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Interview: Friedrich Merz kritisiert Angela Merkel für langwierigen Abschied aus der Politik

Interview

Friedrich Merz kritisiert Angela Merkel für langwierigen Abschied aus der Politik

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    Friedrich Merz kandidiert nach vielen Jahren wieder für den Bundestag.
    Friedrich Merz kandidiert nach vielen Jahren wieder für den Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Herr Merz, Ihr Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet versucht im Wahlkampf den Neustart. Wie sehen Sie Ihre Rolle in den noch verbleibenden Tagen bis zur Wahl?

    Friedrich Merz: An meiner Rolle ändert sich nichts. Ich bin etwa je zur Hälfte in meinem eigenen Wahlkreis und außerhalb aktiv. Ich unterstütze Armin Laschet und das gesamte Team der Union dabei, diese Bundestagswahl zu gewinnen.

    Die Union hat das Modernisierungsjahrzehnt ausgerufen, man fragt sich aber, warum es nicht mit konkreten Themen unterfüttert ist?

    Merz: Ich teile Ihre Analyse nicht. Wir setzen Themen und verbinden sie miteinander. Wir verknüpfen das Thema Digitalisierung mit dem Thema Klimaschutz. Wir verbinden den Ansatz stabiler Haushalte mit erfolgreicher Wirtschaftspolitik. Wir verbinden die Themen Deutschland und Europa und weisen darauf hin, dass wir die einzige der drei um die Kanzlerschaft konkurrierenden Parteien sind, die an den Maastricht-Kriterien und an einem stabilen Euro festhalten will.

    Die CDU-Politiker Friedrich Merz (l) kämpft um ein Bundestagsmandat - und für seinen Parteivorsitzenden Armin Laschet.
    Die CDU-Politiker Friedrich Merz (l) kämpft um ein Bundestagsmandat - und für seinen Parteivorsitzenden Armin Laschet. Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Gleichwohl tröpfelt der Wahlkampf. Wann kommt die Abteilung Attacke?

    Merz: Ich bin in dieser Abteilung schon seit längerer Zeit unterwegs und werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass wir mit Olaf Scholz einen Kanzlerkandidaten der SPD haben, der als Bundesfinanzminister gleichzeitig in drei veritable Finanzskandale verstrickt ist und jede politische Verantwortung dafür von sich weist. Und jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft auch noch gegen seinen Staatssekretär Wolfgang Schmidt. Das bietet doch genug Munition für die Abteilung Attacke.

    Es gab massive Kritik an der Wahlkampfführung der Union. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem Schlafwagenwahlkampf. Wann beginnt die Union mit der Eigenanalyse?

    Merz: Ich bin im Wahlkampf und konzentriere mich auf den übernächsten Sonntag 18.00 Uhr. Denn erst dann ist das Rennen gelaufen.

    Aber intern hat die Aufarbeitung doch schon begonnen? Etwa mit der Frage, ob ein demontierter Laschet noch Koalitionsverhandlungen führen könnte.

    Merz: Ach wissen Sie, ich lese auch mit einigem Erstaunen, dass der eine oder andere schon dabei ist, Aufgaben zu verteilen. Daran beteilige ich mich nicht.

    Sind Sie, der Sie Kritiker von Angela Merkel sind, überrascht davon, dass das Erbe der Kanzlerin von allen Kandidaten so stark betont wird?

    Merz: Wir hatten bisher nur Wahlen, bei denen ein amtierender Kanzler wieder kandidiert hat. Da konnten sich die Wähler am Amtsinhaber abarbeiten und eine Entscheidung treffen. Diesmal ist die Lage anders.

    Und zwar?

    Merz: Die Union hat auf den Amtsbonus eines Nachfolgers von Angela Merkel verzichtet und deswegen gehen wir jetzt in dieser historisch einmaligen Formation in die Bundestagswahl. Das hat Vor- und Nachteile, aber die Frage ist entschieden.

    Wäre es für sie besser gewesen, wenn Angela Merkel früher von der politischen Weltbühne abgetreten wäre? Friedrich Merz will es zumindest nicht ausschließen.
    Wäre es für sie besser gewesen, wenn Angela Merkel früher von der politischen Weltbühne abgetreten wäre? Friedrich Merz will es zumindest nicht ausschließen. Foto: Henning Schacht

    Die Union hatte so viel Zeit, sich auf eine Nachfolge von Frau Merkel einzustellen. Stattdessen war und ist viel Durcheinander in der Partei. Das ist der Nachteil. Aber wo sehen Sie einen Vorteil?

    Merz: Der Vorteil ist, dass wir mit dem Wort Modernisierungsjahrzehnt sagen können: Es war nicht alles schlecht, aber für die Zukunft müssen wir noch besser werden. Darin liegt der Vorteil eines Personalwechsels. Aber zugegeben, das ist ein Experiment. Das hat es in Deutschland nur einmal gegeben, nämlich 1949, als wir noch gar keinen Amtsinhaber haben konnten. Deswegen betreten wir hier politisch sicherlich auch Neuland.

    Wird Frau Merkel globalpolitisch vermisst werden?

    Merz: Ja und Nein. Das wäre sicherlich bei einem Abschied 2017 spürbarer gewesen als 2021. Wenn ich die internationale Presse lese, dann habe ich nicht das Gefühl, dass da immer noch eine so große Vakanz befürchtet wird, wie das vielleicht vor vier Jahren noch der Fall gewesen wäre.

    Und wie traurig ist Ihre Partei?

