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Interview: Union und SPD stürzen ab: Welche Fehler haben die Volksparteien gemacht?

Interview

Union und SPD stürzen ab: Welche Fehler haben die Volksparteien gemacht?

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    Im Gespräch mit Manfred Güllner - der Meinungsforscher hält Horst Seehofers Taktik für gescheitert und kritisiert Martin Schulz.
    Im Gespräch mit Manfred Güllner - der Meinungsforscher hält Horst Seehofers Taktik für gescheitert und kritisiert Martin Schulz. Foto: Martin Gerten, dpa (Archiv)

    Alle vier Jahre das Gleiche: Nach der ersten Hochrechnung fragen sich SPD-Politiker, warum die Partei wieder eine Bundestagswahl verloren hat. Droht die Bedeutungslosigkeit?

    Manfred Güllner: Die Situation ist schon dramatisch. Allein zwischen 1998 und 2009 hat die Partei 50 Prozent ihrer Wähler verloren – ein Sturz von rund 20 auf zehn Millionen Wähler. Jetzt sind es nur noch 9,5 Millionen.

    Sie haben schon im Wahlkampf kritisiert, dass die SPD zu stark auf das Thema Gerechtigkeit setzt.

    Güllner: Wann immer die SPD voll auf das Thema soziale Gerechtigkeit und Umverteilung setzt, verliert sie die Wahlen. Die Partei hat diejenigen verloren, denen sie vor Jahrzehnten geholfen hat, nach oben zu kommen: Facharbeiter, höhere Angestellte, aber auch Selbstständige. Die Leute, die früher die Kanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gewählt haben, sind weg.

    Sind diese Schichten endgültig verloren?

    Güllner: Nein. Immer wenn wir fragen, ob die SPD nicht überflüssig ist, sagt eine Mehrheit, dass Deutschland eine solche Partei braucht. Viele würden sie wählen, wenn die SPD es ihnen nicht so schwer machen würde. Martin Schulz wurde überschätzt. Einfach immer nur zu sagen, „Ich bin einer von Euch“ und den Menschen tief in die Augen zu schauen, das reicht nicht aus.

    War es klug von Schulz, nach der Prognose um 18 Uhr zu erklären, die Große Koalition nicht fortzuführen?

    Güllner: Nein. Es hat mich gestört, dass Schulz nach der Wahl in der SPD-Zentrale ausgerechnet in dem Moment frenetisch gefeiert wurde, als er sagte, die SPD würde für die Große Koalition definitiv nicht zur Verfügung stellen. So etwas muss man doch erst einmal ausloten.

    Nun haben die Wähler auch der CDU in Scharen den Rücken gekehrt. Liegt das nicht daran, dass rechts von der Union zuviel Platz entstanden ist?

    Güllner: Dass Merkel durch ihre ,Sozialdemokratisierung’ der CDU für das Vakuum am rechten Rand verantwortlich ist, ist eine Unterstellung. Die Zahlen bewiesen, dass das bürgerliche Lager aus Union und FDP seit 20 Jahren stabil bei gut 20 Millionen Wählern steht – das hat sich trotz des Aufkommens der AfD auch bei dieser Wahl nicht geändert.

    Noch dramatischer hat es die CSU erwischt. Hat Horst Seehofer taktische Fehler gemacht?

    Güllner: Auf jeden Fall. Nirgendwo außerhalb der neuen Bundesländer hat die AfD derartige Zuwächse wie in Bayern. Die Taktik der CSU, selber rechte Themen zu besetzen, um die AfD – eine in weiten Teilen rechtsradikalen Bewegung also – klein zu halten, ist gescheitert.

    In der CSU sieht man das ganz anders. Aus München kommt die Forderung, in Zukunft alles daranzusetzen, die rechte Flanke dichtzumachen.

    Güllner: Das ist absolut falsch. Die Analyse der Wahlen zeigt seit vielen Jahren, dass die Menschen dann lieber gleich das Original – in diesem Fall die AfD – wählen. Wenn man versucht, eine solche Rechtspartei noch zu übertrumpfen, muss das schief gehen.

    Was wäre, wenn Seehofer tatsächlich eines Tages die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU kündigen würde?

    Güllner: Auch diese Andeutung Seehofers war unklug. Denn wir wissen aus unseren Befragungen, dass es in Bayern auch viele Menschen gibt, die lieber CDU als CSU wählen würden.

    Müssen wir uns an die AfD als fester Bestandteil der Parteienlandschaft gewöhnen?

    Güllner: Auf jeden Fall wird die AfD jetzt viel Geld bekommen. Damit könnte sie einen größeren, professionellen Partei-Apparat aufbauen. Andererseits zeigt die Geschichte der Bundesrepublik, dass sich rechte und rechtsradikale Parteien durch interne Konflikte früher oder später immer selber zerlegt haben.

    Jetzt läuft alles auf Jamaika zu. Glauben Sie an ein Bündnis zwischen Union, FDP und Grünen?

    Güllner: Die Verhandlungen werden sicher nicht einfach. Andererseits hat ja auch kaum jemand für möglich gehalten, dass die in Hessen traditionell konservative CDU mit den Grünen eine funktionierende Regierung bilden könnte. Immerhin scheint es ja so, dass die Grünen grundsätzlich bereit sind für Jamaika. Die FDP ist etwas zögerlicher, wird aber in die Verhandlungen einsteigen.

    Könnte die Sache am Ende an der CSU scheitern?

    Güllner: Zumindest scheint es aktuell so, dass die Vorbehalte in der CSU recht groß sind.

    Kann sich die SPD verweigern, wenn sich der Jamaika-Traum in Rauch auflöst?

    Güllner: Wenn sich die SPD dann sperrt, wird es für sie noch schwieriger. Drohen Neuwahlen, müsste sie Verantwortung zeigen und mit der Union verhandeln.

    Manfred Güllner (65) ist einer der bekanntesten deutschen Demoskopen. Der gebürtige Remscheider (Nordrhein-Westfalen) gründete 1984 das Meinungsforschungsinstitut Forsa.

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