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Interview: Piratenpartei-Chef: "Den Grünen droht ein ähnliches Schicksal wie uns"

Interview

Piratenpartei-Chef: "Den Grünen droht ein ähnliches Schicksal wie uns"

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    Piratenpartei-Vorsitzender Sebastian Alscher glaubt daran, dass die Grünen auch so erfolgreich sind, weil sie geduldig waren. So will er seine Partei auch zurück zum Erfolg führen.
    Piratenpartei-Vorsitzender Sebastian Alscher glaubt daran, dass die Grünen auch so erfolgreich sind, weil sie geduldig waren. So will er seine Partei auch zurück zum Erfolg führen. Foto: CC BY-SA 4.0 von fluxka

    Herr Alscher, Union und SPD verloren zuletzt massiv an Zustimmung bei den Wählern. Davon profitieren vor allem die Grünen. Warum kann die Piratenpartei keinen Nutzen daraus ziehen?

    Sebastian Alscher: Durch das von den USA aufgekündigte Klimaabkommen und Dieselfahrverbote, nicht zuletzt durch die "Fridays for Future"-Bewegung, dominieren die Grünen ein gewisses Narrativ. Gerade durch die Diesel-Debatte sind Menschen direkt vom Thema Klimaschutz betroffen, wie von alleine haben Nachhaltigkeit und Umweltschutz an Relevanz gewonnen.

    Sie haben in Ihrem Blog geschrieben, hinter dem Höhenflug der Grünen stecke weder Zauberei noch "besondere politische Cleverness". Sie können also nichts für die Beliebtheit?

    Alscher: Die Grünen profitieren jetzt davon, geduldig an ihren Standpunkten festgehalten zu haben, auch als sie in den Umfragen nur bei fünf bis zehn Prozent lagen. Dass sie angesichts der aktuellen Debatten so beliebt sind, ist ein natürlicher Vorgang. An ihrer Politik haben sie ja seit Jahrzehnten eigentlich nichts verändert. Sie haben außerdem offensichtlich die richtigen Entscheidungen getroffen, als sie sich mit Robert Habeck personell neu aufgestellt haben.

    Die Piratenpartei dagegen scheint von der Klimadebatte weniger zu profitieren...

    Alscher: Wir haben, auch aufgrund unserer begrenzten Ressourcen, entschieden, nicht auf diesen Nachhaltigkeits-Zug aufzuspringen. Natürlich sind wir vom Altersschnitt her eine der jüngsten Parteien, schon alleine deshalb ist uns die Klimapolitik wichtig und wir haben ein Konzept dafür. Aber das ist nicht unser Kernthema.

    ... das liegt eindeutig im digitalen Bereich. Gerade die Debatten über Uploadfilter und Urheberrecht hätten Ihnen doch bei der Europawahl in die Karten spielen müssen.

    Alscher: Aus meiner Sicht ist die Europawahl für uns erfolgreich verlaufen, wir haben unseren Sitz im Parlament verteidigt und knapp zehn Prozent neue Parteimitglieder gewonnen. Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit dominieren den digitalen Wandel, denn da ist die gefühlte Betroffenheit noch nicht so groß. Wir sind da aber entspannt, das Thema wird uns irgendwann genauso überrollen wie jetzt die Klimapolitik.

    Warum gelingt es der Piratenpartei nicht, diese Themen oder die eigene Politik mehr in die Öffentlichkeit zu rücken?

    Alscher: Es fällt uns nicht mehr so leicht wie früher, mediale Reichweite zu erlangen und Themen zu platzieren. Heute bekommen Parteien wie die AfD mehr Raum in den Zeitungen, über die lassen sich bessere Geschichten erzählen. Wir haben nicht mehr den Charakter einer Protestpartei, wie wir sie noch vor einigen Jahren waren.

    Vermutlich trifft es die Piratenpartei auch, dass bekannte Gesichter wie Julia Reda oder Marina Weisband die Partei inzwischen verlassen haben.

    Alscher: Dass diese ehemaligen Piraten noch im Gedächtnis der Öffentlichkeit geblieben sind, macht deutlich, dass sie gute Arbeit geleistet haben. Und hinter ihrer Leistung stand immer auch unsere Partei. Früher haben wir auf den Spruch "Themen statt Köpfe" gesetzt. Mittlerweile haben wir gelernt, dass wir bekannte Personen brauchen, um in der Öffentlichkeit stattzufinden.

    Julia Reda war Europaabgeordnete der Piratenpartei. Mit einem Paukenschlag zog sie sich vor der Europawahl 2019 zurück.
    Julia Reda war Europaabgeordnete der Piratenpartei. Mit einem Paukenschlag zog sie sich vor der Europawahl 2019 zurück. Foto: Ondrej Deml, imago (Archiv)

    Im Jahr 2012 erlebte die Piratenpartei einen Höhenflug, Umfragen sahen Ihre Partei bundesweit bei mehr als zehn Prozent Zustimmung. Warum konnten Sie den Hype nicht aufrechterhalten?

    Alscher: Bei uns sammelten sich Menschen mit verschiedensten Ansichten. Wir mussten uns erst einmal finden und uns gemeinsam auf Themen festlegen. Alle Meinungen zu vereinen, ist da zwangsläufig unmöglich, also sind einige Anhänger wieder abgesprungen.

    Wird der Höhenflug bei den Grünen anders laufen?

    Alscher: Ich tue mich schwer damit, deren Situation mit unserer zu vergleichen. Schon alleine beim Alter der Parteien gibt es riesige Unterschiede. Ihnen blüht aber ein ähnliches Schicksal wie uns damals. Andere Parteien werden versuchen, die Themen der Grünen zu übernehmen. Das Risiko sehe ich durchaus.

    Die Piratenpartei ist mittlerweile in keinem Landtag mehr vertreten. Ist eine zeitnahe Rückkehr ein realistisches Ziel?

    Alscher: Früher oder später rückt die digitale Wende in das Bewusstsein der Menschen, dann wollen wir als gestaltende Kraft mit dabei sein. Man darf nicht vergessen, dass wir in vielen kommunalen Gremien vertreten sind und unsere Leute die Politik von ganz unten mitgestalten. Wir wollen auf lange Sicht natürlich zurück in die Parlamente. Aber wir wissen auch, dass wir unsere Konzepte und Ziele verständlicher darstellen müssen, um das zu schaffen. In unserer Zeit in den Landtagen haben wir viel gelernt - unter anderem, dass es nicht reicht, nur gute Arbeit zu machen. Man muss sie auch in der Öffentlichkeit gut verkaufen.

    Zur Person Sebastian Alscher ist seit November 2018 Bundesvorsitzender der Piratenpartei. Der 42-Jährige hat BWL und IT-Sicherheit studiert und ist Geschäftsführer eines IT-Unternehmens.

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