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Interview: Klimaaktivistin Lea Bonasera: "Die Grünen stehen nicht an unserer Seite"

Interview

Klimaaktivistin Lea Bonasera: "Die Grünen stehen nicht an unserer Seite"

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    Durch einen Hungerstreik zwangen Klimaaktivisten Olaf Scholz zu einem Gespräch.
    Durch einen Hungerstreik zwangen Klimaaktivisten Olaf Scholz zu einem Gespräch. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Frau Bonasera, Sie und Ihre Mitstreiter sind in einen Hungerstreik getreten, um ein Treffen mit Olaf Scholz zu erzwingen. Er ist auf Ihre Forderung eingegangen. Was isst man da als Erstes, wenn so ein Hungerstreik zu Ende geht?

    Lea Bonasera: Als Olaf Scholz angerufen hat, habe ich erstmal einen Schluck Wasser getrunken. Denn am letzten Tag vor der Zusage haben wir die Maßnahme verschärft. Wir haben auch auf Wasser verzichtet. Das schien ihn unter anderem dazu bewegt zu haben, dem Treffen zuzusagen. Sechs Stunden nach der Ankündigung hat er angerufen. Danach habe ich noch einen Apfel gegessen – oder es zumindest versucht. Ich habe zuerst nur die Hälfte runtergebracht. Insgesamt hat es vier Stunden gedauert, den Apfel zu essen.

    Wie lange waren Sie im Hungerstreik?

    Bonasera: Bei mir waren es sechs Tage. Ich bin erst später eingestiegen. Andere haben bis zu 27 Tagen nichts gegessen. Ich war schockiert, dass es so lange gedauert hat, bis Olaf Scholz reagiert hat.

    Immerhin war Scholz im Wahlkampf, hatte Aufgaben als Vizekanzler und Finanzminister. Haben Sie da wirklich erwartet, dass er sofort auf Forderungen von Aktivistinnen reagiert und Zeit für ein Gespräch findet?

    Bonasera: Ich kann mir nicht vorstellen, wie anstrengend es sein muss, Wahlkampf zu führen. Den Punkt erkenne ich an. Aber trotzdem: Da sind junge Menschen, die ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, weil sie Angst vor den kommenden Jahren haben und Solidarität zeigen wollen mit jenen, die heute schon von der Klimakrise betroffen sind. Das muss die Politik doch ernst nehmen.

    Ist das nicht Erpressung, wenn Sie sagen: „Entweder ihr sprecht mit uns oder wir werden freiwillig verhungern?“

    Bonasera: Nein, diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich üben wir maximalen Druck aus, damit geltendes Recht umgesetzt wird – konkret das Recht auf Leben und auf Nahrung. Wenn das als Erpressung aufgefasst wird, könnte es daran liegen, dass wir in Deutschland keine große Protestkultur haben. Ich schreibe meine Doktorarbeit über zivilen Ungehorsam. Und den sehe ich in anderen Länder viel stärker. In den USA zum Beispiel die "Freedom Riders" oder die Initiative "Act Up".

    Der Protest scheint ja funktioniert zu haben, Scholz hat zugesagt, am 12. November konnten Sie mit dem künftigen Kanzler sprechen. Wie haben Sie das Treffen erlebt?

    Bonasera: Uns war klar, dass er seine Rolle zu spielen hat. Als Politiker und als künftiger Kanzler. Da wird man ja von allen Seiten kritisiert – egal, was man macht. Da verstehe ich, wenn man keine Angriffsfläche bieten will. Ich hatte aber das Gefühl, dass er nicht verstanden hat, wie emotional das Thema für uns ist. Wir sind verzweifelt. Er hat sich darauf nicht eingelassen.

    Die Friedrich Ebert Stiftung lud Scholz und die Aktivistinnen zum Gespräch.
    Die Friedrich Ebert Stiftung lud Scholz und die Aktivistinnen zum Gespräch. Foto: Kay Nietfeld

    Und wie bewerten Sie das Gespräch inhaltlich?

    Das Gespräch hat drei Dinge gezeigt. Erstens: Es ist ganz klar, dass Olaf Scholz kein Klimakanzler ist. Weil er nicht anerkennen kann, wie ernst die Lage ist. Zweitens: Er versteht nicht, wie schnell wir handeln müssen. Die nächsten vier Jahre sind entscheidend. Und drittens: Dass die Maßnahmen, die er vorschlägt, in eine richtige Richtung gehen, aber nicht weit genug.

    Seit dieser Woche steht der Koalitionsvertrag. Dort sind einige Klimaziele festgeschrieben: Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel, Ausstieg aus der Kohlekraft idealerweise schon 2030, auf jeden Fall sollen aber bis Ende des Jahrzehnts 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen.

    Bonasera: Bei mir kommt da ganz viel Frust hoch. Das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel bringt uns nicht weiter. Wir werden die 1,5 Grad definitiv überschreiten. Selbst wenn wir jetzt alle Emissionen stoppen. Denn die Erderwärmung tritt mit Verzögerung auf unsere Emissionen ein. Und aus der Kohle hätten wir ohnehin längst aussteigen sollen.

    Was hätten Sie sich vom Koalitionsvertrag gewünscht?

    Bonasera: Mir wird immer noch zu wenig über Landwirtschaft gesprochen. Die industrielle Landwirtschaft gehört zu den größten Verursachern von Emissionen. Gleichzeitig ist das eine Branche, die am härtesten vom Klimawandel getroffen wird – beispielsweise durch Dürre und Wegfall der Ernten.

    Nun übernehmen die Grünen das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Eine Partei, die Ihren Zielen doch grundsätzlich nähersteht.

    Bonasera: Nein. Das sagen immer alle. Aber das will ich zurückweisen. Die Grünen stehen nicht an unserer Seite. Auch die Grünen haben ein Parteiprogramm, mit dem wir die 1,5-Grad-Ziele nicht erreichen. Außerdem finde ich es nicht gut, wenn Klimaschutz immer auf die Grünen abgewälzt wird. Klimaschutz geht alle was an – auch SPD und FDP.

    Wenn Ihnen Koalitionsvertrag und Grünes Wahlprogramm nicht ausreichen, was fordern Sie?

    Bonasera: Allen voran fordern wir einen Bürger- beziehungsweise Bürgerinnenrat. Soll heißen: 100 bis 160 Menschen werden per Losverfahren ausgewählt, um repräsentativ für die gesamte deutsche Bevölkerung Empfehlungen an die Bundesregierung zur künftigen Klimapolitik in Deutschland zu entwickeln. Unterstützt werden sie von Expertinnen und Experten. Damit wollen wir erreichen, dass wir echte Klimapolitik planen und umsetzen können, ohne den störenden Einfluss von Lobbyisten. Denn große Firmen haben viel Einfluss im Parlament. Und sie verdienen Geld mit Emissionen.

    Und wenn die Politik nicht auf Ihre Forderung eingeht? Treten Sie dann in einen neuen Hungerstreik?

    Bonasera: Nein, ein Hungerstreik ist nicht geplant. Sollten unsere Forderungen nicht erfüllt werden, werden wir aber im Januar große Autobahnen und Bundesstraßen blockieren. Immer und immer wieder. Solange bis unserer Forderungen erreicht sind. Entweder die Regierung übernimmt Verantwortung und schützt unser Recht auf Nahrung oder sie muss uns wegsperren.

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