Bachmann ist ein komischer Typ, mit dem wollen wir nichts zu tun haben." Das war noch vor dem Wirbel um Bachmanns "Hitler-Selfie".

    Die Autoren der Pegida-Studie kommen zu dem Schluss, dass es vor allem die "apodiktisch dekretierte Alternativlosigkeit von Schröder bis Merkel" sei, die der AfD ihre Gründungslegitimation und der Pegida-Bewegung Zulauf verschafft habe. Sie stellen fest: "Die Einheitsfront im schwarz-rot-grünen Parteienestablishment, die sich in vielen politischen Fragen nicht weiter erklärt und grundsätzliche Opposition gerne delegitimiert, dürfte den Stoff für die Proteste der Misstrauischen liefern." dpa

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