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Interview: Horst Seehofer: "Einreiseverbot zum Schutz der Bevölkerung absolut notwendig"

Interview

Horst Seehofer: "Einreiseverbot zum Schutz der Bevölkerung absolut notwendig"

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    Auf nicht zwingend nötige Auslandsreisen zu verzichten ist nach Ansicht von Horst Seehofer in dieser schwierigen Zeit „Bürgerpflicht“.
    Auf nicht zwingend nötige Auslandsreisen zu verzichten ist nach Ansicht von Horst Seehofer in dieser schwierigen Zeit „Bürgerpflicht“. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Herr Seehofer, die Bundesregierung will Einreisen aus Ländern unterbinden, in denen sich gefährliche Mutationen des Coronavirus verbreiten. Geht das so einfach?

    Horst Seehofer: Ja, das geht. Wir haben dafür eine Rechtsgrundlage. Das Beförderungsverbot ist eine drastische Maßnahme, aber es ist zum Schutz unserer Bevölkerung absolut notwendig. Es geht um die Abwehr von hoch infektiösen, mutierten Viren. Wir können nicht der Bevölkerung in Deutschland auf der einen Seite große Einschränkungen zumuten, um die Neuinfektionen zu reduzieren, und auf der anderen Seite ein hoch infektiöses Virus ungehindert ins Land lassen.

    Ab wann sollen die Einreisebeschränkungen gelten?

    Seehofer: Wir haben die Regelung in der Bundesregierung jetzt beschlossen. Die Verordnung tritt an diesem Samstag in Kraft.

    Wer darf noch rein und wer nicht?

    Seehofer: Im Grundsatz darf aus Ländern, in denen Virus-Mutationen festgestellt wurden, kaum noch jemand einreisen. Es gibt nur ganz eng begrenzte Ausnahmen, zum Beispiel für Deutsche und für Menschen, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Außerdem gelten Ausnahmen für den Warenverkehr. Für die wenigen Ausnahmefälle gilt aber: Sie müssen bei Einreise ein negatives Testergebnis vorweisen und dann in Quarantäne.

    Also ein Lastwagen aus Großbritannien mit einer Ladung Impfstoff von AstraZeneca würde ins Land gelassen?

    Seehofer: Ja, selbstverständlich. Der Waren- und Lieferverkehr muss laufen. Aber auch dieser Lastwagen wird kontrolliert und der Fahrer muss einen Test machen.

    Wie wollen Sie das kontrollieren?

    Seehofer: Wir haben es innerhalb Europas vorerst mit Ländern zu tun – aktuell Portugal, Großbritannien und Irland –, die nicht unmittelbar an unserer Grenze liegen. Es geht also zunächst hauptsächlich um die Kontrolle des Luft- und Seeverkehrs. Das obliegt den Polizeien in den Ländern und der Bundespolizei. An den EU-Binnengrenzen werden wir die Schleierfahndung deutlich intensivieren. Wer einreist, muss damit rechnen, in eine Kontrolle zu geraten. Wer bei einer Grenzkontrolle einreisen will, ohne unter eine Ausnahmeerlaubnis zu fallen, muss zurückkehren.

    Können Bundesbürger noch in „Mutationsgebiete“, also zum Beispiel nach Irland oder Portugal reisen, ohne dabei die Sorge haben zu müssen, nicht mehr nach Deutschland reinzukommen?

    Seehofer: Im Moment kann ich nur dringend an die Bevölkerung appellieren, jede nicht zwingend notwendige Reise ins Ausland unbedingt zu unterlassen. Ich sehe das in dieser schwierigen Zeit sogar als Bürgerpflicht. Jetzt ohne wirklich zwingenden Grund in Mutationsgebiete zu reisen, das muss ich deutlich sagen, wäre geradezu töricht. Ich denke auch, dass so ein Fall kaum vorkommen wird, weil sich der überwältigende Teil der Bevölkerung sehr verantwortungsvoll verhält.

    Können Sie sich ein generelles Reiseverbot für alle Bundesbürger vorstellen? Bundeskanzlerin Merkel kann das ja offenbar.

    Seehofer: Für ein generelles Ausreiseverbot sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen sehr hoch. Im Moment konzentrieren wir uns auf Einreisen aus Ländern mit Virusmutationen.

    Geschäftsreisende, die mit dem Auto unterwegs sind, und Lastwagenfahrer können also weiterhin ungehindert hin und her.

