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Irak: Ein Sieg über den Islamischen Staat

Irak

Ein Sieg über den Islamischen Staat

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    Ein irakischer Scharfschütze beobachtet einen Luftschlag der US-Luftwaffe gegen letzte IS-Stellungen in Mossul.
    Ein irakischer Scharfschütze beobachtet einen Luftschlag der US-Luftwaffe gegen letzte IS-Stellungen in Mossul. Foto: Ahmad al-Rubaye, dpa

    Sogar die Nachrichtensprecher im Irak verabschieden sich mit dem Victory-Zeichen von ihren Zuschauern. Im Staatsfernsehen laufen ohne Unterlass Videos, die die Soldaten und ihren erbitterten Kampf um Mossul in den vergangenen fast neun Monaten glorifizieren. Noch bevor die Regierung den Sieg offiziell verkündet, lautet die klare Botschaft: Die Terrormiliz IS ist aus Iraks zweitgrößter Stadt – ihrer größten Eroberung – vertrieben. Der Sonntag wird nicht nur den

    Mehr als drei Jahre lebten die Menschen in der früheren Millionenmetropole unter dem Regime der sunnitischen Extremisten, die ihre radikale Lesart des Islams rücksichtslos durchsetzten. Christen und andere Minderheiten wurden in die Flucht getrieben, gefangen, verschleppt oder getötet. Alkohol und Zigaretten waren genauso verboten wie Musik. Frauen durften nur voll verschleiert auf die Straße. Seine Gegner tötete der Islamische Staat, der die Stadt zu einem Zentrum seines „Kalifats“ machte.

    Auch die Offensive der irakischen Regierungskräfte, von Kampfflugzeugen der US-geführten internationalen Allianz aus der Luft unterstützt, verlangte von den Zivilisten einen hohen Blutzoll. Bis zuletzt nahmen die Extremisten Unschuldige als Schutzschilde, darunter Kinder und Frauen. Die Uno berichtete mehrfach über Massaker der Dschihadisten an Flüchtlingen. Fast 900000 Menschen flohen vor der Gewalt, seitdem die Offensive im Oktober begonnen hatte. Vor allem in den vergangenen Monaten häuften sich Berichte über viele Tote bei Luftangriffen. Ende Mai musste das Pentagon einräumen, dass bei einer Bombardierung rund zwei Monate zuvor mehr als 100 Zivilisten ums Leben gekommen seien. Die Extremisten hätten in einem Gebäude Sprengstoff platziert, erklärte das amerikanische Verteidigungsministerium. Doch Kritiker sahen in der hohen Zahl ziviler Opfer auch eine Folge gelockerter Einsatzregeln der US-Luftwaffe nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump.

    Große Teile Mossuls wurden bei den Kämpfen in Schutt und Asche gelegt. Besonders der Westen der durch den Fluss Tigris geteilten Stadt ist massiv zerstört. Vom IS gesprengt wurde die Große Moschee, ein Wahrzeichen nicht nur der Stadt, sondern auch ihres Kalifats, das sie nicht der Armee überlassen wollten. Hier hatte sich IS-Chef Abu Bakr Al-Bagdadi 2014 das erste Mal öffentlich gezeigt. Ganze Viertel gleichen Trümmerwüsten, in denen auf absehbare Zeit kaum ein Mensch leben kann. Der Wiederaufbau wird Milliarden kosten und Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern. Mit ihrer Niederlage in Mossul hat die Terrormiliz einen herben Rückschlag erlebt und ihre letzte große Hochburg im Irak verloren. Militärisch ist sie dort weitestgehend geschlagen.

    Zugleich wächst der Druck im Nachbarland Syrien, wo ein von Kurden angeführtes Bündnis bis in die nordsyrische IS-Bastion Al-Rakka vorgedrungen ist, die heimliche Hauptstadt des Kalifats. Doch endgültig besiegt ist der IS mit dem Verlust Mossuls noch lange nicht, auch nicht im Irak. Noch immer halten die Extremisten kleinere irakische Städte und Orte. Zudem rechnen Beobachter damit, dass die Dschihadisten untertauchen, um zum Beispiel aus den riesigen Wüstengebieten im Westen des Landes heraus in Guerillataktik zuzuschlagen. So überlebten die IS-Vorgänger schon einmal, als sie vor rund zehn Jahren am Ende des irakischen Bürgerkriegs geschlagen schienen.

    Schon jetzt zeigen unzählige Selbstmordanschläge vor allem in Bagdad, aber auch anderenorts, welche Gefahr von den Extremisten ausgeht. Auch mit Attentaten außerhalb des Iraks ist zu rechnen, etwa in Europa. Bereits in der Vergangenheit haben die Extremisten auf militärische Rückschläge immer wieder mit Terrorangriffen reagiert. Besiegt ist der IS auch deshalb noch nicht, weil zentrale Konflikte im Irak, die ihm den Weg bereiteten, noch längst nicht gelöst sind.

    Vor allem die Spannungen zwischen den beiden großen islamischen Konfessionen, den Schiiten und Sunniten, schwelen weiter. Seit dem Sturz des Langzeitherrschers Saddam Hussein im Jahr 2003 kontrollieren die Schiiten nicht nur die Regierung, sondern auch die Ressourcen des ölreichen Landes. Über Jahre vernachlässigte die Führung in Bagdad mehrheitlich sunnitische Gebiete. Proteste ließ die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki niederschlagen und trieb so viele Iraker in die Arme der Extremisten. Bis heute hat sich an dieser Haltung der Zentralregierung nichts grundlegend geändert. Jan Kuhlmann, dpa

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