Herr Kubicki, Sie haben für die FDP zusammen mit Robert Habeck als damaligen Grünen-Landeschef die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein 2017 ausverhandelt Schon damals trafen sich zunächst nur Grüne und FDP zu Vorsondierungen, ob eine Koalition mit der Union oder der SPD für die Kieler Landesregierung in Frage kommt.. Inwieweit sind Ihre damaligen Verhandlungen ein Vorbild für die heutige Situation im Bund?
Wolfgang Kubicki: In Schleswig-Holstein war sowohl eine Ampel möglich als auch eine Jamaika-Koalition. Die Grünen hatten damals zuvor mit den Sozialdemokraten regiert, weshalb es für sie ein besonders weiter Weg nach Jamaika war. Es machte deshalb vieles leichter, vorher nicht nur vertraulich miteinander zu reden, sondern auch Vertrauen in diesen Gesprächen aufzubauen.
Was gab damals den Ausschlag für das Jamaika-Bündnis?
Kubicki: Den Ausschlag gab zum Schluss die Tatsache, dass wir bei den nachfolgenden Gesprächen im Dreierformat mit der Union eine für die Grünen akzeptable Grundlage für fünf Jahre Regierungspolitik schaffen konnten. Sowohl die Grünen, als auch wir von der FDP, fanden sich am Ende sehr deutlich im Koalitionsvertrag wieder. Auch wenn es hin und wieder ein bisschen ruckelt, funktioniert die Jamaika-Koalition bis heute sehr gut. Das liegt auch daran, dass es zwischen den handelnden Personen auch persönlich stimmt.
Wie wichtig ist der persönliche Faktor?
Kubicki: Man braucht bei so einem Dreierbündnis die Grundlage, dass niemand in dieser Konstellation versucht, den anderen auszutricksen. Keinem darf etwas zugemutet werden, was er nicht einhalten kann, ohne sein Gesicht zu verlieren. Keiner darf an den Rand gedrückt werden.
Wie haben Sie Herrn Habeck als Verhandlungspartner in Erinnerung?
Kubicki: Als die Jamaika-Gespräche 2017 in Schleswig-Holstein begonnen haben, kannten wir uns schon aus der gemeinsamen parlamentarischen Arbeit und wir mochten uns einfach auch. Wir kennen uns schon seit er 2004 in Schleswig-Holstein Landesvorsitzender wurde. Es gab immer ein Grundvertrauen und das ist die Voraussetzung dafür, dass man auch schwierige Sachverhalte ansprechen und versuchen kann, Lösungen zu finden. Robert Habeck ist ein Typ, der zunächst einmal die Position, die er für richtig hält, einfach offen auf den Tisch legt. Doch er sagt nicht, das sei nun unabwendbare Bedingung, sondern er fragt: Was ist Eure Position dazu? Dann legt man seine eigene Position auf den Tisch. Und dann fragt Habeck: Was können wir jetzt machen, um das zusammenzuführen, sodass sich alle wiederfinden und es nicht wie ein fauler Kompromiss aussieht. Ihm ist es wichtig, dass alle die ganze Kreativität darauf verwenden, wie man Brücken bauen kann und nicht die Gräben vertieft. Er ist ein sehr pragmatischer Mensch. Man sollte ihn nicht unterschätzen. Man kann mit ihm zu Lösungen kommen, an die keiner zuvor gedacht hat.
Das klingt, als sei er geradezu ein Erfolgsgarant für die jetzt anstehenden Verhandlungen…
Kubicki: Das entscheiden die Grünen, wie sie ihre Verhandlungsdelegation besetzen. Wenn Robert Habeck die grüne Verhandlungsdelegation führt, bin ich mir nahezu sicher, dass es zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann. Für ihn gibt es zwar ideologische Gräben, aber es geht ihm auch darum, einen Weg über diese Gräben zu finden.
Gab es vorher schon vor dem Wahlabend Kontakte, um das gemeinsame Vorgehen abzusprechen?
Kubicki: Damals in Schleswig-Holstein war das so. Wir kannten die meisten Umfragedaten und wussten, dass wir miteinander reden müssen. Gut eine Woche vor der Wahl gab es eine Verständigung zwischen ihm und mir. Uns war klar, dass wir uns beide weder von den Sozialdemokraten noch von der Union vorführen lassen wollten. Wir wollten beide aufpassen, dass keiner - auch der andere nicht - über den Tisch gezogen wird. Denn beide kleinen Partner sind zusammen mindestens genauso stark, wie der größere Partner. Das ist jetzt auch der Fall. Wenn einer das Gefühl hat, er wird an den Rand gedrängt oder ausgegrenzt, funktioniert eine Koalition nicht.
Also sind Sie zuversichtlich, dass es diesmal klappt und es nicht noch mal zu einer Situation kommen kann wie vor vier Jahren?
Kubicki: Die übereinstimmende Meinung von FDP und auch den Grünen ist, dass Jamaika nicht an unseren beiden Parteien gescheitert ist, sondern an der Union. Angela Merkel wollte Jamaika im Grunde nicht. Sie wollte die Große Koalition fortsetzen. Jetzt haben wir eine andere Situation, weil sie nicht mehr dabei ist. Aber man weiß nicht, ob die Union überhaupt noch mitspielen will oder sich selbst aus dem Rennen nimmt.
Die FDP ist also offen für beide Bündnisse?
Kubicki: Wir haben ja gesagt, wir reden mit allen, die uns einladen. Das sagen auch die Grünen. Eine Einladung von der Union ist noch nicht gekommen. Aber auch wenn die Union ausfallen sollte, heißt das nicht, dass die Freien Demokraten automatisch, koste es was wolle, Olaf Scholz zum Kanzler wählen.