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Interview: "In Jerusalem schlägt Israels Herz" - Regierung fürchtet Welle der Gewalt

Interview

"In Jerusalem schlägt Israels Herz" - Regierung fürchtet Welle der Gewalt

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    US-Präsident Donald Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen.
    US-Präsident Donald Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Foto: Oded Balilty/AP/dpa

    Herr Shalicar, Sie arbeiten als Abteilungsleiter für internationale Beziehungen für die israelische Regierung. Was ändert sich, wenn die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen? Gefühlt ist sie seit 3000 Jahren die Hauptstadt der Juden.

    Arye Sharuz Shalicar: Diese Entscheidung hat für jeden Juden einen hohen Symbolwert. Aber natürlich hoffen wir, dass dadurch ein Domino-Effekt entsteht und andere Länder dem Beispiel der USA folgen und ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen. Eine solche neue Einigkeit könnte auch die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern wieder voranbringen.

    Im Moment sieht es eher nach dem Gegenteil aus. Es hagelt weltweit Kritik an Trumps Kurs.

    Shalicar: Der Friedensprozess stockt seit Jahren. Das liegt in erster Linie an den Palästinensern, die mindestens drei Mal die Chance hatten, Ja zu sagen und jedes Mal Nein gesagt haben. Jerusalem war schon immer die Hauptstadt des jüdischen Volkes, und wenn wir ehrlich sind, dann sind im Nahen Osten nicht mehr die Palästinenser das Problem, sie werden irgendwann einsehen, dass sie mit Israel an ihrer Seite leben müssen. Das Problem ist der Iran.

    Etliche israelische Ministerien sitzen ohnehin in Tel Aviv. Warum nicht alles belassen, wie es ist?

    Shalicar: Ich arbeite selbst in Jerusalem, das Parlament hat seinen Sitz hier, das Außenministerium und auch der Oberste Gerichtshof. Hier schlägt, wenn man so will, das Herz Israels.

    Die Palästinenser drohen mit einem neuerlichen Aufstand. Droht Israel nun eine neue Welle der Gewalt?

    Shalicar: Gewalt ist keine Lösung, das sagt selbst ihr Anführer Mahmud Abbas. Trotzdem fürchte ich, dass wir unsere Sicherheitsmaßnahmen verschärfen müssen, wenn die Palästinenser sich wieder für den Weg des Terrors und nicht den Weg der Verhandlungen entscheiden.

    Kann Jerusalem auch die Hauptstadt zweier Staaten sein, des israelischen und eines palästinensischen?

    Sieht Palästinenser in der Pflicht: Arye Sharzu Shalicar.
    Sieht Palästinenser in der Pflicht: Arye Sharzu Shalicar. Foto: Maurizio Gambarini, dpa

    Shalicar: Theoretisch ja, praktisch ist das nicht so einfach. In den Friedensverträgen, zu denen die Palästinenser immer Nein gesagt haben, war auch eine Teilung Jerusalems vorgesehen. Auch das haben sie unter dem Druck der Straße abgelehnt. Einen Friedensvertrag zu unterschreiben – das hieße ja, das Existenzrecht Israels anzuerkennen.

    Wenn es stimmt, dass der Friedensprozess mit dem Status von Jerusalem steht und fällt: Was bezweckt Trump dann mit seiner Entscheidung?

    Shalicar: Ich war gerade in Washington und habe dort den Eindruck gewonnen, dass die USA hinter den Kulissen vor allem mit Saudi-Arabien und Jordanien, aber auch mit anderen arabischen Staaten reden. Sie richten ihren Fokus nicht mehr so sehr auf die Palästinenser wie die Europäer, sondern auf die Region insgesamt.

    Zur Person: Arye Sharuz Shalicar ist als Sohn iranischer Juden in Berlin aufgewachsen und 2001 nach Israel ausgewandert. Dort war der studierte Politologe unter anderem acht Jahre Sprecher der Armee.

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