Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Interview: Volker Bouffier: Der CDU-Parteitag „war keine Inszenierung“

Interview

Volker Bouffier: Der CDU-Parteitag „war keine Inszenierung“

    • |
    Applaus, Applaus: Auch Volker Bouffier stimmte in den Parteitagsjubel für die Kanzlerin ein.
    Applaus, Applaus: Auch Volker Bouffier stimmte in den Parteitagsjubel für die Kanzlerin ein. Foto: Boris Roessler, dpa

    Herr Bouffier, die CDU will keine Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen festlegen. Wann ist für Sie die Grenze der Belastbarkeit erreicht?

    Bouffier: Die ist dann erreicht, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, die Menschen, die zu uns kommen, menschenwürdig unterzubringen. Und sie ist auch dann erreicht, wenn die aufnehmende Gesellschaft sich so überfordert fühlt, dass sie nicht mehr bereit ist, sich anzustrengen. Deshalb halte ich auch die Diskussion über eine Obergrenze für Unfug. Ich bin kein Freund solcher Zifferndebatten. Für mich ist neben den nackten Zahlen entscheidend, wer da zu uns kommt. Wie gut ist jemand ausgebildet? Ist er oder sie bereit, Deutsch zu lernen, oder spricht er oder sie wenigstens Englisch? In den vergangenen Monaten waren wir schon durch die schiere Zahl an Flüchtlingen stark gefordert. Wir haben in Hessen im Schnitt jede Nacht 1000 Leute aufgenommen, da ist es die erste Aufgabe, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Das ist uns gelungen, die schwierigste Arbeit aber steht uns erst noch bevor: Wir müssen aus Flüchtlingen Mitbürger machen.

    Hat die Kanzlerin sich mit diesem Parteitag nur Zeit gekauft oder hat die CDU endgültig ihren Frieden mit ihrer liberalen Asylpolitik gemacht?

    Bouffier: Was wir am Montag erlebt haben, war keine Inszenierung. Und mit Sicherheit hat hier auch der Parteitag der SPD eine Rolle gespielt – man kann das nicht getrennt voneinander sehen. Die Sozialdemokraten haben ihrem Vorsitzenden alles Mögliche mit auf den Weg gegeben, nur keine Ermutigung. Unsere Delegierten aber denken da anders. Sie haben gezeigt, dass die CDU hinter ihrer Vorsitzenden steht. Nun aber kommt es darauf an, dass ihre Politik auch Wirkung zeigt. Der Satz, nach dem die Flüchtlingszahlen spürbar zurückgehen müssen, ist keine Parteitagslyrik. Er ist sehr ernst gemeint.

    Was passiert eigentlich, wenn die Flüchtlingszahlen nicht sinken? Was müssen wir uns denn unter den „wirksamen Maßnahmen“ vorstellen, die Sie am Montag beschlossen haben?

    Bouffier: Unverzichtbar ist für mich ein wirksamer Schutz der europäischen Außengrenzen. Wir werden innerhalb Europas unsere Grenzen nur offenhalten können, wenn wir an den Rändern der EU kontrollieren, ob jemand zu uns kommen kann oder nicht. Wer diese Grenzen nicht schützt, wird erfahrungsgemäß bald an ganz andere Grenzen stoßen.

    Heißt das, im Falle eines Falles auch die Grenzen zu schließen, wie es die Schweden gerade unter großen Schmerzen getan haben?

    Bouffier: Das kann niemand mit Sinn und Verstand ausschließen – aber eigentlich möchte ich das nicht. Was passiert denn, wenn die Schweden Flüchtlinge an ihrer Grenze abweisen? Dann bleiben sie in Dänemark oder sie kommen zurück zu uns nach Deutschland. Solche Regelungen gehen immer zulasten anderer Staaten, damit lösen wir keines unserer Probleme. Auch deshalb ist eine europäische Lösung, wie Angela Merkel sie anstrebt, die bessere. Möglicherweise müssen wir uns hier auch noch deutlich stärker engagieren. Es ist eine Schande, dass Flüchtlinge in den Lagern in der Türkei nicht einmal genug zu essen bekommen. Und mir hat bis heute niemand erklären können, warum Türken und Griechen im Mittelmeer nicht in der Lage sind, Schlepper und Schleuser aufzuhalten.

    Im Moment steht Deutschland mit seiner Forderung, die Flüchtlinge gerecht auf die einzelnen Mitgliedsländer der EU zu verteilen, ziemlich alleine da. Warum sollen andere Staaten uns aus der Patsche helfen?

    Bouffier: Natürlich wird das schwierig, aber wir müssen es wenigstens versuchen. Von Bismarck stammt der schöne Satz, nach dem Staaten keine Freunde haben, sondern nur Interessen. Ich halte wenig davon, auf Parteitagen andere markig zu beschimpfen. Ich plädiere dafür, diese Interessen jetzt im Europäischen Rat oder in ähnlichen Konferenzen auszuloten. Die Länder, die sich jetzt noch weigern, werden irgendwann auch wieder unsere Hilfe benötigen. Man sieht sich immer zweimal im Leben. Wenn wir jetzt anfangen, unsere Probleme nur noch national zu lösen, stärken wir nur die Kräfte in Europa, die schon lange alleine auf die nationale Karte setzen.

    Im März hat die CDU drei wichtige Landtagswahlen zu bestehen. Müssen die Flüchtlingszahlen bis dahin signifikant sinken?

    Bouffier: Das ist das, was wir anstreben. Ich bin da zuversichtlich, aber ich bin auch kein Hellseher.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden