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Interview: Uli Hoeneß könnte straffrei ausgehen

Interview

Uli Hoeneß könnte straffrei ausgehen

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    Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.
    Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Foto: Miguel Villagran/Archiv (dpa)

    Der Steuerrechts-Professor Thomas Koblenzer lehrt an der Universität Siegen und betreibt Rechtsanwaltskanzleien in Düsseldorf und Zürich. Der 45-jährige Jurist gilt als Experte für Ermittlungen gegen deutsche Besitzer von Nummernkonten in der Schweiz. Im Interview unserer Zeitung spricht er über die Chancen und Risiken des ins Zwielicht geratenen FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß in dessen Strafverfahren.

    Warum hängt das Schicksal von Uli Hoeneß an der Prüfung seiner Selbstanzeige?

    Koblenzer: Eine Selbstanzeige ist nur dann strafbefreiend wirksam, wenn der Betroffene damit erstens in vollem Umfang absolut alles offenlegt, was er dem Finanzamt bislang verschwiegen hat, und er zweitens noch nicht von den Behörden entdeckt wurde. In letzterem Punkt hat der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung verschärft: Wenn die Finanzbehörden bereits Anhaltspunkte haben, die zwangsläufig zur Entdeckung führen, verliert die Selbstanzeige ihre strafbefreiende Wirkung und hilft nicht mehr.

    Könnten die Behörden Uli Hoeneß vielleicht schon auf der Spur gewesen sein?

    Zitate von und zu Uli Hoeneß

    «Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern.» (Uli Hoeneß 2005 in einem Interview der «Bild»-Zeitung)

    «Wenn die Unternehmer alle in die Schweiz gehen, ist auch keinem geholfen. Mit einer Reichensteuer geht es dem kleinen Mann kein Stück besser.» (Hoeneß 2009 in der ZDF-Talkshow «Maybrit Illner»)

    «In den vergangenen 20 Jahren sind in der Finanzwelt Menschen am Werk gewesen, die einen katastrophalen Job gemacht haben. Uns wurde vorgegaukelt, dass viele Finanzprodukte so unglaublich wichtig seien. Dabei hatten diese nur ein Ziel: die Taschen gewisser Leute voll zu machen.» (Hoeneß 2012 in der Zeitung «Die Welt»)

    «Unsere Spieler kicken schon jetzt eine Halbzeit fürs Finanzamt, da kommen wir nicht weiter, wenn man 60 oder 70 Prozent nimmt.» (Hoeneß 2012 in der ARD-Talkshow «Günther Jauch»)

    «Wenn früher eine Mark in der Kasse meiner Eltern fehlte, haben wir sie auf dem Boden gesucht. Die Stimmung beim Weihnachtsfest hing entscheidend davon ab, wie gut wir vorher verkauft hatten.» (Hoeneß im Februar 2011 im «Hamburger Abendblatt»)

    «Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muss man auch mal zufrieden sein.» (Hoeneß 2011 im Magazin «Brand Eins»)

    «Die Finanzwelt zeigt keine Bereitschaft, zur Volkswirtschaft beizutragen. Eine Krankenschwester trägt mehr zur Volkswirtschaft bei als ein Spekulant. Wenn ich sehe, dass Optionsscheine für Reis steigen, sage ich zu meiner Frau: 'Das bedeutet, dass Menschen hungern müssen, weil sie sich keinen Reis mehr kaufen können.'» (Hoeneß 2011 im Magazin «Brand Eins»)

    «Ich habe für mein Schweinefleisch fünf verschiedene Lieferanten. Ich rufe an, lasse mir die Preise geben und kaufe dann. Für was aber brauchen Banker Schweinebäuche?» (Wurstfabrikant Hoeneß über Spekulationsgeschäfte von Banken)

    «Es ist vielleicht langweilig, aber es soll uns nie schlechter gehen als jetzt. Das ist mein Wunsch. Ich muss nicht nach Hawaii oder auf die Malediven. Wenn ich irgendwann mal Lust dazu habe, werde ich das machen. Aber das ist nicht mein Lebenstraum.» (Hoeneß Anfang 2012 vor seinem 60. Geburtstag)

