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Irak: Darum versinkt der Irak in Gewalt

Irak

Darum versinkt der Irak in Gewalt

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    Im Irak greift eine Terrorgruppe in das Geschehen ein. Das Land versinkt immer mehr in Gewalt. Es droht ein Bürgerkrieg.
    Im Irak greift eine Terrorgruppe in das Geschehen ein. Das Land versinkt immer mehr in Gewalt. Es droht ein Bürgerkrieg. Foto: Khalil Al-a'nei, dpa

    Er hat das Unheil kommen sehen. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki fragte – nach Informationen der New York Times – bereits im Mai bei US-Präsident Barack Obama an, ob die Vereinigten Staaten nicht die Terrorgruppe „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“ (Isis) aus der Luft bekämpfen könnten.

    Doch Obama wollte sich zweieinhalb Jahre nach dem Abzug der letzten US-Kampftruppen aus dem Irak nicht erneut militärisch engagieren. Jetzt haben die Isis-Terroristen den Norden des Landes großenteils unter ihre Kontrolle gebracht und drohen mit der Eroberung der Hauptstadt Bagdad.

    Iraks Präsident Maliki vertritt die Bevölkerungsmehrheit

    Maliki hat den Schlamassel aber selbst (mit-)verursacht. Der Regierungschef agiert ungeniert als Interessenvertreter der schiitischen Muslime. Diese leben vor allem südlich von Bagdad und stellen die Bevölkerungsmehrheit im Irak. Zu Zeiten des Diktators Saddam Hussein wurden sie, ebenso wie die Kurden, systematisch unterdrückt.

    Nach dem Sturz des Despoten als Folge der US-Intervention im Jahr 2003 wendete sich jedoch das Blatt. Seither bleiben die hauptsächlich im Nordirak beheimateten Sunniten weitgehend von der Macht ausgeschlossen. Sie haben im heutigen Irak sogar weniger Einfluss als die Kurden, deren Provinzen im Nordosten des Landes relative Autonomie genießen, und die auch den Staatspräsidenten stellen dürfen.

    Trotz Öleinnahmen leben die meisten Menschen im Irak in Armut

    Die meisten Iraker leben heute noch in Armut, obwohl das Land über beträchtliche Öleinnahmen verfügt. Aber die Regierung Maliki hat sich als unfähig erwiesen, die sozialen Bedingungen zu verbessern und Reformen umzusetzen. Damit gewann sie auch keine Akzeptanz außerhalb ihrer schiitischen Wählergruppe. Und sie konnte vor allem kein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Irakern schaffen.

    War unter dem brutalen Regime des Saddam Hussein noch jede Opposition unterdrückt worden, so schuf der Einmarsch der Amerikaner unbeabsichtigt Freiraum für Terroristen. Keine irakische Regierung konnte seither die Uhr wieder zurückdrehen. Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus waren nie von langer Dauer.

    Die brutalste sunnitische Gruppe, die sich dem Kampf gegen die „Besatzer“ und gegen die Schiiten verschrieb, war „Al-Kaida im Irak“. Ihr Anführer Abu Mussab al-Sarkawi, ein in Jordanien geborener Palästinenser, ließ sich sogar dabei filmen, wie er einer Geisel eigenhändig den Kopf abschlug. Auf ihn wurde ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Das wirkte. Er wurde verraten. 2006 töteten ihn die Amerikaner mit einer Bombe.

    Aus der "Al-Kaida im Irak" wurde "Isis"

    Die Terrorgruppe erholte sich jedoch von diesem Schlag. Zunächst ging aus ihr der „Islamische Staat im Irak“ (Isi) hervor. Seit 2009 ist er auch im Nachbarland aktiv und erweiterte seinen Namen um „und in Syrien“, was die Abkürzung „Isis“ ergibt. Anführer seit 2010 ist Abu Bakr al-Baghdadi. Der 43-Jährige soll aus der Nähe von Bagdad stammen, Islamwissenschaftler sein und vier Jahre im US-Gefangenenlager „Camp Bucca“ im Südirak verbracht haben.

    Im Unterschied zu Sarkawi gibt es von ihm keine Videoauftritte. Oberstes Prinzip der Terrorgruppe ist Effektivität: Isis erpresst „Steuern“ von Geschäftsleuten in ihrem Einflussbereich. Und strebt die Bildung eines länderübergreifenden sunnitisch-islamischen Staates („Kalifat“) an, in dem das islamische Recht der Scharia in besonders rigider Form gilt – eine neue Dimension des Terrorismus.

    Terrorgruppe dominiert Teile des Iraks und Syriens

    Aufschlussreich ist das Vorgehen von Isis in Syrien. Die Gruppe brachte Städte unter ihre Kontrolle, nachdem sie von Rebellen erobert worden waren. „Als die syrischen Aufständischen merkten, dass Baghdadi weniger am Kampf gegen Assad interessiert war als an der Schaffung eines eigenen Herrschaftsbereichs, war es zu spät“, berichtet der Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung aus Beirut. Inzwischen dominiert die Terrorgruppe Teile Syriens und des Iraks von Aleppo bis kurz vor Bagdad.

    Ob sie stark genug ist, um die irakische Hauptstadt einzunehmen und vor allem zu halten, ist allerdings fraglich. Entsprechende Ankündigungen können auch als im Orient übliche Übertreibungen gewertet werden (siehe Saddams „Mutter aller Schlachten“, die niemals stattfand).

    Dem Irak droht ein Bürgerkrieg

    Die schlecht organisierte irakische Armee, deren Einheiten auch nach Religionszugehörigkeit zusammengestellt sind, hat sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Die nördlichen Städte Mossul und Tikrit wurden kampflos geräumt. Die für die Erdölförderung wichtige Stadt Kirkuk übergaben die Streitkräfte an kampfstärkere kurdische Milizen („Peschmerga“), die dem Isis Widerstand leisten wollen.

    Inzwischen ist eine Gegenoffensive der Regierungstruppen in Gang gekommen, Isis-Stellungen wurden bombardiert. Dem geschundenen Irak droht jetzt ein Bürgerkrieg.

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