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Interview: Jörg Meuthen - der AfD-Chef und seine schwarzen Schafe

Interview

Jörg Meuthen - der AfD-Chef und seine schwarzen Schafe

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    Bei seinem Auftritt in Neusäß schien Jörg Meuthen mit sich im Reinen zu sein. In seinem baden-württembergischen Landesverband geht es allerdings drunter und drüber.
    Bei seinem Auftritt in Neusäß schien Jörg Meuthen mit sich im Reinen zu sein. In seinem baden-württembergischen Landesverband geht es allerdings drunter und drüber. Foto: Marcus Merk

    Sind Sie froh, dass die Fußball-EM vorbei ist?

    Meuthen: Das ist mir relativ egal. Ich habe schon spannendere Fußballspiele erlebt.

    Spannend war immerhin, was der eine oder andere AfD-Politiker so zur Nationalmannschaft zu sagen hatte, die angeblich nicht deutsch genug sei.

    Meuthen: Ach, daher weht der Wind. Ich weiß jedenfalls, wer Boateng ist. Also sind das Fettnäpfchen, in die ich selbst nicht getappt wäre. Die Diskussionen darum halte ich im Übrigen für Firlefanz.

    Doch wieder mal wird die öffentliche Wahrnehmung der AfD von nur vier, fünf Leuten bestimmt, die sich zumindest seltsam verhalten, oder?

    Meuthen: Jetzt drehe ich den Spieß mal um und stelle selber eine Frage: Wer sind denn diese Leute?

    Frauke Petry, Beatrix von Storch, Alexander Gauland, Björn Höcke und Jörg Meuthen. Sie sind der Einzige in der Reihe, der nicht dauernd mit verbalen Eigentoren auffällt.

    Meuthen: Vielleicht versemmle ich ja jetzt dieses Interview. Im Ernst: Über den einen oder anderen misslungenen Satz ist man natürlich nicht erfreut. Das macht nur Arbeit.

    In Baden-Württemberg haben Sie nun selbst einen Skandal am Hals. Sie wollten den Abgeordneten Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen aus der AfD-Fraktion werfen, haben aber nicht die erforderliche Mehrheit bekommen. Dass sich dann auch noch Frauke Petry ungefragt eingemischt hat, dürfte Sie wahnsinnig gefreut haben...

    Meuthen: Mir war wichtig, dass es sich um eine baden-württembergische Angelegenheit handelt, die auch im Land geklärt werden sollte. Und das war ja auch mein Konflikt mit Frau Petry, den ich gar nicht unter den Tisch kehren will. Aber wir haben das ausgeräumt.

    Dass wir Journalisten angesichts des offenen Streits einen Machtkampf vermuten, werden Sie verstehen?

    Meuthen: Aber ich muss es deswegen nicht für richtig halten. Wenn es mehrere Leute an der Spitze gibt, darf es auch Meinungsverschiedenheiten geben.

    AfD will keine kleine Splittergruppe sein

    Wenn diese Köpfe an der Spitze aber so verschieden ticken, woher soll man wissen, wofür die AfD wirklich steht?

    Meuthen: Wir wollen keine kleine Splittergruppe sein, sondern eine Volkspartei, die ein großes Spektrum abdeckt. Schauen Sie doch mal andere Volksparteien an, zum Beispiel die CDU: Da vertritt der Arbeitnehmerflügel genau die gegenteilige Position wie der Wirtschaftsrat der Partei.

    Aber alle Flügel der CDU distanzieren sich klar von extremistischen Positionen. Das kann man von der AfD nicht behaupten. Stehen Sie auch für die AfD von Björn Höcke?

    Meuthen: Ich kann auch als Bundessprecher nicht alle Positionen aller führenden Köpfe meiner Partei teilen. Es gibt Aussagen von Herrn Höcke, die ich dezidiert nicht teile.

    Wenn er auf Kundgebungen „1000 Jahre Deutschland“ brüllt oder behauptet, in Berlin würden alle Kinder nur noch „Kanaksprach“ reden?