    «Ich bin kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher.» (Hoeneß 2010 vor einem Auftritt als Gastredner bei der CSU-Vorstandsklausur)

    «Ich habe mit meiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten. Und bei der Gelegenheit habe ich festgestellt, dass man damit bei der Bundeskanzlerin landen kann. Sie will Leute, die querdenken. Sie will Leute, die ihr nicht nach dem Mund reden. Deswegen bin ich Fan von Merkel!» (Hoeneß über Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel)

    «Uli ist der Vater Teresa vom Tegernsee, der Nelson Mandela von der Säbener Straße und die Mutter aller Manager.» (Vorstandschef Rummenigge in seiner Festrede zum 60. Geburtstag von Hoeneß)

    «Franz Beckenbauer hat einmal gesagt, wir alle müssen dem FC Bayern dienen. Uli Hoeneß war immer der größte Diener des FC Bayern.» (Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge 2009 über Hoeneß)

    «Er ist, glaub ich, schon als Manager auf die Welt gekommen.» (Franz Beckenbauer 2009 über Uli Hoeneß)

    Koblenzer: Im Fall Hoeneß spricht alles, was bislang durchgesickert ist, dafür, dass eine Entdeckung nicht vorlag. Spannend ist aber die Frage, ob Hoeneß’ Name auf einer Steuer-CD aufgetaucht ist. Nach bisheriger Rechtsauffassung in der Judikatur wäre die Selbstanzeige aber so lange noch wirksam, solange die Steuerfahnder noch keinen Datenabgleich von CD-Daten mit Steuerdaten des Betroffenen durchgeführt haben.

    Befreit eine Selbstanzeige selbst bei Millionen hinterzogener Steuern vor Strafe? Wann droht Gefängnis?

    Koblenzer: Mit einer korrekten, vollständigen Selbstanzeige und Begleichung aller Forderungen erreicht man unabhängig von der Höhe der hinterzogenen Summe absolute Straffreiheit. Bei besonders hohen Summen fällt aber ein zusätzlicher Strafzins von fünf Prozent an. Erfüllt die Selbstanzeige aber nicht die nötigen Voraussetzungen, kommt ein Urteil des Bundesgerichtshofs ins Spiel, der bei Steuerhinterziehung in Millionenbereichen zwingend eine Freiheitsstrafe fordert.

    Viele deuten die angebliche Hausdurchsuchung bei Hoeneß als Hinweis dafür, dass die Staatsanwaltschaft die Selbstanzeige nicht für ausreichend hält und dem Bayern-München-Präsidenten tatsächlich eine Haftstrafe droht ...

    Koblenzer: Die Hausdurchsuchung spricht möglicherweise dafür, dass die Finanzverwaltung den Verdacht hegt, dass Hoeneß vielleicht nicht alles nachdeklariert haben könnte. Doch das heißt nicht zwangsläufig, dass sie wirklich einen konkreten Hinweis für diesen Verdacht hat. Die Finanzverwaltung eröffnet immer nach einer Selbstanzeige ein Strafverfahren gegen den Betroffenen, um eine Strafbefreiung zu prüfen. Ein Motiv für die Hausdurchsuchung könnte auch sein, dass die Staatsanwaltschaft sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, in einem prominenten Fall weniger streng zu ermitteln. Das heißt aber nicht, dass etwas gegen die Selbstanzeige spricht.

    Ist der Fall Hoeneß ein Beispiel für den Erfolg des Ankaufs von Steuer-CDs?

    Koblenzer: Den Ankauf von Steuer-CDs halte ich für einen der größten Skandale in der Bundesrepublik. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht den Ankauf von Steuer-CDs legitimiert, sondern unter bestimmten Bedingungen Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit illegal erworbenen Daten. Doch nicht nur der Ankauf, sondern auch die Auswertung der Steuer-CDs ist rechtswidrig: Sie entspricht einer Art Rasterfahndung, die zum Zwecke der Steuerfahndung unzulässig ist. Selbst der Präsident des höchsten deutschen Finanzgerichts, des Bundesfinanzhofs, hat hier massive Bedenken geäußert. Das Problem ist, dass diese Bedenken in der öffentlichen Diskussion kein Gehör finden.

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