Herr Müller, die wirtschaftliche Supermacht China erhält Entwicklungshilfe aus Deutschland. Wie ist das zu erklären?
Gerd Müller: Das stimmt so nicht. Die klassische Entwicklungszusammenarbeit haben wir schon seit Jahren beendet. Einige Vorhaben wurden für mehrere Jahre vereinbart, zum Beispiel für die nachhaltige Waldbewirtschaftung. Diese Projekte laufen derzeit aus. Ansonsten hat das Entwicklungsministerium China im letzten Jahr lediglich fünf Millionen Euro für die Zusammenarbeit zu mehr Rechtstaatlichkeit bereitgestellt.
Wieso ist dann China bei der Liste der Entwicklungshilfeempfänger auf Platz 3?
Müller: Bei den Leistungen handelt es sich überwiegend um Kredite der KfW zu marktüblichen Konditionen - ohne Gelder aus dem Bundeshaushalt. China muss diese Kredite mit Zinsen zurückzahlen.
Warum braucht China die Kredite überhaupt?
Müller: Weil wir damit gezielt Investitionen deutscher Unternehmen, etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien anstoßen. China hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich enorm entwickelt - oft zu Lasten von Umwelt und Klima. Die Auswirkungen werden wir auch in Deutschland zu spüren bekommen. Der Klimaschutz ist längst eine Überlebensfrage der Menschheit. Und die Zukunft unseres Klimas entscheidet sich auch in China oder Indien, ob hunderte Millionen Menschen dort Energie auf der Basis von Kohle und Öl nutzen oder aus erneuerbaren Ressourcen. Seit 1990 ist der CO2-Ausstoß um 300 Prozent gestiegen. In Deutschland ist er um 27 Prozent gesunken. Wenn es uns ernst ist mit dem Klimaschutz, dann kommen wir an China nicht vorbei.
Dennoch: Sollte Entwicklungshilfe nicht den Ärmsten der Armen helfen?
Müller: Die Überwindung von Hunger und Armut weltweit ist und bleibt Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Deswegen haben wir die Mittel für Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung deutlich auf über vier Milliarden Euro pro Jahr erhöht. Unter den Ländern mit den höchsten Zusagen sind sieben der am wenigsten entwickelten Länder: Äthiopien, Burkina Faso, Mali, Niger, Uganda, Ruanda und Afghanistan. Kredite für China stehen dabei in keinerlei Konkurrenz zu diesen Mitteln für die ärmsten Staaten.
Das heißt: keine klassische Entwicklungshilfe für China, aber strategische Zusammenarbeit bei den großen Zukunftsthemen?
Müller: Ja, China ist längst vom Empfänger zum Geber geworden. Das sehe ich in Afrika auf jeder Reise. Es ist gut, dass sich China in Afrika engagiert. Aber entscheidend ist, dass sich China dem Prinzip der Nachhaltigkeit bei Investitionen verpflichtet. Wir haben dazu einen Dialog begonnen und in Peking ein gemeinsames Zentrum für nachhaltige Entwicklung eröffnet. In Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, wurde die größte Hängebrücke Afrikas gebaut. Die Bauüberwachung hat ein deutsches Ingenieursbüro übernommen, die Finanzierung kam von den Chinesen. Das zeigt, wie die Zusammenarbeit funktionieren kann.
Ist China nicht ein Konkurrent gerade in Afrika?
Müller: Wir dürfen nicht blauäugig sein. China geht es zu häufig noch um die Ressourcen Afrikas. Nicht darum, Wertschöpfung vor Ort zu schaffen und den Menschen faire Löhne zu zahlen. Deutschland geht hier einen anderen Weg: Wir setzen auf echte Partnerschaft und Nachhaltigkeit. Unsere Zusammenarbeit basiert auf Werten wie guter Regierungsführung, Einhaltung der Menschrechte und den Kampf gegen Korruption. Hier erwarten wir klare Fortschritte von unseren Partnern. Wer diesen Weg mit uns geht, den unterstützen wir verstärkt.