    Merz: Angela Merkel hat die CDU geprägt. Aber ich würde sagen, dass der CDU das lange Interregnum nach ihr nicht gutgetan hat. Seit Frau Merkel im Oktober 2018 angekündigt hat, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren, sind immerhin fast drei Jahre vergangen, also drei Viertel der laufenden Wahlperiode. Diese Zeit ist inhaltlich wie konzeptionell nicht gut genug gelaufen für die CDU. Das hat Kraft gekostet. Gleichwohl sind wir handlungs- und kampagnenfähig.

    Würde es helfen, wenn sich Frau Merkel entgegen ihrer ursprünglichen Absicht auch noch einmal stärker in Parteibelange einmischen würde?

    Merz: Sie tut es jetzt jedenfalls. Und ich denke, es hilft, wenn wir alle gemeinsam für ein gutes Ergebnis kämpfen.

    Wie konnte es passieren, dass ein Unions-Wahlkämpfer so zur Karikatur wird wie gerade Armin Laschet?

    Merz: Wenn Sie mit Karikatur die Abweichung von der Wirklichkeit meinen, dann trifft dieser Begriff viel eher auf Olaf Scholz zu. Armin Laschet bildet die Wirklichkeit der Union ab. Mit all ihren Stärken und Schwächen. Aber Olaf Scholz ist weit davon entfernt, die Wirklichkeit seiner eigenen Partei abzubilden. Er ist eigentlich die Karikatur seiner Partei. Er hat einen bürgerlichen Habitus an sich, der mit der Wirklichkeit der SPD von heute überhaupt nicht übereinstimmt.

    Aber warum kann sich Armin Laschet in den Umfragen nicht durchsetzen?

    Merz: Wir leben im zweiten Jahr der Pandemie und das wird von den Menschen zunehmend als Belastung empfunden. Dieses Gefühl wird zusätzlich verstärkt durch die Flutkatastrophe und die Umweltpolitik. In solchen Situationen sucht ein Teil der Bevölkerung nach Führung. Scholz simuliert diese Führung, Armin Laschet zeigt Führung durch Moderation und Ausgleich. Das ist in der Situation, in der wir leben, eher ein Vorteil als ein Nachteil.

    Markus Söder sagt, wenn die Union nicht Erster wird, dann müssen es die Linken machen. Das schließt aus, dass die Union in einer anderen Form in die Regierung eintritt. Ist das richtig?

    Kevin Kühnert (SPD) in einer GroKo? Für Friedrich Merz der blanke Horror.
    Kevin Kühnert (SPD) in einer GroKo? Für Friedrich Merz der blanke Horror. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Merz: Meine Vorstellungskraft reicht weit, aber nicht so weit, mir eine Juniorrolle von CDU und CSU in einer SPD-geführten Bundesregierung vorzustellen.

    Also auch keine weitere GroKo?

    Merz: Eine rote GroKo kann doch für alle Beteiligten nur der blanke Horror sein.

    Selbst für die Sozialdemokraten?

    Merz: Ja. Man muss doch mal ganz nüchtern sehen, dass diese SPD nach der Bundestagswahl die linkeste Fraktion ihrer Geschichte haben wird. Ich muss doch nur die Namen Esken, Kühnert und Stegner nennen, die alle eine maßgebliche Rolle spielen werden. Wie soll das denn gehen? Dies möge uns der Wähler ersparen.

    Was passiert denn, wenn die CSU bundesweit unter die Fünfprozenthürde fällt?

    Merz: Dann ist sie immer noch im Bundestag, weil sie mindestens drei Wahlkreise in Bayern gewinnt.

    Aber das passt doch niemals zum Selbstverständnis der Union?

    Merz: Wir sind ja beide im Moment nicht in der besten Verfassung, CDU wie CSU nicht. Ob die CSU jetzt aufs Bundesergebnis hochgerechnet unter oder über fünf Prozent liegt, ist dabei relativ unerheblich. Entscheidend ist, dass die CSU in Bayern mit einem überproportional guten Ergebnis zum Erfolg der Union in ganz Deutschland beiträgt.

    Holt Sie Ihre Blackrock-Vergangenheit im Wahlkampf eigentlich gerade ein?

    Merz: Überhaupt nicht. Ich spreche es sogar von mir aus an. Ich habe in dem Unternehmen sehr gern gearbeitet und in meinen Jahren als Chairman dort viel bewegen können und zugleich sehr viel gelernt.

    Der Schriftzug des Vermögensverwalters Blackrock hängt über dem Eingang.
    Der Schriftzug des Vermögensverwalters Blackrock hängt über dem Eingang. Foto: Justin Lane, dpa

    Sind das Erfahrungen, die Sie sich bei Abgeordneten auch wünschen würden?

    Merz: Ich bedauere in der Tat sehr, dass es im Bundestag einen immer größeren Teil von Abgeordneten gibt, die ohne jede Berufserfahrung, zum Teil ohne jeden Berufsabschluss, in die Politik gegangen sind. Die Union steht ja im Vergleich zu anderen Fraktionen noch vergleichsweise gut da. Aber wenn ich darauf Einfluss haben könnte, das weiter zu verbessern, dann würde ich es tun.

    Wie?

    Merz: Indem man auch mal die Rekrutierungsmechanismen einer Partei überprüft. Die Frage muss doch sein: Wen bekommen wir da eigentlich, wen wollen wir haben? Welche Ansprüche und Anforderungen haben wir an politische Karrieren? Ich finde, dass ein Land von dieser Qualität schon einen Anspruch darauf hat, von einer wirklich gut ausgebildeten und so oft wie möglich auch beruflich erfahrenen politischen Klasse geführt zu werden.

    Das gilt so auch für die Ministerien?

    Merz: Auf den Leitungsebenen der Ministerien sind oft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die auf dem normalen Karriereweg in einer Bürokratie dort nie angekommen wären. Das ist dann natürlich demotivierend für diejenigen, die sich mit guter Qualifikation und Fleiß hochgearbeitet haben.

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