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Interview: „Juncker steht für Reformen“

Interview

„Juncker steht für Reformen“

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    Manfred Weber, eine der Brüsseler Schlüsselfiguren, sitzt seit zehn Jahren im Europäischen Parlament und ist seit Juni 2014 Vorsitzender der christdemokratischer EVP-Fraktion.
    Manfred Weber, eine der Brüsseler Schlüsselfiguren, sitzt seit zehn Jahren im Europäischen Parlament und ist seit Juni 2014 Vorsitzender der christdemokratischer EVP-Fraktion. Foto: Olivier Hoslet/dpa

    Herr Weber, heute wird Jean-Claude Juncker neuer Chef der Kommission. Warum stimmen Sie heute ausgerechnet für den Luxemburger, der doch eher für die EU der Vergangenheit steht?

    Weber: Es sind gerade seine Erfahrungen, die für ihn sprechen. Denn aufgrund dieser Erfahrungen weiß er genau, welche Herausforderungen warten. Juncker steht für eine Reformagenda, die er im Wahlkampf und vor allen Fraktionen des Europäischen Parlamentes erläutert und dabei überzeugt hat.

    Was muss Juncker ändern?

    Weber: Die Kommission muss lernen, dass sie nicht jedes Thema anpacken muss. Es geht um den Respekt vor den Mitgliedstaaten. Die wichtigste Aufgabe heißt: Wachstum schaffen. Wir müssen Millionen Menschen wieder in Arbeit bringen und die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Dafür sind stabile Haushalte notwendig und zum anderen neue Wachstumsimpulse, etwa indem man den Binnenmarkt vollendet.

    Die EU hat bereits sechs Milliarden Euro für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt. Das Geld liegt mehr oder weniger ungenutzt rum. Warum geht denn da nichts vorwärts?

    Weber: Manche Mitgliedstaaten sind bisher nicht in der Lage, die Mittel abzurufen. Das zeigt: Es geht gar nicht nur ums Geld, sondern vor allem um Strukturreformen.Damit ist vor allem die Arbeitsverwaltung gemeint, die fit gemacht werden muss, um wirkungsvoll sein zu können.

    Ist die EU zu kompliziert?

    Weber: Richtig ist, dass Europa seine Bürokratie in den Griff bekommen muss. Unsere Fraktion fordert deshalb einen eigenen Normenkontrollrat, der zukünftig jedes einzelne europäische Gesetz unter die Lupe nimmt und prüft, ob die Bürokratie damit verstärkt wird, was unterm Strich heißt, nicht effizient genug zu sein. Klar ist aber auch, dass die Masse der Gesetze, die den Arbeitsmarkt betreffen, nicht aus Brüssel, sondern von den Mitgliedstaaten selbst kommen. Wer etwas erreichen will, muss dort ansetzen. Länder, die das gemacht haben (wie Deutschland), stehen heute besser da.

    Also ist die Beschwerde des britischen Premierministers David Cameron, der die Ursachen für die Probleme auf europäischer Seite sieht, überzogen?

    Weber: Wir wären ein großes Stück weiter, wenn in Europa jeder seine Hausaufgaben machen würde.

    Soll die EU Großbritannien um jeden Preis in der Union halten?

    Weber: Ich will, dass Großbritannien in der EU bleibt. Weil das Land einen wichtigen Beitrag leistet. Die Briten stehen für Wettbewerbspolitik, für offene Handelspolitik, für schlanke staatliche Strukturen. Das alles brauchen wir. Deshalb werden wir alles tun, um Brücken zu bauen. Wobei die dortige Regierung auch verstehen muss, dass man in einer Gemeinschaft Dinge gemeinsam entscheidet und nicht einer ständig alles blockieren kann.

    Könnte ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen die Briten am Ende doch noch davon überzeugen, dabeizubleiben, weil sie sonst bei diesem großen Wirtschaftsraum vor der Türe stehen?

    Weber: Absolut. Das Signal, dass die Europäische Union mit diesem Abkommen gibt, heißt ja: Wir sind offen für einen freien, fairen und gerechten Welthandel. Da kann Großbritannien nicht vor der Türe stehen wollen.

    Die Gespräche sollen also trotz der jüngsten Belastungen um Spionage und NSA-Abhöraffäre weitergeführt werden?

    Weber: Ich will, dass verhandelt wird. Aber Washington wird verstehen müssen, dass es, wenn diese Vorfälle nicht geklärt werden, schwierig wird, Schritte in Richtung einer neuen Partnerschaft zu gehen. Die Vereinigten Staaten sollten begreifen, dass Europa das, was da geschehen ist, nicht akzeptieren wird.

    Ukraine, Nahost – es brennt derzeit wieder rund um Europa. Was muss der oder die neue Außenbeauftragte der EU auf der Weltbühne leisten?

    Weber: Die Leitschnur der europäischen Außenpolitik sind unsere Werte. Die Menschen in der Ukraine haben bei ihrer Präsidenten-Wahl gesagt: Wir wollen in einem freien, demokratischen Land leben, das sich nach Europa orientiert. In einem solchen Fall muss die EU an der Seite dieser Völker stehen. Um dabei etwas zu erreichen, ist es notwendig, noch stärker mit einer Stimme zu sprechen. Interview: Detlef Drewes

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