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Interview: Klimaforscher: "Wir sehen jetzt die Vorboten des Klimawandels"

Interview

Klimaforscher: "Wir sehen jetzt die Vorboten des Klimawandels"

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    Extreme Wetterereignisse wie aktuell im Westen Deutschlands werden durch den Klimawandel häufiger.
    Extreme Wetterereignisse wie aktuell im Westen Deutschlands werden durch den Klimawandel häufiger. Foto: Harald Tittel, dpa

    Herr Professor Garschagen, der Starkregen und die dramatische Hochwasserlage etwa in der Eifel – sind das Folgen des Klimawandels?

    Matthias Garschagen: Es ist ein extremes Wetterereignis. Es ist immer schwierig, einzelne dieser Extremwetterereignisse dem Klimawandel zuzuschreiben. Was aber ganz klar ist: Phänomen wie das jetzige werden durch den Klimawandel künftig wahrscheinlicher, also potenziell häufiger auftreten. Insofern ist es ein Vorbote dessen, was wir vom Klimawandel zu erwarten haben – unabhängig von der Frage, ob das jetzige Phänomen auch ohne Klimawandel so möglich gewesen wäre. Dazu wird es in den nächsten Wochen und Monaten genauere Erkenntnisse geben.

    Mit welchem Phänomen haben wir es zu tun?

    Garschagen: In Westdeutschland wird in diesen Tagen ein sehr festsitzendes Tiefdruckgebiet, das relativ lange an einem Platz bleibt, zum Problem. In anderen Jahren hatten wir sehr stationäre Hochdruckgebiete, die große Hitze und Dürre verursacht haben. Die Klimawissenschaft ist gerade dabei, das zu verstehen. Aktuell ist die Lage so, dass fortlaufend feuchte Luft nach

    Professor Matthias Garschagen ist einer der führenden Klimaforscher Deutschlands.
    Professor Matthias Garschagen ist einer der führenden Klimaforscher Deutschlands. Foto: Garschagen, LMU

    Welche Vorboten des Klimawandels konnten Sie denn schon in Deutschland beobachten?

    Garschagen: Wir hatten in den vergangenen Jahren große Hitze, große Dürre. Wir sehen auch eine Häufung von Starkniederschlagsereignissen.

    Sind die Hitze und Brände in den USA und Kanada dem Klimawandel zuzuschreiben?

    Garschagen: Eindeutig. Das Extremwetterereignis, das wir momentan in Nordamerika beobachten, wäre ohne den Klimawandel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen. Dazu gibt es eine ganz frische Studie. Sie ist letzte Woche erschienen. Das wirklich Erschreckende ist ja, wie die Wahrscheinlichkeiten eines solchen Extremwetterereignisses mit dem Klimawandel steigen.

    Das müssen Sie erklären.

    Garschagen: Wir haben bislang über 1 Grad Erderwärmung. Ohne dieses 1 Grad Celsius Erwärmung, wäre das, was wir gerade in Nordamerika beobachten, in dieser Intensität mit aller Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen. Wenn sich die Erde auf 2 Grad erwärmt, kann das jetzige Extremereignis Nordamerikas, das statistisch gesehen einmal pro Jahrtausend auftreten kann, sehr viel häufiger auftreten, laut der Studie vielleicht sogar alle fünf bis zehn Jahre. Wir sehen bei den Eintrittswahrscheinlichkeiten also massive Veränderungen.

    Die Politik hat das Ziel von 1,5 Grad ausgegeben – darauf soll der menschengemachte Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 begrenzt werden. Halten Sie das Ziel noch für realistisch?

    Garschagen: Wir sollten auf keinen Fall den politischen Willen aufgeben, daran zu arbeiten. Wir sehen ja jetzt die Vorboten des Klimawandels, auf verschiedenen Erdteilen. Und schon der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad wäre brachial, ich habe ja eben von den Eintrittswahrscheinlichkeiten von Extremwetterereignissen gesprochen. Wir sollten tunlichst am 1,5-Grad-Ziel festhalten und alles in Bewegung setzen, Klimaschutz effektiver und beschleunigt zu betreiben. Sonst wird es sehr schwierig, im Laufe des Jahrhunderts mit den dann noch folgenreicheren Auswirkungen des Klimawandels zurechtzukommen.

    Wie könnte denn Bayern in 50 oder 100 Jahren klimatisch aussehen?

    Garschagen: Das wird stark davon abhängen, wie intensiv wir in den Klimaschutz einsteigen. Bayern hat ein großes Risiko von Hitzeperioden, deren Intensität steigen wird. Das heißt: Sie werden wärmer, sie werden länger dauern und auch ihre Wiedereintrittswahrscheinlichkeit wird steigen, sie werden also häufiger. Das Starkniederschlagsrisiko wird sich ebenfalls erhöhen, ganz massiv im Alpenvorland. Und wir werden, sozusagen zu den falschen Zeiten des Jahres, Wasserknappheit in einigen Teilen Bayerns bekommen. Das sehen wir ja jetzt schon in Teilen Nordbayerns.

    Was sagen Sie Klimawandelleugnern? Oder denjenigen, die an der menschengemachten Erderwärmung zweifeln?

    Garschagen: Es gibt beim Thema Klimawandel zum Glück eine Institution beziehungsweise einen Mechanismus, der hier sehr hilfreich ist: Im Weltklimarat wird ganz systematisch im Auftrag der Regierungen der Stand der Wissenschaft ausgewertet und bewertet. Da kommen mehrere hundert weltweit führende Forscher zusammen und tauschen sich aus. Und sie sind zu einem absolut eindeutigen Ergebnis gekommen: Das, was wir hier sehen, ist menschengemachter Klimawandel. Daran ist nicht zu rütteln. Es ist Fakt und auch keine wissenschaftliche Einzelmeinung, sondern breiter Konsens. Ich kann nur an alle appellieren, das zur Kenntnis zu nehmen.

    Zur Person

    • Matthias Garschagen ist Professor am Department Geographie der Ludwig-Maximilians-Universität München und Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen.
    • Der aus Köln stammende Wissenschaftler wurde vom IPCCals Kernautor für den Synthesebericht des aktuellen sechsten Bewertungszyklus berufen. Damit ist der Klimaforscher einer von nur zwei deutschen Experten unter den 30 Autoren und neun Review-Editoren des Berichts, der 2022 veröffentlicht werden soll.
    • Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist in Deutschland als Weltklimarat bekannt und ein Gremium der Vereinten Nationen. Der Synthesebericht gilt als wichtigste Publikation des IPCC. Er fasst den Stand der Wissenschaft in der Klimaforschung zusammen und soll den Entscheidungsfindungsprozess von politischen Entscheidungsträgern und Regierungen unterstützen.
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