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Interview: Lkw-Überholverbot: Das Problem Elefantenrennen kommt aus Osteuropa

Interview

Lkw-Überholverbot: Das Problem Elefantenrennen kommt aus Osteuropa

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    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lässt derzeit ein generelles LKW-Überholverbot prüfen.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lässt derzeit ein generelles LKW-Überholverbot prüfen. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn

    Herr Treffer, Sie sind Geschäftsführer beim Gersthofer Logistikunternehmen Andreas Schmid Logistik im Bereich Spedition und Transport. Sehen Sie als Autofahrer einen überholenden Lastwagen mit anderen Augen?

    Helmut Treffer: Es kommt darauf an. Auf einer zweispurigen Autobahn ärgere ich mich wie jeder andere Autofahrer über das Elefantenrennen zweier Lkw. Auf einer dreispurigen Fahrbahn stört mich das aber weniger, dann fahre ich einfach auf der linken Spur vorbei.

    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lässt ein generelles Lkw-Überholverbot prüfen. Können Sie eine solche Maßnahme nachvollziehen?

    Treffer: Wenn ein Lkw minutenlang eine Fahrbahn blockiert, weil er nur geringfügig schneller als ein anderer fährt, ist das nicht in Ordnung. Ein generelles Überholverbot halte ich jedoch für eine polemische und auch nicht sinnvolle Forderung. Sollte ein solches Verbot kommen, müsste es flächendeckend kontrolliert werden. Das ist aus meiner Sicht in der Praxis nicht möglich.

    Überholverbot für Lkw: Theoretisch sollten alle gleich schnell fahren können

    Stimmt es, dass Lkw-Fahrer einen so großen Termindruck haben, dass sie gezwungen sind, selbst nur fünf Stundenkilometer langsamere Fahrzeuge zu überholen?

    Das Problem Rettungsgasse: Wie sie funktioniert

    Vorwurf: Nach einem Unfall hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein „völlig unverantwortliches Verhalten“ mancher Autofahrer im Stau beklagt. Sie hätten es damit den Rettern erschwert, zur Unglücksstelle zu kommen. Nach einem Unfall sei „sofort eine Rettungsgasse zu bilden – und zwar so, dass ein Lkw durchkommen kann“, sagte er.

    Strafe: Autofahrer sind verpflichtet, schon bei stockendem Verkehr eine Rettungsgasse zu bilden. Wer sich nicht daran hält, dem droht ein Bußgeld von 20 Euro. Laut „Saarbrücker Zeitung“ wollen die Bundesländer erreichen, dass die Strafe künftig gestaffelt zwischen 105 und 165 Euro beträgt. Das Bundesverkehrsministerium plane Bußgelder bis maximal 115 Euro.

    Prinzip: Die Rettungsgasse geht so: Auf zweispurigen Straßen fahren Autos auf der linken Spur an den linken Fahrbahnrand, Fahrzeuge auf der rechten Spur an den rechten Rand. Auf dreispurigen Autobahnen muss die Gasse zwischen der linken und der mittleren Spur gebildet werden.

    Berechtigung: Die Rettungsgasse darf nur von Hilfsfahrzeugen mit Martinshorn und Blaulicht oder ähnlichen Lichtzeichen genutzt werden, also Rettungsdiensten, Feuerwehr, Polizei oder Abschleppdiensten. (dpa, AZ)

    Treffer: Rein rechnerisch würde sich das lohnen, wenn die Fahrer konstant durchfahren würden. In der Praxis sieht es jedoch anders aus. Das kennt jeder, der in den Urlaub fährt und an einer Raststätte fünf Minuten Pause macht. Dann fahren alle, die man zuvor überholt hat, wieder an einem vorbei. Bedeutet: Pausen und andere Verzögerungen kosten deutlich mehr Zeit als fünf Stundenkilometer langsamer zu fahren. Das ist nicht das Wesentliche für uns.

    Warum überholen dann so viele Lastwagen auf der Autobahn?

    Treffer: Theoretisch sollten alle Lkw in der Regel nicht schneller als knapp über 80 Stundenkilometer fahren können, weil der Motor dann automatisch abriegelt. Darauf achten wir genau, denn das wird in Deutschland kontrolliert und ist aus wirtschaftlicher Sicht wichtig. Fährt ein Lkw mit 90 statt mit 80 Stundenkilometer, steigt der Sprit-Verbrauch exponentiell an. Das Problem ist: Vielen Fahrzeugen aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa, fehlt eine solche Begrenzung. Offenbar nehmen es manche Spediteure und Behörden dort nicht so genau mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dann fährt ein Lkw schon mal 95 oder 100 Stundenkilometer. Dieses Phänomen muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass laut einer aktuellen Erhebung 42 Prozent der Lkw auf deutschen Autobahnen aus dem Ausland kommen.

    Ausländische Lkw mit zu wenig PS: "Diese Zeiten sind vorbei"

    Es heißt, gerade ausländische Lkw müssen am Berg wieder überholt werden, weil sie zu wenig PS haben.

    Treffer: Das war einmal in den 90ern und 2000ern so. Aber diese Zeiten sind vorbei. Mittlerweile sind selbst in Osteuropa die meisten Fahrzeuge auf dem technisch neuesten Stand und fahren mit 500 PS.

    Welche Lösung gibt es aus Ihrer Sicht?

    Treffer: Temporäre Überholverbote, so wie es sie auf einigen Autobahnen bereits gibt, können durchaus Sinn machen. Aber wir bräuchten ein intelligentes Verkehrsleitsystem, das auf den aktuellen Verkehr reagieren kann. Wenn zur Rush-Hour die Straßen voll sind, gibt es ein Überholverbot. Beruhigt sich der Verkehr, kann es wieder aufgehoben werden. Außerdem müssen Spediteure Termine grundsätzlich so planen, dass sie mit normaler Geschwindigkeit einzuhalten sind.

    Lesen Sie auch: Bayern braucht ein Überholverbot für Lastwagen

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