Herr Jesse, bei der Demonstration gegen die Corona-Auflagen ist es am Samstag in Berlin zur massiven Missachtung von Hygieneregeln gekommen. Was waren das Ihrer Einschätzung nach für Leute, die da marschiert sind?
Eckhard Jesse: Bei den Demonstranten handelt es sich um eine "bunte Mischung" von Menschen, denen die Schutzmaßnahmen nicht einleuchten. Die große Mehrheit der Demonstranten hat mit Extremismus nichts zu tun, wenngleich das Misstrauen gegenüber dem Staat und Medien in den letzten Jahren gewachsen ist.
Auch Rechtsextreme und Reichsbürger haben demonstriert. Wie kommt es zu dieser großen Bandbreite?
Jesse: Zu dieser großen Bandbreite kommt es, weil viele Bürger aus gewisser Leichtsinnigkeit heraus den Eindruck haben, die Schutzmaßnahmen seien angesichts der zurzeit nicht besorgniserregenden Lage in Deutschland unnötig. In den Ländern, in denen die Auswirkungen von Covid-19 stärker sind, gibt es weniger Demonstrationen.
Wie sehr buhlen Extremisten um die "Normalbürger" unter den Teilnehmern?
Jesse: Extremisten versuchen immer auf "fahrende Züge" aufzuspringen. Wenn Kritiker sich auf Extremisten fixieren, nimmt die Skepsis von "Normalbürgern" gegenüber den Schutzvorkehrungen zu.
Wie gefährlich ist das? Droht eine Radikalisierung in größerem Umfang?
Jesse: Sollte eine "zweite Welle" kommen, ist eine Radikalisierung der Demonstrationen unwahrscheinlich. Sollte der Staat prinzipiell Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen untersagen, könnte größerer Unmut entstehen, den sich Extremisten zunutze zu machen versuchen.
Sehen Sie Möglichkeiten, die Gruppe der offenbar von ja durchaus nachvollziehbaren Sorgen bezüglich Corona geplagten Bürger "zurückzuholen"?
Jesse: Wer die Demonstranten pauschal als "Covidioten" bezeichnet, erreicht das Gegenteil des Gewünschten. Und wer von den Kritikern "Black lives matter"-Demonstranten, die das Abstandsgebot nicht einhalten, positiv sieht, misst mit zweierlei Maß. Abgestufte Maßnahmen tragen am ehesten dazu bei, dass Bürger Einsicht zeigen.
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