    Meuthen: Man kann natürlich darüber streiten, ob das politisch geschickt war. Wenn man aber weiß, dass „Kanaksprach“ ein wissenschaftlicher Begriff ist, dann ist das gar nicht mehr so dramatisch.

    Aber es ist doch offensichtlich, dass Höcke damit Vorurteile schüren will und genau weiß, dass seine Zuhörer in Erfurt überhaupt nicht einordnen können, ob das nun ein wissenschaftlicher Begriff ist oder nicht. Sie gelten als bürgerliches Gesicht der Partei, warum distanzieren Sie sich nicht ganz klar von solchen Auftritten?

    Meuthen: Ich grätsche schon immer wieder rein. Als Herr Höcke von der Evolution, vom afrikanischen Ausbreitungstypen und dem europäischen Platzhaltertypen geredet hat, war ich der Erste, der vorgeprescht ist und öffentlich gesagt hat, dass das überhaupt nicht geht.

    Nicht hinter allem steckt eine Strategie, sagt Meuthen

    Aber so läuft es ja oft bei der AfD: Einer haut einen Spruch raus, der andere relativiert alles wieder ein bisschen...

    Meuthen: Wissen Sie, was ich lustig finde? Dass uns dabei immer Methode unterstellt wird. Aber dahinter steckt keine Strategie, sondern Spontanverhalten.

    Sie haben selbst gesagt, die AfD werde sich entweder glaubhaft von jeder Form des Extremismus distanzieren oder untergehen. Nur handeln Sie auch danach?

    Meuthen: An der Causa Gedeon können Sie sehen, dass ich eine klare Grenze gezogen habe.

    Nach Lesart der AfD gibt es ja nur ein paar solcher schwarzer Schafe in der Partei. Dann hätte es doch ganz leicht sein müssen, Gedeon rauszuwerfen. Aber neun von 22 Fraktionsmitgliedern haben Ihnen die Gefolgschaft verweigert. Wie passt das zusammen?

    Meuthen: Ja, das ist ärgerlich. Aber trotzdem war eine Mehrheit von Beginn an klar für den Ausschluss.

    Meuthens Aufgabe sei es, Abgleiten der AfD in Extremismus zu verhindern

    Sollte sich die AfD nicht von extremistischen Positionen lösen, treten Sie dann aus?

    Meuthen: Ich werde mit Sicherheit nicht mein Gesicht für eine Partei hergeben, die in den Extremismus abgleitet. Meine Aufgabe ist, genau das zu verhindern. Wenn das misslingt, ist der Zeitpunkt gekommen, um nach Hause zu gehen. Ich sehe das aber nicht misslingen.

    Sie haben beim Parteitag gegen das „moralisch verkommene links-rot-grün versiffte 68er-Deutschland“ gewettert. Was haben Sie damit gemeint?

    Meuthen: Die Befreiung von nationalsozialistischem Gedankengut ist ein Verdienst der 68er. Aber über die Jahrzehnte sind auch konservative Werte verloren gegangen. Das Land ist tief sozialdemokratisiert und frei von Patriotismus, den ich streng abtrenne von Nationalismus. Wir erleben vollkommene Beliebigkeit.

    Flankiert durch die „Lügenpresse“?

    Meuthen: Den Begriff Lügenpresse haben Sie von mir noch nie gehört, denn ich halte ihn für Quatsch. Im Übrigen war „versifft“ natürlich ein polemisches Wort, zu dem ich mich da habe hinreißen lassen. Aber das hat einen Nerv getroffen.

    Die AfD teilt ja auch gerne gegen die EU aus. Ihre Kollegin von Storch hat über den Brexit geweint – vor Freude. Waren Sie auch so begeistert?

    Meuthen: Ich neige nicht zu solch euphorischen Ausbrüchen. Man kann den Brexit als Fehler sehen, aber auch als Chance, die EU wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Denn eine Politik, deren Ziel die Vereinigten Staaten von Europa sind, lehnt die große Mehrheit der Bürger ab.

    Würden Sie die Deutschen auch abstimmen lassen, über den…

    Meuthen: ... Dexit. Ja, ich würde sie abstimmen lassen. Ich würde aber nicht für den EU-Austritt werben.

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