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Interview: Journalist Hasnain Kazim: "Ich stehe auf einer Todesliste"

Interview

Journalist Hasnain Kazim: "Ich stehe auf einer Todesliste"

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    Hasnain Kazim arbeitete 14 Jahre lang für „Spiegel“ und „Spiegel Online“. Künftig will er sich stärker seinen Buchprojekten widmen. Mit „Post von Karlheinz“ gelang ihm 2018 ein Bestseller.
    Hasnain Kazim arbeitete 14 Jahre lang für „Spiegel“ und „Spiegel Online“. Künftig will er sich stärker seinen Buchprojekten widmen. Mit „Post von Karlheinz“ gelang ihm 2018 ein Bestseller. Foto: Peter Rigaud

    Herr Kazim, Sie sind als Journalist und Buchautor immer wieder zum Ziel von Hass und Hetze geworden. Trotz vieler fremdenfeindlicher Angriffe lassen Sie sich dabei nicht in die Opferrolle drängen. Ganz im Gegenteil: Auf Facebook und Twitter schlagen Sie regelrecht zurück. Warum reagieren Sie genau auf diese Weise?

    Hasnain Kazim: Ich mag das Wort Fremdenfeindlichkeit auf mich bezogen nicht. Ich bin kein Fremder, ich bin in Deutschland geboren. Abgesehen davon lasse ich mich nicht zum Opfer machen. Ich habe gelernt, dass ich antworten muss, auch wenn ich weiß, dass ich jemanden nicht überzeugen kann. Ich weiß ja nicht, wie viele Leute im Internet mitlesen und unwidersprochene Aussagen als wahr annehmen. Im Internet geht es nicht immer darum, denjenigen zu überzeugen, mit dem man streitet, sondern das Publikum.

    Sie haben nicht nur Hassmails bekommen, sondern werden auch immer wieder bedroht.

    Kazim: Im November und Dezember habe ich fünf bis fünfzehn Morddrohungen täglich bekommen und erfahren, dass ich auf einer Todesliste stehe. Grund war meine Kritik an der AfD und ihren Wählern nach der Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober 2019.

    Wie haben Sie von der Todesliste erfahren, auf der Sie stehen?

    Kazim: Von sich aus haben mich die Sicherheitsbehörden nicht darüber informiert. Aber ich habe Kontakte in diese Bereiche und habe selbst recherchiert.

    Was können Sie gegen diese Bedrohung tun?

    Kazim: Rechtlich gibt es kaum eine Handhabe. Anzeige zu erstatten, führt zu nichts, weil die Verfasser der Hasskommentare nur selten identifiziert werden können. Die Staatsanwaltschaft stellt die Verfahren deshalb meistens ein. Und ein zivilrechtliches Verfahren, bei dem ich Schmerzensgeld einklagen könnte, wäre sehr teuer. Deshalb brauchen wir eine Regelung, nach der Listen und Beiträge im Netz gelöscht werden müssen, die das Ziel haben, Menschen zu diffamieren und zu bedrohen. Twitter und Facebook müssen gezwungen werden, stärker zu moderieren und zu blockieren.

    "Gegner der Fremdenfeindlichkeit sind laut genug"

    Sie plädieren für mehr Streit. Gleichzeitig weigern Sie sich, mit Björn Höcke – dem Partei- und Fraktionschef der Thüringer AfD und Ministerpräsidenten-Kandidaten – im Fernsehen zu diskutieren. Wie passt das zusammen?

    Kazim: Ich möchte kein schmückendes Beiwerk für Rechtsextremisten sein und bin generell der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Medien auf Interviews mit Rassisten und Rechtsextremen verzichten sollten. Nur weil jemand demokratisch gewählt wurde, ist er noch kein Demokrat.

    Was sagen Sie als Ex-Spiegel-Journalist eigentlich zum Spiegel-Titel „Der Dämokrat“, der Höcke kürzlich vor schwarzem Hintergrund zeigte?

    Kazim: Man soll Höcke keine Bühne geben. Mein Eindruck ist, dass da nicht genug nachgedacht wurde, als diese Titelentscheidung getroffen wurde.

    Nochmals zurück zur Wahl in Thüringen, nach der auch das Verhalten der CDU diskutiert wurde. Mit den Stimmen von

    Kazim: Es muss selbstverständlich sein, dass die CDU nicht mit der AfD kooperiert. Kanzlerin Merkel steht dafür, aber andere sehen das anders. Es war ein gutes Zeichen, dass ein großer Aufschrei durchs Land ging, nachdem in Thüringen mit AfD-Stimmen ein Ministerpräsident gewählt wurde. Es funktioniert also, dass Gegner der Fremdenfeindlichkeit laut genug sind.

    Hasnain Kazim: "Wir dürfen nicht schweigen"

    Wie aber soll man mit AfD-Wählern umgehen?

    Kazim: Man muss mit allen reden, aber nicht auf der Bühne – sondern persönlich, um herauszufinden, ob eine Chance besteht, sie in den Kreis der Zivilisierten zurückzuholen. Guter Streit setzt voraus, dass man einander zuhört. Grundvoraussetzung ist, dass man bereit ist, die eigene Position aufzugeben, wenn die Argumente des anderen besser sind. Bei vielen AfD-Anhängern habe ich den Eindruck, dass sie dazu leider nicht bereit sind.

    Sie wollen künftig nicht nur als Journalist arbeiten, sondern auch in Schulen und auf Lesereisen für mehr Streitkultur werben.

    Kazim: Wir dürfen nicht schweigen, sondern brauchen Zivilcourage. Wenn man Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit begegnet, darf man nicht wegschauen, sondern muss dagegen auftreten. Das ist eine Frage der Erziehung, die auch vielen Erwachsenen fehlt. Wenn ich in Schulen gehe, treffe ich die Menschen, die unsere Gesellschaft von morgen prägen. Es ist wichtig, gerade Schülerinnen und Schüler für dieses Thema zu gewinnen. Es ist wichtig, auf seine Sprache zu achten, denn Worte haben Wirkung, wie man auch an dem Terror von Hanau sieht. Wenn man ständig Dinge hört, die Rechtsextremisten von sich geben, übrigens auch im Deutschen Bundestag, glauben Leute irgendwann, es sei schon irgendwie in Ordnung, Menschen zu ermorden. Das ist es aber nie.

    Hasnain Kazim wurde 1974 in Oldenburg als Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer geboren. Nach dem Politikstudium schlug er die Laufbahn eines Marineoffiziers ein. Später wechselte er in den Journalismus und arbeitete zunächst unter anderem für „Stader Tageblatt“, „Heilbronner Stimme“ und „Deutsche Presse-Agentur“. Von 2006 an war er bei „Spiegel Online“ und „Der Spiegel“ – als Redakteur sowie als Korrespondent in Islamabad, Istanbul und Wien.

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