    Seehofer: Im Moment geht es uns zunächst um die direkten Reiseverbindungen aus Portugal, Irland, Großbritannien, Südafrika oder Brasilien. Wir beobachten aber auch das Gesamtgeschehen weiterhin sehr aufmerksam. Der Fall, dass ein grenznahes Gebiet zu einem Mutationsgebiet wird, kann eintreten. Auch in einem solchen Fall gelten dann die Reisebeschränkungen. Und für die genannten Ausnahmefälle gilt dann, was jetzt schon an der Grenze zu Gebieten mit hohen Inzidenzwerten praktiziert wird: Testpflicht und Quarantäne. Bayern praktiziert das ja bereits.

    Soll es ein generelles Verbot des Flugverkehrs zwischen Deutschland und den Risikoländern Großbritannien, Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien geben?

    Seehofer: Ab morgen gilt ein Beförderungsverbot. Das heißt: Aus Mutationsgebieten dürfen keine Personen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert werden, weder mit Flugzeug oder Schiff noch mit Bus oder Bahn. Es sei denn, die genannten, ganz eng begrenzten Ausnahmefälle liegen vor.

    Noch einmal zu Portugal und Irland. Beide Länder gehören zum Schengen-Raum. Wie lassen sich unter diesen Umständen Einreisen überhaupt verhindern?

    Seehofer: Ich gehe davon aus, dass ein Portugiese schon an der spanischen Grenze gestoppt wird, zumal Portugal ebenfalls bereits Reisebeschränkungen verhängt hat. Ich bin davon überzeugt, dass noch viele Länder ähnlich handeln werden. Schließlich haben alle Länder ein Interesse, ihre Bevölkerung zu schützen. Noch besser wäre es natürlich, die Europäische Union regelte das für alle einheitlich.

    Wenn die Mutationen so gefährlich sind, wie alle annehmen, warum konnte dann keine europäische Regelung erreicht werden?

    Seehofer: Diese Frage stellt sich bei vielen EU-Angelegenheiten. Das ist schade. Die großen Fragen sollten wir eigentlich im Rahmen der EU für alle gemeinsam lösen.

    Andersrum gefragt: Wie kommt ein nationaler Alleingang bei unseren Partnerländern in der EU an?

    Seehofer: Wir sind nicht allein. Trotzdem: Das Kanzleramt und die gesamte Regierung haben da viele Gespräche geführt. Eine einheitliche Regelung wäre besser. Aber wir müssen zum Schutz unserer Bevölkerung schnell handeln. Und andere Länder werden unserem Beispiel folgen.

    Frau Merkel hat gesagt, die Situation sei „uns entglitten“. Sehen Sie das auch so?

    Seehofer: Ich habe mit ihr über diesen Satz gesprochen. Da war aber die Situation im vergangenen Oktober gemeint, als die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin sich zunächst nicht einigen konnten. Die Bundeskanzlerin hat damals gesagt, wir sehen uns in einigen Wochen wieder. Genau das ist dann eingetreten. Mittlerweile aber zeigen uns die Zahlen, dass die Corona-Maßnahmen wirken.

    Frau Merkel glaubt auch, dass es unter Umständen auch im Frühjahr oder Sommer keine Entspannung geben könnte. Was denken Sie?

    Seehofer: Ich bin immer sehr zurückhaltend, wenn es um Prognosen geht. Im Moment kann niemand seriös beurteilen, wie es Mitte Februar weitergeht. Aber eines kann man nach allen Erfahrungen bei der Infektionsbekämpfung sagen: Man wird auch nach einem Lockdown nicht sofort und vollständig zu normalen Verhältnissen zurückkehren können. Das wird nur stufenweise möglich sein. Andernfalls droht ein Rückfall in die dritte Welle.

    Noch eine Frage an Sie als früheren Gesundheitsminister: Wer hat denn aus Ihrer Sicht das Durcheinander bei den Impfungen zu verantworten?

    Seehofer: Man kann in der Tat die Frage stellen, ob die EU früh genug ausreichenden Impfstoff bestellt hat. Diese Frage ist aus meiner Sicht noch nicht zweifelsfrei geklärt. Sie muss aber geklärt werden. Die Probleme, die es in Deutschland mit der Organisation der Impfungen noch gibt, kann man mit der nötigen Professionalität überwinden. Doch lassen Sie uns jetzt nach vorne schauen, wir haben noch viel zu tun.

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